„Auf ideologischem Gebiet gab es keine friedliche Koexistenz“: Interview mit Ulrich Kolbe

Ulrich Kolbe (*1963), dessen Eltern in mehre­ren Auslands­ein­sät­zen für die DDR tätig waren, wuchs in einem inter­na­tio­na­lis­ti­schen Haus­halt auf. Von 1987 bis 1991 unter­rich­tete er Deutsch an der “Medifa”, einer Medi­zi­ni­schen Fach­schule in Qued­lin­burg, die sich auf die Ausbil­dung inter­na­tio­na­ler Studen­ten, vor allem aus den natio­na­len Befrei­ungs­be­we­gun­gen oder den neuen unab­hän­gi­gen Staa­ten, spezia­li­siert hatte. Heute arbei­tet er als frei­be­ruf­li­cher Über­set­zer, Redak­teur, Autor, Foto­graf und Deutsch­leh­rer in Kalifornien.

Im Rahmen unse­rer Recher­chen über die medi­zi­ni­sche Fach­schule haben wir im Juli 2021 ein Inter­view mit Kolbe geführt. In diesem ersten Teil beschreibt er die anti­im­pe­ria­lis­ti­sche Stra­te­gie der DDR im Allge­mei­nen und erör­tert die Entwick­lung des poli­ti­schen Bewusst­seins der DDR-Bürger. Im zwei­ten Teil spre­chen wir über die Bedeu­tung der Fach­schule selbst, sowohl für die Studie­ren­den als auch für die Einwoh­ner Quedlinburgs.

Kannst du uns kurz erklären, wie Internationalismus in der DDR verstanden wurde? Was bedeutete Solidarität?

Es gab Begriffe, die nach 1989 keine Erwäh­nung mehr fanden, keine Rolle mehr spiel­ten, abge­tan wurden. „Prole­ta­ri­scher Inter­na­tio­na­lis­mus“ gehörte dazu, ebenso wie „Soli­da­ri­tät“ oder „fried­li­che Koexis­tenz“. Das waren Begriffe, die in mindes­tens jeder zwei­ten Sendung der Aktu­el­len Kamera im Fern­se­hen zu hören waren, die den Menschen in der DDR bekannt waren. Und einige dieser Begriffe wurden auch gelebt und wurden zur Herzenssache.

Prole­ta­ri­scher Inter­na­tio­na­lis­mus, wie wir es verstan­den haben, basierte auf einer einfa­chen Grund­aus­sage, die man bei Karl Marx im Mani­fest der Kommu­nis­ti­schen Partei nach­le­sen kann: „Prole­ta­rier aller Länder, verei­nigt euch!“ Man hatte dem Natio­na­lis­mus etwas entge­gen­zu­set­zen, nämlich zu sagen, dass die Menschen in den verschie­de­nen Ländern mit verschie­de­nen Haut­far­ben alle gleich sind und die glei­chen Inter­es­sen haben. Es geht um ein Leben in Frie­den, um ein gesi­cher­tes Aufwach­sen und um Gesundheitsfürsorge.

Der prole­ta­ri­sche Inter­na­tio­na­lis­mus, wie er in der DDR verstan­den wurde, ging von den drei Haupt­strö­mun­gen des revo­lu­tio­nä­ren Welt­pro­zes­ses aus. Das heißt, wir sahen zum einen die sozia­lis­ti­sche Staa­ten­ge­mein­schaft mit der Sowjet­union an der Spitze und dass sich unter diesen Staa­ten gehol­fen wurde. Auf der zwei­ten Ebene ging es um die Arbei­ter­par­teien und kommu­nis­ti­schen Parteien in den kapi­ta­lis­ti­schen Staa­ten. Auch hier wurde mitein­an­der gear­bei­tet. Natür­lich haben viele dieser Parteien großes Inter­esse an den Erfah­run­gen der DDR beim Aufbau einer neuen Gesell­schaft gehabt. So kamen etwa auch Jugend­li­che aus Frank­reich zum Beispiel oder aus der Bundes­re­pu­blik über die Jugend­or­ga­ni­sa­tio­nen in den Sommer­fe­rien in die DDR. Hier im Kreis Qued­lin­burg, gab es beispiels­weise Part­ner­städte in Frank­reich, die zum großen Teil von kommu­nis­ti­schen Bürger­meis­tern regiert wurden und von daher ganz einfach ein Inter­esse an der DDR hatten und sich entschie­den haben, im Sommer 40 Jugend­li­che hier in den Harz zu schi­cken. Das war also die zweite Säule, die kommu­nis­ti­schen Arbei­ter­par­teien in kapi­ta­lis­ti­schen Ländern. Und die dritte Trieb­kraft des revo­lu­tio­nä­ren Prozes­ses nach unse­rem Verständ­nis waren die natio­na­len Befrei­ungs­be­we­gun­gen in den jungen Natio­nal­staa­ten Asiens, Afri­kas, Latein­ame­ri­kas. Auf diesen drei Ebenen voll­zog sich die gegen­sei­tige Hilfe.

Ich will noch mal unter­strei­chen, dass diese Zusam­men­ar­beit etwas Gegen­sei­ti­ges war. Es war also nicht so, dass die kleine DDR mit beschränk­ten wirt­schaft­li­chen Ressour­cen immer nur rein­ge­but­tert hätte, sondern es war schon so, dass man auch was zurück­be­kam. Und wenn es Erfah­run­gen waren, wenn es die diplo­ma­ti­sche Aner­ken­nung war, die wir im Gegen­zug dafür beka­men. Aber es ging nicht in erster Linie um Devi­sen oder sons­ti­ges, sondern es war wirk­lich eine Hilfe auf rein mensch­li­cher Ebene. Das genau ist prole­ta­ri­scher Inter­na­tio­na­lis­mus. Es ging darum, dass man den Fahne-schwen­ken­den Leuten, egal ob das zur Fußball-EM oder ‑WM ist, etwas entge­gen­zu­set­zen hat — und statt­des­sen eine Fahne hat, wenn über­haupt, dann eine rote. Es ging darum, dass man gemein­sam für den Frie­den, für den Fort­schritt und für soziale Gerech­tig­keit eintrat. Das ist also die grund­le­gende Defi­ni­tion dessen, was wir unter prole­ta­ri­schem Inter­na­tio­na­lis­mus verstan­den. Das zu leben war eine tägli­che Aufgabe für jeden und wurde unter­schied­lich gehandhabt.

Wie sehr wurde das denn in der Breite der Bevölkerung verankert und gelebt?

Ich denke, das wurde im Laufe der Jahre und Jahr­zehnte nicht einfa­cher. Am Anfang waren die Verhält­nisse rela­tiv klar. Wenn ein großes Land wie die USA ein klei­nes wie Viet­nam bombar­diert, mit Agent Orange entlaubt und die Menschen verstüm­melt, war es rela­tiv leicht, den Menschen hier in der DDR zu vermit­teln, wen wir unter­stüt­zen und warum. Es war eben ganz klar, dass der US-Impe­ria­lis­mus, der zum einen versuchte, von West­ber­lin oder der Bundes­re­pu­blik aus die DDR zu sabo­tie­ren, zum ande­ren dort dieses kleine Land, für das wir große Sympa­thien hatten, in Schutt und Asche zu bomben. Von daher gab es eine natür­li­che Verbin­dung zwischen den Studen­ten, die aus Viet­nam kamen und uns. Ähnli­ches betraf dann die Studen­ten, die aus Paläs­tina oder aus dem Liba­non kamen, weil auch sie durch den US-Impe­ria­lis­mus in ihren Ländern in diese Situa­tion gekom­men waren. Dadurch hatte man auf dieser Schiene erst einmal ein glei­ches Verständnis.

Ich kann mich aber erin­nern, dass dann gegen Ende meiner Lehr­tä­tig­keit Stim­men laut wurden, wie: „Damals haben wir den Viet­na­me­sen unsere Soli­da­ri­täts­gel­der geschickt und jetzt kaufen wir von denen Klamot­ten.“ Denn von vielen viet­na­me­si­schen Vertrags­ar­bei­ter in der DDR wurden neben­be­ruf­lich zu Hause Jeans­sa­chen genäht, die in den Geschäf­ten nicht erhält­lich waren, die aber die Leute gerne gekauft haben.

Das heißt gegen Ende der DDR, in den späten 80er-Jahren, ist die Stim­mung irgend­wie gekippt. Das hatte verschie­dene Ursa­chen. Ein Grund war natür­lich, dass es nicht mehr so einfach zu sehen war, wer denn die Guten und wer die Bösen in der Welt sind. Für viele war der Inter­na­tio­na­lis­mus natür­lich mehr als das monat­li­che Kleben der Soli­da­ri­täts­mar­ken für das Gewerk­schafts­mit­glied-Buch. Viele haben durch­aus andere Möglich­kei­ten gesucht und auch gefun­den. Für sie war die Lösung etwa, sich mit auslän­di­schen Mitbür­gern zu tref­fen, sie unkom­pli­ziert einzu­la­den und ganz persön­lich ohne irgend­wel­che Aufträge mit ihnen Kontakte herzu­stel­len. Das war selbst­ver­ständ­lich für viele, nicht für alle, ganz klar.

Wie wurden die DDR-Bürger über die Entwicklungen in den um ihre Unabhängigkeit kämpfenden Ländern informiert?

Da müsste man weiter ausho­len und auf die ja doch arg verfehlte Infor­ma­ti­ons­po­li­tik in der DDR einge­hen, die wohl weitest­ge­hend von Joachim Herr­mann1 zu verant­wor­ten war. Wenn man also abends um 19:30 Uhr die Aktu­elle Kamera im Fern­se­hen einschal­tete, dann konnte man davon ausge­hen, dass in den ersten 10, 15, manch­mal 20 Minu­ten nichts ande­res gezeigt wurde, als Berichte aus den Volks­ei­ge­nen Betrie­ben. Hofbe­richt­erstat­tung, so haben wir es genannt. Wen hat denn der Staats­rats­vor­sit­zende heute an auslän­di­schen Gästen empfan­gen? Und nach diesen 20 Minu­ten ging es dann darum, was im Rest der Welt passiert ist. Wie sieht es denn aus in den Gefäng­nis­sen Chiles? Welche Fort­schritte macht der Befrei­ungs­kampf in Angola und Mosam­bik? Das fanden wir, die wir poli­tisch inter­es­siert waren, damals unmög­lich. Wir empfan­den die Gewich­tung in der Bericht­erstat­tung als völlig verfehlt. Nach unse­rem Verständ­nis, weil wir uns als Inter­na­tio­na­lis­ten verstan­den, hätte damals doch das Welt­weite an erste Stelle gehört und wäre sicher auch von der brei­ten Bevöl­ke­rung so akzep­tiert worden. Aber es wurde von höhe­rer Stelle eben irgendwo gegen den Baum gefahren.

In Qued­lin­burg, in der Fach­schule und auch ande­ren­orts wurden natür­lich inter­na­tio­nale Ereig­nisse, also was in Afrika und Asien vor sich ging, schon thema­ti­siert. Es gab also, ich erin­nere mich noch, 1973 unzäh­lige Soli­da­ri­täts­ver­an­stal­tun­gen für die Patrio­ten Chiles, die zum Teil auf sehr aben­teu­er­li­che Weise in der DDR gelan­det sind. Nach­dem sie auf den Welt­fest­spie­len im Sommer 1973 noch gefei­ert wurden, wurden die meis­ten dann kurz nach ihrer Rück­kehr in Sant­iago ins Stadion getrie­ben, gefol­tert und ermor­det. Viele davon wurden in die DDR zurück­ge­holt und man hat damals eine sehr breite und echte Soli­da­ri­täts­be­we­gung gespürt, auch als junger Mensch. Das war nichts Aufge­setz­tes, es war nichts, was so gefor­dert wurde und wo man hinzu­ge­hen hatte.

Ich denke, dass zum dama­li­gen Zeit­punkt, also in den 70er-Jahren, der Groß­teil der Bevöl­ke­rung noch hinter diesen Unter­stüt­zungs­kam­pa­gnen stand und auch dafür mit Herz und Seele einge­tre­ten ist. Dass das dann später vom Westen erfolg­reich zersetzt wurde, ist eben leider tragisch. Dann hat man irgend­wann begon­nen, das eigene Wohl, das eigene Auto und den eige­nen Bunga­low für wich­ti­ger zu halten als das, was mit den Genos­sen in ande­ren Ländern passiert.

Soli­da­ri­täts­pla­kat des Soli­da­ri­täts­ko­mi­tees für die Opfer der Pinochet-Diktatur.

Was unterscheidet denn die Diplomatie vom Internationalismus oder ist das eine Teil des anderen?

Ich würde schon sagen, dass die Außen­po­li­tik der DDR ganz sicher von den Idea­len des prole­ta­ri­schen Inter­na­tio­na­lis­mus getra­gen und dadurch gezeich­net war. Aber da muss ich jetzt dieses andere große Wort mit ins Spiel brin­gen, fried­li­che Koexis­tenz, das in den 70er-Jahren tagtäg­lich zu hören war und was seinen Ausdruck beispiels­weise darin fand, dass die Sowjet­union und die USA 1975 gemein­sam eine Welt­raum­mis­sion flogen. Zur glei­chen Zeit war der Norwe­ger Thor Heyer­dahl mit einer inter­na­tio­na­len Crew bestehend aus Forschern aus allen Ländern unter­wegs. So wurde für uns der Inter­na­tio­na­lis­mus auch am Bild­schirm erlebbar.

Es war nicht immer mit dem großen prole­ta­ri­schen Inter­na­tio­na­lis­mus einher­ge­hend, aber es war eine Vernet­zung, eine Entspan­nungs­po­li­tik spür­bar. Das hat uns schon Mut gemacht damals. Außen­po­li­tik und Inter­na­tio­na­lis­mus — weil diese fried­li­che Koexis­tenz, wie wir sie nann­ten, über­all exis­tie­ren sollte und unter­stützt werden sollte, nur nicht auf ideo­lo­gi­schem Gebiet. Das hatte zur Folge, dass an der Fach­schule, das war ja keine poli­ti­sche Insti­tu­tion, sondern eine medi­zi­ni­sche, auch nicht Marxis­mus-Leni­nis­mus als Haupt­fach unter­rich­tet wurde. Aber hätte irgend­je­mand poli­ti­sche Reden gehal­ten und Bewe­gun­gen gestar­tet, die den Zielen dieser Ausbil­dung zuwi­der­lie­fen, hätte man das sicher unter­bin­den müssen. Denn auf ideo­lo­gi­schem Gebiet gab es keine fried­li­che Koexis­tenz, das war eben ein Gebot des prole­ta­ri­schen Inter­na­tio­na­lis­mus: Wachsamkeit.

Friedliche Koexistenz mit dem imperialistischen Ausland — ist das nicht eigentlich der Gegensatz zum proletarischen Internationalismus?

Das ist eine gute Frage. Zum einen ging es ja auch darum, den Sozia­lis­mus als Gesell­schafts­mo­dell attrak­tiv zu gestal­ten und für Menschen in ande­ren Ländern erstre­bens­wert zu machen. Auf diese Art wollte man zeigen: wir sind nicht so, wie wir in irgend­wel­chen west­li­chen Filmen darge­stellt werden, die zähne­flet­schen­den Kommu­nis­ten, die Babys fres­sen und Ähnli­ches. Aber es ist völlig rich­tig, dass der Gegner von Anfang an mit verschie­de­nen Mitteln versucht hat, unsere Poli­tik und die Entwick­lung hier zu stören. Zum einen natür­lich direkt bis 1961. Und viel­leicht war einer der Fehler im Denken in Berlin, dass man immer damit gerech­net hat, der Kapi­ta­lis­mus würde irgend­wann mit Panzern die Grenze über­rol­len und das war’s dann. Ich glaube, das war im Denken der Partei und Staats­füh­rung immer noch sehr stark verhaf­tet. Dass die ideo­lo­gi­sche Unter­wan­de­rung, die es ja durch­aus gab, zeit­gleich ablief und mit sehr perfi­den Metho­den zum großen Teil übers West­fern­se­hen geschürt wurde, das konnte wahr­schein­lich auch gar nicht umgan­gen werden.

Unter den Bedin­gun­gen zweier Gesell­schafts­sys­teme, die sich völlig gegen­sätz­lich gegen­über­ste­hen, weiß ich nicht, wie es hätte besser gemacht werden können. Man hätte das West­fern­se­hen komplett aus der DDR verbie­ten müssen. Aber das ging ja gar nicht. Man kann also sagen, dass der prole­ta­ri­sche Inter­na­tio­na­lis­mus auf der Stre­cke geblie­ben ist, weil es um diese fried­li­che Koexis­tenz ging. Das ist rich­tig. Die Kehr­seite der fried­li­chen Koexis­tenz war ja auch das Totrüs­ten der sozia­lis­ti­schen Staa­ten. Die Sowjet­union wie auch die kleine DDR muss­ten ja riesige Mittel binden, die ansons­ten anders­wo­hin hätten flie­ßen können, wenn nicht dieses Sicher­heits­be­dürf­nis objek­tiv exis­tiert hätte.

Was kann heute von den Erfahrungen in der DDR gelernt werden?

Ja, darauf kommt es ja an, die Lehren aus den 40 Jahren des Bestehens dieser DDR zu ziehen. Der Inter­na­tio­na­lis­mus, die inter­na­tio­na­lis­ti­sche Arbeit, die hier geleis­tet wurde, ist mit Sicher­heit eine der besten Seiten der Exis­tenz dieses klei­nen Landes. Als ich in der DDR zur Schule ging, lern­ten wir natür­lich über die Pari­ser Kommune 1871 und man brachte uns bei, nicht aufzu­ge­ben. Denn es gibt natür­lich auch Rück­schläge uns die wird es immer geben.

Nur haben wir uns damals so sicher gefühlt, dass uns das nun nicht mehr passie­ren würde — wir wuss­ten die Sowjet­union an unse­rer Seite mit ihrer riesi­gen, star­ken Armee, die den Hitler­fa­schis­mus besiegt hatte. Wir waren uns viel zu sicher, dass es uns nie passie­ren könnte, dass es bei uns rück­wärts ginge. Und wenn, rech­ne­ten wir mit einem mili­tä­ri­schen Über­fall, der eben aufgrund der Stärke der Sowjet­union sofort hätte beant­wor­tet werden können.

Lehren? Für mich, für die jüngere Gene­ra­tion ist das wohl: Nicht aufge­ben, weiter­ma­chen. Ich habe das selber erfah­ren mit den Spani­en­kämp­fern in den USA. In Spanien wurden sie von Franco vernich­tend geschla­gen und wurden dann jahr­zehn­te­lang vom CIA und FBI in der Heimat über­wacht. Man hat ihnen den Pass wegge­nom­men, sie durf­ten aus den USA nicht mehr ins Ausland reisen — einfach weil sie poli­tisch aktiv gewe­sen waren. Und trotz­dem haben sie weitergemacht.

Harry Fishers Buch über seine Erfah­run­gen im Spani­schen Bürger­krieg. Ulrich Kolbe hatte engen Kontakt zu Fisher, über­setzte sein Buch und reiste mit Fisher durch Deutsch­land, um es zu bewerben.

Ich werfe vielen hier vor, die sich 1990 etwa auch diesen gelben Aufkle­ber von Tchibo „Oh, frische Bohnen!“ an ihre Akten­ta­schen geklebt haben2, dass sie diesem ganzen Kram auf den Leim gegan­gen sind, ihn geglaubt und nach­ge­plap­pert haben. „Ja, es war alles schlecht in der DDR und es gab ja nichts. Und die stän­dige Über­wa­chung durch die Stasi…“ Statt­des­sen hoffe ich, dass man anfängt, diese Geschich­ten als das zu sehen und zu entlar­ven, was sie sind, nämlich Propa­ganda. Und dass man darüber spricht, dass das wahre Leben in der DDR trotz aller Mängel und aller Unzu­läng­lich­kei­ten viel, viel besser war, als es in den Jahren nach 1990 medial darge­stellt wurde.

Die junge Gene­ra­tion sollte anhand der Erfah­run­gen des Inter­na­tio­na­lis­mus sehen, dass es funk­tio­nie­ren kann. Solange ich nicht Fahne schwen­kend, alko­ho­li­siert durch die Stra­ßen ziehe und nur an mein Land glaube, sondern weiß, dass die Menschen in ande­ren Ländern der Welt das glei­che Inter­esse haben wie ich — an Frie­den, an Sicher­heit, an sozia­ler Gerech­tig­keit – dann wird es auch weiter­ge­hen. Muss es.

Das Inter­view wurde am 07.07.2021 in Qued­lin­burg geführt. Es wurde zur besse­ren Lesbar­keit leicht bearbeitet.

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