Ostdeutsche Waffen gegen das faschistische Portugal

Wie sich die DDR für die militärische Unterstützung des mosambikanischen antikolonialen Befreiungskampfes entschied

Mascha Neumann

25. April 2024

Die Deut­sche Demo­kra­ti­sche Repu­blik (DDR) wird heute von zahl­rei­chen fort­schritt­li­chen Kräf­ten in der ganzen Welt als Vorrei­ter bei der Unter­stüt­zung der natio­na­len Befrei­ungs­be­we­gun­gen des 20. Jahr­hun­derts in Erin­ne­rung behal­ten. Die anti­im­pe­ria­lis­ti­sche Soli­da­ri­tät der DDR reichte von Ausbil­dungs­pro­gram­men, medi­zi­ni­scher Versor­gung, indus­tri­el­ler und land­wirt­schaft­li­cher Entwick­lung, zivi­len Hilfs­gü­tern, finan­zi­el­ler Unter­stüt­zung, Druck von Agita­ti­ons­ma­te­rial bis hin zu mili­tä­ri­scher Ausbil­dung und Ausstat­tung. Rück­bli­ckend wirkt diese mili­tä­ri­sche Unter­stüt­zung wie die konse­quente Fort­set­zung der inter­na­tio­na­len Soli­da­ri­tät. Doch Anfang der 1960er Jahre war es in der DDR durch­aus umstrit­ten, ob die Liefe­rung von ostdeut­schen Waffen und Muni­tion an Orga­ni­sa­tio­nen wie die Frente de Liber­ta­ção de Moçam­bi­que (FRELIMO) zweck­mä­ßig war.

Grund­sätz­lich wurde im sozia­lis­ti­schen Lager der Einsatz mili­tä­ri­scher Mittel im Kampf gegen die Kolo­ni­al­herr­schaft als legi­tim erach­tet. Der ehema­lige Diplo­mat Helmut Matthes1 beschreibt das Verhält­nis der DDR zum bewaff­ne­ten Kampf jedoch als ambi­va­lent. Man habe „poli­ti­sche und diplo­ma­ti­sche Mittel von Anfang an als entschei­dend“2 bewer­tet. Im Nukle­ar­zeit­al­ter, insbe­son­dere nach der so genann­ten Kuba­krise von 1962, waren die mit der Sowjet­union verbün­de­ten Staa­ten besorgt, dass die Konfron­ta­tion mit den impe­ria­lis­ti­schen Staa­ten zu einer gegen­sei­ti­gen Vernich­tung eska­lie­ren könnte. Vor diesem Hinter­grund wurde das Konzept der fried­li­chen Koexis­tenz („Das fried­li­che Neben­ein­an­der­be­stehen und Zusam­men­ar­beit zwischen Staa­ten unter­schied­li­cher Gesell­schafts­ord­nung in der Epoche des Über­gangs vom Kapi­ta­lis­mus zum Sozia­lis­mus“) zu einem Leit­prin­zip der sowje­ti­schen Außen­po­li­tik, während andere sozia­lis­ti­sche Staa­ten wie die Volks­re­pu­blik China und Kuba deut­lich offen­si­ver mit der Frage des bewaff­ne­ten anti­im­pe­ria­lis­ti­schen Kamp­fes umgin­gen.3

Eine genauere Betrach­tung der Entwick­lung der DDR-Posi­tion gegen­über dem bewaff­ne­ten Kampf im südli­chen Afrika zeigt eine anfäng­li­che Zurück­hal­tung, die auf mehrere Fakto­ren zurück­zu­füh­ren ist: Könnte sich nach Kuba eine weitere Nukle­ar­krise über Afrika entfal­ten? Waren die lega­len und diplo­ma­ti­schen Bemü­hun­gen wirk­lich ausge­schöpft? Soll­ten ostdeut­sche Waffen für Konflikte im Ausland expor­tiert werden, auch wenn sie auf west­deut­sche Waffen tref­fen könn­ten? Konnte sicher­ge­stellt werden, dass die Waffen in die rich­ti­gen Hände gelang­ten? Konnte die DDR-Indus­trie mit dem Bedarf der Befrei­ungs­kämpfe in Ostasien und Afrika mithal­ten? Ange­sichts inten­si­vie­ren­der Kampf­hand­lun­gen im südli­chen Afrika Mitte der 1960er Jahre und der Eska­la­tion der chine­sisch-sowje­ti­schen Spal­tung, beschloss die poli­ti­sche Führung in Berlin Anfang 1967, sich zur mili­tä­ri­schen Unter­stüt­zung der Befrei­ungs­be­we­gun­gen in Afrika zu verpflich­ten. So begann die DDR, Millio­nen von Mark für unent­gelt­li­che Mili­tär­hilfe und Ausbil­dungs­pro­gramme für Kämp­fer aus natio­na­len Befrei­ungs­be­we­gun­gen und ehema­li­gen Kolo­nien bereit­zu­stel­len.4 Im Gegen­satz zur Darstel­lung in der west­deut­schen Presse („Honeckers Afrika-Korps“) wurde die Entschei­dung für die Liefe­rung „nicht­zi­vi­ler Güter“ erst nach sorg­fäl­ti­gem Abwä­gen getroffen.

Das sozialistische Lager und der Kampf gegen das portugiesische Kolonialregime

Die anfäng­li­che Zurück­hal­tung in der DDR hinsicht­lich der Pläne der mosam­bi­ka­ni­schen Befrei­ungs­front FRELIMO, die es den Befrei­ungs­be­we­gun­gen in Angola (1961) und Guinea-Bissau (1963, damals noch „Portu­gie­sisch-Guinea“) gleich­tun und den bewaff­ne­ten Kampf gegen die Kolo­ni­al­macht Portu­gal aufneh­men wollte, verdeut­licht die von Matthes ange­spro­chene Ambi­va­lenz. Nach einem Besuch von zwei Vertre­tern der FRELIMO in der DDR im Jahr 1963 wurde im Besuchs­be­richt des Minis­te­ri­ums für Auswär­tige Ange­le­gen­hei­ten (MfAA) fest­ge­hal­ten, dass die Befrei­ungs­front gegen­wär­tig keine andere Möglich­keit sah, die Unab­hän­gig­keit Mosam­biks zu errei­chen. Dies stieß zwar auf ein gewis­ses Verständ­nis, gleich­zei­tig wurde jedoch kritisiert,

„dass die FRELIMO den Fragen der gleich­zei­ti­gen Ausnut­zung lega­ler Möglich­kei­ten des Kamp­fes zur Schaf­fung einer noch brei­te­ren natio­na­len Front gegen den portu­gie­si­schen Kolo­nia­lis­mus (Versu­che zur Schaf­fung einer lega­len Oppo­si­tion, Kontakte mit ande­ren Parteien und mit den soge­nann­ten Assi­mi­la­dos5 in der Verwal­tung, Betei­li­gung als Einzel­kan­di­da­ten an Wahlen usw.) zu wenig Beach­tung schenkt.“6

Hinter dieser „einseitige[n] Orien­tie­rung auf den bewaff­ne­ten Kampf“ wurde – nicht zuletzt aufgrund des kurz zuvor erfolg­ten Besuchs einer der FRELIMO-Vertre­ter (Marce­lino dos Santos, später wurde er Vize­prä­si­dent der Befrei­ungs­front) in der Volks­re­pu­blik China, bei dem dieser von Mao persön­lich empfan­gen worden sein soll – ein „chine­si­scher Einfluss“7 vermu­tet. Das Zitat deutet auch darauf hin, dass die Entschei­dung für den Eintritt in den bewaff­ne­ten Kampf als verfrüht empfun­den und es als erfolgs­ver­spre­chen­der einge­schätzt wurde, sich zunächst einer brei­te­ren Unter­stüt­zung weite­rer mosam­bi­ka­ni­scher Akteure zu versichern.

Kämp­fer der FRELIMO bei der mili­tä­ri­schen Ausbildung.

Dass sich die Sowjet­union trotz der eige­nen Beden­ken im Jahr 1964 schließ­lich dafür entschied, die FRELIMO mili­tä­risch zu unter­stüt­zen (zunächst durch das Ange­bot, 40 Kämp­fer in der UdSSR auszu­bil­den), soll ihr Vorsit­zen­der, Eduardo Mond­lane, als Abschre­ckungs­ver­such gegen­über China, sich nicht zu stark in Mosam­bik einzu­mi­schen, gewer­tet haben.8 Die sowje­ti­sche Entschei­dung wird auch für ihre Verbün­de­ten nicht unbe­deu­tend gewe­sen sein. Als die FRELIMO nach Aufnahme der Kampf­hand­lun­gen im Septem­ber 1964 die Anstren­gun­gen erhöhte, von den sozia­lis­ti­schen Staa­ten mili­tä­ri­sche Unter­stüt­zung zu erhal­ten, war sie dabei durch­aus erfolg­reich: u.a. Bulga­rien und die ČSSR sagten im Früh­jahr bzw. Sommer 1965 Waffen­lie­fe­run­gen zu.9 Auch bei der DDR waren spätes­tens seit 1965 Waffen ange­fragt worden und die FRELIMO war damit nicht allein: u.a. die Movi­mento Popu­lar de Liber­ta­ção de Angola (MPLA) aus Angola und die ZAPU aus dem an Mosam­bik gren­zen­den Rhode­sien10 hatten eben­falls wieder­holt entspre­chende Anfra­gen gestellt.11 Zu Waffen­lie­fe­run­gen konnte man sich in der DDR zu diesem Zeit­punkt jedoch noch nicht durchringen.

Die militärische und politische Unterstützung Westdeutschlands für das faschistische Portugal

Aller­dings war die Frage nach Waffen­lie­fe­run­gen insbe­son­dere bei den portu­gie­si­schen Kolo­nien im Fall der DDR auch um eini­ges heik­ler als für ihre sozia­lis­ti­schen Bruder­län­der: immer­hin hätten sich dort Waffen aus beiden deut­schen Staa­ten direkt gegen­über­ge­stan­den. Die portu­gie­si­sche Führung hatte sich Anfang der sech­zi­ger Jahre an ihre NATO-Bünd­nis­part­ner gewandt und sie um Hilfe gebe­ten. Die Regie­rung unter Dikta­tor Sala­zar behaup­tete, in ihren soge­nann­ten „Über­see­pro­vin­zen“12 von einem durch die Sowjet­union unter­stütz­ten kommu­nis­ti­schen Aufstand bedroht zu werden. Darauf­hin leis­te­ten einige Staa­ten dem faschis­ti­schen Portu­gal u.a. mit Kredi­ten, Kampf­flug­zeu­gen, Kriegs­schif­fen, Muni­tion und chemi­schen Entlau­bungs­mit­teln Unter­stüt­zung.13 Bis zu diesem Zeit­punkt waren die USA der größte finan­zi­elle und mili­tä­ri­sche Unter­stüt­zer Portu­gals gewe­sen, u.a. um sich ihre stra­te­gisch wich­ti­gen Mili­tär­ba­sen auf den Azoren und Kap Verde zu sichern.

Die gewähr­ten Kredite waren zwar für die Verwen­dung in Portu­gal bestimmt, aller­dings wurden dadurch an ande­rer Stelle Gelder frei­ge­setzt, die für die Verwal­tung der Kolo­nien und letzt­end­lich auch für die Kolo­ni­al­kriege verwen­det werden konn­ten.14 Nach Verab­schie­dung der „Erklä­rung über die Gewäh­rung der Unab­hän­gig­keit an kolo­niale Länder und Völker“ durch die UN-Gene­ral­ver­samm­lung im Dezem­ber 196015 auf Initia­tive der Sowjet­union16 sowie in Anbe­tracht der sich verschär­fen­den Lage in den portu­gie­si­schen Kolo­nien, schränk­ten die USA unter ihrem neuen Präsi­den­ten John F. Kennedy die Waffen­lie­fe­run­gen an Portu­gal deut­lich ein. Die BRD, die sich als Nicht-Mitglied nicht vor der UNO recht­fer­ti­gen musste, ersetzte in der Folge die USA als Haupt­lie­fe­rant von mili­tä­ri­schem Gerät.17

Zu Beginn ihres bewaff­ne­ten Kamp­fes waren die Kämp­fer der FRELIMO oft nur mit erbeu­te­ten Waffen ausge­rüs­tet. Hier mit dem Gewehr G3, ein Schnell­feu­er­ge­wehr des deut­schen Waffen­her­stel­lers Heck­ler & Koch.

Die Bundes­re­pu­blik leis­tete sowohl auf mili­tä­ri­scher als auch auf wirt­schaft­li­cher und poli­ti­scher Ebene einen bedeu­ten­den Beitrag zu den portu­gie­si­schen Kolo­ni­al­krie­gen.18 In den 1960er Jahren gingen große Mengen an über­schüs­si­gem Bundes­wehr­ma­te­rial nach Portu­gal, darun­ter haupt­säch­lich Waffen und Mili­tär­flug­zeuge. Zusätz­lich wurde das portu­gie­si­sche Mili­tär durch die west­deut­sche Indus­trie bis in die 1970er Jahre mit Neupro­duk­ten belie­fert, darun­ter u.a. Kriegs­schiffe und Gelän­de­fahr­zeuge, die auch in den Kolo­nien zum Einsatz kamen.19 Zwar war im Jahr 1965 eine soge­nannte „Endver­bleib­sklau­sel“ ausge­han­delt worden, um den Trans­fer und damit die Verwen­dung in den Kolo­ni­al­krie­gen auszu­schlie­ßen. Dass dort trotz­dem immer wieder Waffen und ande­res aus der Bundes­re­pu­blik gelie­fer­tes mili­tä­ri­sches Mate­rial und Gerät zum Einsatz kam, war jedoch bekannt.20 Die Unter­drü­ckung der Befrei­ungs­be­we­gung in Mosam­bik durch Portu­gal wurde immer bruta­ler und gipfelte 1973 in dem Massa­ker von Wiri­yamu, bei dem 400 Dorf­be­woh­ne­rIn­nen von der portu­gie­si­schen Armee und dem Sicher­heits­dienst nieder­ge­schos­sen wurden.21

Der Wendepunkt für die DDR und die „Lieferung nichtziviler Güter“

Dafür, dass die Befürch­tung vor einer Eska­la­tion groß war, spricht auch der Umgang mit einem Entwurf des DDR-Außen­mi­nis­ters Otto Winzer aus dem Früh­jahr 1965, welcher einen grund­sätz­li­chen Beschluss über die Unter­stüt­zung von Befrei­ungs­kämp­fen mit mili­tä­ri­schem Mate­rial vorsah. Als Anlass wurden expli­zit die wieder­hol­ten entspre­chen­den Anfra­gen verschie­de­ner Befrei­ungs­be­we­gun­gen genannt, die das Soli­da­ri­täts­ko­mi­tee der DDR z.T. bereits mit zivi­len bis hin zu para­mi­li­tä­ri­schen Gütern unter­stützte – darun­ter u.a. die ango­la­ni­sche MPLA und die mosam­bi­ka­ni­sche FRELIMO. Dieses Doku­ment wurde als derart vertrau­lich einge­stuft, dass es zunächst mit keiner ande­ren staat­li­chen Dienst­stelle abge­spro­chen wurde. Da es schließ­lich nicht dem Polit­büro der Sozia­lis­ti­schen Einheits­par­tei Deutsch­lands (SED) zur Abstim­mung vorge­legt wurde, liegt die Vermu­tung nahe, dass mindes­tens einer der drei Minis­ter (darun­ter waren der Minis­ter für natio­nale Vertei­di­gung, Heinz Hoff­mann, der Leiter des Minis­te­ri­ums für Staats­si­cher­heit, Erich Mielke sowie der Minis­ter des Innern, Fried­rich Dickel), denen der Entwurf vorab vorge­legt wurde, auf die Bremse trat.22

Das Thema war jedoch nicht vom Tisch. Nach­dem sich Erich Honecker im Novem­ber 1966 (in seiner dama­li­gen Funk­tion als ZK-Sekre­tär für Sicher­heits­fra­gen) noch gegen die Bewaff­nung entspre­chen­der Grup­pie­run­gen ausge­spro­chen hatte23, fällte das Polit­büro am 10. Januar 1967 schließ­lich eine Grund­satz­ent­schei­dung über Waffen­lie­fe­run­gen und beschloss die Möglich­keit der „Liefe­rung nicht­zi­vi­ler Güter an natio­nale Befrei­ungs­be­we­gun­gen in Afrika“24. Matthes‘ Einschät­zung nach waren die Grund­la­gen für das Umschwen­ken in dieser Frage die sich im Laufe der sech­zi­ger Jahre inten­si­vie­ren­den poli­ti­schen Kontakte bei inter­na­tio­na­len Veran­stal­tun­gen sowie die Besu­che hoch­ran­gi­ger Vertre­ter der Befrei­ungs­be­we­gun­gen in der DDR.25 Es liegt nahe, dass häufi­gere Begeg­nun­gen ein besse­res Kennen­ler­nen sowie wieder­holte Unter­stüt­zungs­an­fra­gen ermög­lich­ten, wodurch der Druck zunahm, der sicher zu dem Beschluss beitrug. So hatte z.B. der FRELIMO-Präsi­dent Mond­lane ledig­lich sechs Wochen vor der Entschei­dung zum zwei­ten Mal persön­lich Ostber­lin besucht. Ob auch die Sowjet­union darauf gedrängt hatte, die bishe­rige Zurück­hal­tung zu über­den­ken und ihrem Beispiel zu folgen, ist bislang nicht geklärt, da aussa­ge­kräf­tige Quel­len hierzu fehlen.26

Was sicher­lich auch zu dieser Entschei­dung beigetra­gen hat, war die Inten­si­vie­rung der Kampf­hand­lun­gen vieler Befrei­ungs­be­we­gun­gen im südli­chen Afrika Mitte der 1960er Jahre. Mili­tä­ri­sche Akti­vi­tä­ten waren (spätes­tens) 1966 zum prägen­den Faktor des Befrei­ungs­kamp­fes gewor­den. Auch inter­es­sant ist, dass Ende 1966 eine kuba­ni­sche Mili­tär­de­le­ga­tion in der DDR weilte, deren Einfluss auf die Entschei­dung zuguns­ten von Waffen­lie­fe­run­gen nicht auszu­schlie­ßen, jedoch auch nicht eindeu­tig beleg­bar ist. Da es in den Gesprä­chen jedoch um Themen rund um den bewaff­ne­ten Befrei­ungs­kampf und u.a. konkret um die Frage ging, ob die DDR Waffen und mili­tä­ri­sche Ausbil­dung bereit­stel­len könne, liegt auch hier ein weite­rer wahr­schein­li­cher Einfluss zuguns­ten des Beschlus­ses vor.27

Die Über­win­dung des Analpha­be­tis­mus war einer der wich­tigs­ten Ziele der FRELIMO. Kämp­fer nutzen eine Pause, um schrei­ben und lesen zu lernen.

Mit der Grund­satz­ent­schei­dung wurden sogleich die ersten konkre­ten Liefe­run­gen beschlos­sen. Die FRELIMO wurde dabei prio­ri­siert und erhielt die größte Anzahl an Waffen und Muni­tion. In der Begrün­dung der Beschluss­vor­lage des MfAA hieß es, dass die bedach­ten Befrei­ungs­be­we­gun­gen jeweils die bedeu­tends­ten, erfolg­reichs­ten und fort­schritt­lichs­ten Kräfte in den jewei­li­gen Kolo­nien bilde­ten und die Mili­tär­hil­fen im Einklang mit dem außen­po­li­ti­schen Prin­zip der Unter­stüt­zung der Befrei­ungs­be­we­gun­gen stün­den.28 Damit hatte sich die DDR in ihrer Haltung zum bewaff­ne­ten Kampf nicht nur ihren sozia­lis­ti­schen Bruder­staa­ten (und China) ange­schlos­sen, sondern folgte auch ande­ren Ländern des afri­ka­ni­schen Konti­nents, die auf einen erfolg­rei­chen Befrei­ungs­kampf zurück­bli­cken konn­ten. So war es das seit 1962 unab­hän­gige Alge­rien gewe­sen, das in seinem Befrei­ungs­krieg gegen Frank­reich umfang­rei­che Kampf­erfah­rung gesam­melt und auf Anfrage der FRELIMO-Führung für die mili­tä­ri­sche Ausbil­dung und Ausstat­tung ihrer ersten 250 Kämp­fer gesorgt hatte.29

Aktive Diplomatie der Befreiungsbewegungen – Das Beispiel der FRELIMO

Seit 1967 fanden fast jähr­lich Waffen­lie­fe­run­gen aus der DDR an die FRELIMO statt.30 Ihr Umfang nahm, wie die gesamte Unter­stüt­zung, Anfang der 1970er Jahre deut­lich zu. Dies lässt sich z.T. durch die zuvor herr­schende Unsi­cher­heit erklä­ren, welche die Ermor­dung Mond­la­nes im Jahr 196931 und die darauf­fol­gen­den Macht­kämpfe inner­halb der Befrei­ungs­front in der DDR ausge­löst hatten. Die Unter­stüt­zung auf ande­ren Gebie­ten wurde zwar auch in dieser schwie­ri­gen Phase aufrecht­erhal­ten und in eini­gen Berei­chen sogar verstärkt.32 In großem Stil Waffen an einen Part­ner zu liefern, ohne zu wissen, in welche Rich­tung sich dieser ideo­lo­gisch entwi­ckeln würde, hätte jedoch ein Risiko darge­stellt. Denn während Mond­lane sich im Laufe seiner Amts­zeit als erster Präsi­dent der Befrei­ungs­front immer stär­ker den sozia­lis­ti­schen Staa­ten zuge­wandt und dem Westen schließ­lich ganz den Rücken gekehrt hatte33, schien nach dem Atten­tat vorüber­ge­hend offen, wer seine Nach­folge in der ideo­lo­gisch recht hete­ro­ge­nen Orga­ni­sa­tion antre­ten und ob die Poli­tik der Annä­he­rung fort­ge­setzt werden würde. Im Mai 1970 ernannte das ZK der FRELIMO schließ­lich ihren Armee­chef Samora Machel zum neuen Präsi­den­ten. Damit hatte sich der schon länger als sozia­lis­tisch geltende Flügel um Marce­lino dos Santos, der Vize­prä­si­dent wurde, endgül­tig durch­ge­setzt.34

Im Vorfeld des ersten offi­zi­el­len Empfangs einer FRELIMO-Dele­ga­tion durch die Regie­rung der DDR (nicht wie zuvor durch das Soli­da­ri­täts­ko­mi­tee), der im April 1972 statt­fand, plante das Zentral­ko­mi­tee der SED bereits ohne konkret vorlie­gende Wünsche der FRELIMO die Abgabe einer größe­ren Liefe­rung von Infan­te­rie­waf­fen und entspre­chen­der Muni­tion, um bei mögli­chen Anfra­gen während des Besuchs sofort darauf einge­hen zu können.35 Dieses eher unge­wöhn­li­che Vorge­hen ist auf die Tatsa­che zurück­zu­füh­ren, dass akut eine Annä­he­rung der Befrei­ungs­front an China befürch­tet wurde. Eine von Machel in seiner neuen Funk­tion als FRELIMO-Präsi­dent gelei­tete Dele­ga­tion hatte im Herbst 1971 China, Nord­ko­rea und Viet­nam besucht, was schein­bar als derart besorg­nis­er­re­gend wahr­ge­nom­men wurde, dass das Gene­ral­kon­su­lat (GK) der DDR in Tansa­nia ihn anschlie­ßend zu einer „Unter­re­dung“ einlud. Dort zeigte sich Machel sehr zufrie­den über seine Reise, auf der China die Bereit­schaft zu umfang­rei­cher mate­ri­el­ler Unter­stüt­zung sowie weite­ren Waffen­lie­fe­run­gen betont habe. Er lobte die Art und Weise, wie die Dele­ga­tion in allen drei asia­ti­schen Ländern empfan­gen worden war. Dies habe für ihn ganz klar ein Krite­rium für die Haltung gegen­über der Befrei­ungs­be­we­gung darge­stellt und er zog Verglei­che zu ande­ren sozia­lis­ti­schen Staa­ten, die dabei schlecht wegka­men. So habe er ange­merkt, dass die „SU als erstes und stärks­tes sozia­lis­ti­sches Land […] augen­schein­lich wenig Inter­esse an den FRELIMO-Proble­men“36 zeigen würde.

Samora Machel bei Bewoh­nern eines Dorfes, das von dem portu­gue­si­schen Kolo­ni­al­trup­pen verstört wurde.

Auch die Unter­stüt­zung durch die DDR bezeich­nete er laut GK-Bericht als verbes­se­rungs­wür­dig. Der FRELIMO-Präsi­dent zeigte zwar Verständ­nis für ökono­mi­sche Schwie­rig­kei­ten der sozia­lis­ti­schen Länder, übte aber dennoch offen Kritik. Man habe gegen­über der DDR zahl­rei­che Wünsche formu­liert, aller­dings hapere es bei der Reali­sie­rung der gemach­ten Verspre­chen: münd­li­che Beteue­run­gen würden nichts nützen. Viel­mehr käme es darauf an, eine Verbes­se­rung der mate­ri­el­len Hilfen durch alle sozia­lis­ti­schen Länder zu errei­chen. Diese deut­li­chen Worte Machels zeigen, dass die FRELIMO sich auch weiter­hin nicht in den chine­sisch-sowje­ti­schen Konflikt hinein­zie­hen lassen wollte: Hilfe wurde expli­zit von allen sozia­lis­ti­schen Staa­ten ange­nom­men und auch erwar­tet. Gleich­zei­tig hatte der Streit im sozia­lis­ti­schen Lager das Poten­tial, insge­samt mehr Unter­stüt­zung zu erhal­ten, denn die hier ange­führ­ten Quel­len, aus denen der zeit­li­che Zusam­men­hang zwischen Machels China-Besuch und der Zusam­men­stel­lung der erwähn­ten umfang­rei­chen Waffen­lie­fe­rung hervor­geht, legen nahe, dass es durch­aus ein Anreiz war, bei hohen Unter­stüt­zungs­zu­sa­gen der chine­si­schen Seite eben­falls „nach­zu­le­gen“.

In der DDR nahm man sich die Kritik zu Herzen. Bei Machels Besuch im April 1972 wurde ihm erläu­tert, dass die Möglich­kei­ten der DDR aufgrund der Verpflich­tun­gen gegen­über Viet­nam stark einge­schränkt seien. In diesem Zusam­men­hang wurde auch auf die notwen­di­gen Abstim­mun­gen im Rahmen des Warschauer Vertra­ges verwie­sen sowie auf das Pots­da­mer Abkom­men, welches die Produk­tion von Waffen in der DDR nur in beschränk­tem Maße zulasse. Dennoch zeigte man sich bereit, die FRELIMO weiter­hin zu unter­stüt­zen und auf ihre Wünsche einzu­ge­hen, wenn diese früh­zei­tig kommu­ni­ziert würden. Es wurden ab da regel­mä­ßig Listen mit mögli­chen Liefe­run­gen erstellt, womit teils auf konkrete Forde­rung reagiert, teils voraus­schau­end weitere Wünsche anti­zi­piert wurden.37

Eine Soli­da­ri­täts­spende des Afro-Asia­ti­schen Soli­da­ri­täts­ko­miees det DDR für die FRELIMO wird verla­den. Sie wurde Ende 1972 der FRELIMO offi­zi­ell übergeben.

Die Unter­stüt­zung im „nicht­zi­vi­len“ Sektor endete selbst dann nicht, als die Unab­hän­gig­keit Mosam­biks aufgrund von Verhand­lun­gen mit Portu­gal in Folge der Nelken­re­vo­lu­tion (1974) abseh­bar wurde. Viel­mehr zeigte man sich in der DDR über­zeugt, dass die poli­ti­schen Verän­de­run­gen in Portu­gal und die dadurch neu entstan­dene Situa­tion in den portu­gie­si­schen Kolo­nien sogar einer „verstärkte[n] Unter­stüt­zung des anti­im­pe­ria­lis­ti­schen Kamp­fes dieser Völker“38bedurf­ten, was sich nicht zuletzt in einer Zusatz­sen­dung an „nicht­zi­vi­lem“ Mate­rial erheb­li­chen Umfangs zeigte, die im Okto­ber 1974 vom Polit­büro beschlos­sen wurde. Auch während des zwei­ten offi­zi­el­len FRELIMO-Dele­ga­ti­ons­be­su­ches in der DDR (Dezem­ber 1974) und darüber hinaus wurden weitere umfang­rei­che (teils para­mi­li­tä­ri­sche) Liefe­run­gen durch Machel erbe­ten und in Berlin geneh­migt.39 Es liegt nahe, dass die Posi­tion der FRELIMO inner­halb Mosam­biks vor der offi­zi­el­len „Entlas­sung“ in die Unab­hän­gig­keit mili­tä­risch gestärkt werden sollte, um ihre Macht lang­fris­tig sichern zu können.

Fazit

Im Zuge der Nelken­re­vo­lu­tion wurde 1974 in Portu­gal der Faschis­mus gestürzt. Im darauf­fol­gen­den Jahr erlang­ten die letz­ten portu­gie­si­schen Kolo­nien in Afrika die Unab­hän­gig­keit. Die Befrei­ungs­be­we­gun­gen in Mosam­bik, Angola und den ande­ren Kolo­ni­al­ge­bie­ten spiel­ten eine zentrale Rolle beim Umsturz der faschis­ti­schen Dikta­tur. Durch ihre Kampf­hand­lun­gen über­for­der­ten sie das portu­gie­si­sche Mili­tär und den Staats­haus­halt massiv und schu­fen so eine revo­lu­tio­näre Situa­tion in der Metro­pole, die fort­schritt­li­che Offi­ziere und poli­ti­sche Orga­ni­sa­tio­nen dann erfolg­reich lenken konnten.

Das NATO-Grün­dungs­mit­glied Portu­gal wurde von seinen Bünd­nis­part­nern vor und während der Kolo­ni­al­kriege mit Rüstungs­gü­tern (u.a. Geweh­ren und Kriegs­schif­fen aus der BRD) belie­fert und war den Befrei­ungs­be­we­gun­gen in den Kolo­nien mili­tä­risch zunächst weit über­le­gen. Auf fried­li­chem Wege war das Sala­zar-Regime jedoch nicht bereit, seine soge­nann­ten „Über­see­ge­biete“ abzu­tre­ten. Daher blieb der Part­ido Afri­cano para a Inde­pen­dên­cia da Guiné e Cabo Verde (PAIGC), der MPLA und schließ­lich auch der FRELIMO kein ande­rer Ausweg aus der Unter­drü­ckung, als dem Kolo­ni­sa­tor, der unglei­chen Kräf­te­ver­hält­nisse zum Trotz, den bewaff­ne­ten Kampf anzu­sa­gen. Die sozia­lis­ti­schen Staa­ten erkann­ten diese Tatsa­che an und began­nen Mitte der 1960er Jahre den anti­ko­lo­nia­len Befrei­ungs­kampf mit Waffen und mili­tä­ri­scher Ausbil­dung zu unter­stüt­zen. Dies war kein gerad­li­ni­ger Prozess; insbe­son­dere in der DDR gab es eine Reihe von Über­le­gun­gen, die bis zum Grund­satz­be­schluss 1967 (und teil­weise darüber hinaus) zu Vorsicht und Zurück­hal­tung in der mili­tä­ri­schen Unter­stüt­zung führ­ten. Doch im Laufe der Zeit wuchs das poli­ti­sche Vertrauen und dank der enger werden­den Bezie­hun­gen zu den Befrei­ungs­be­we­gun­gen verste­tig­ten sich auch die Hilfslieferungen.

Die Auswir­kun­gen der chine­sisch-sowje­ti­schen Spal­tung waren auch in den portu­gie­si­schen Kolo­nien deut­lich zu spüren. Während etwa die mosam­bi­ka­ni­sche Befrei­ungs­front FRELIMO die Riva­li­tät ausnut­zen konnte, um Druck auf die sozia­lis­ti­schen Staa­ten auszu­üben und mehr Unter­stüt­zung von allen Seiten zu fordern, unter­grub die Spal­tung zwei­fel­los die Einheit des anti­im­pe­ria­lis­ti­schen Kamp­fes und förderte inner­halb eini­ger Länder sogar blutige Ausein­an­der­set­zun­gen zwischen verschie­de­nen Befrei­ungs­be­we­gun­gen sowie über den Unab­hän­gig­keits­kampf hinaus, wie es beson­ders eindrück­lich in Angola der Fall war.

Für die Nelken­re­vo­lu­tion bleibt fest­zu­hal­ten, dass ostdeut­sche Waffen und andere Unter­stüt­zungs­maß­nah­men für die Befrei­ungs­kämpfe in Mosam­bik, Angola und Guinea-Bissau nicht nur dort ihre Wirkung zeig­ten, sondern auch auf die Entwick­lun­gen in Europa einen nicht zu unter­schät­zen­den Einfluss hatten. Somit leis­tete die sozia­lis­ti­sche Soli­da­ri­tät einen wich­ti­gen Beitrag zur Schwä­chung des portu­gie­si­schen Kolo­nia­lis­mus und zum Sturz des portu­gie­si­schen Faschismus.