50. Jahrestag: Die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin, DDR

Eröffnung

„Um alle Spuren des Faschis­mus von der Erde zu tilgen. Um eine tiefe und aufrich­tige inter­na­tio­nale Freund­schaft zwischen den Völkern der Welt aufzu­bauen. Um einen gerech­ten und dauer­haf­ten Frie­den zu erhalten.“

 

So steht es in der Grün­dungs­er­klä­rung des Welt­bun­des der Demo­kra­ti­schen Jugend (WBDJ), verab­schie­det von 437 Dele­gier­ten aus 63 Ländern, die über 30 Millio­nen Jugend­li­che welt­weit vertra­ten, auf der ersten Welt­ju­gend­kon­fe­renz im Novem­ber 1945 in London. Nur drei Monate zuvor endete der zweite Welt­krieg mit den verhee­ren­den Atom­bom­ben­ab­wür­fen der USA auf Japan. Die Welt lag in Trüm­mern. Eine Jugend, die mit Verwüs­tung, Entwur­ze­lung und Tod aufwuchs, schloss sich in bisher nie dage­we­se­nem Ausmaß über alle Gren­zen hinweg zusam­men, um der Jugend von Morgen dieses Leid ein für alle Mal zu ersparen.

Ein zentra­les Instru­ment, um die Einheit der Jugend im Geist des Frie­dens und Anti­fa­schis­mus zu entwi­ckeln, waren die Welt­fest­spiele, die 1947 zum ersten Mal in Prag statt­fan­den. Bis heute werden sie vom WBDJ orga­ni­siert. Auf den Tag genau, vor 50 Jahren, began­nen in Berlin, Haupt­stadt der DDR, zum zehn­ten Mal die Welt­fest­spiele der Jugend und Studen­ten. Vom 28. Juli bis zum 5. August 1973 nahmen 8 Millio­nen Besu­cher, darun­ter 25.600 Gäste aus 140 Staa­ten, unter der Losung „Für anti­im­pe­ria­lis­ti­sche Soli­da­ri­tät, Frie­den und Freund­schaft“ an einem brei­ten Programm aus über 200 poli­ti­schen und mehr als 1.000 kultu­rel­len Veran­stal­tun­gen teil.

Die Welt­fest­spiele fanden zu einer Zeit allge­mei­ner Aufbruchs­stim­mung anti-impe­ria­lis­ti­scher und sozia­lis­ti­scher Kräfte statt: Das viet­na­me­si­sche Volk hatte der mäch­tigs­ten Mili­tär­macht der Welt, den USA, entschei­dende Nieder­la­gen zuge­fügt. Die Kämpfe gegen die portu­gie­si­sche Kolo­ni­al­herr­schaft in Angola, Mosam­bik und Guinea-Bissau wurden entschlos­sen und gegen massive Gewalt Portu­gals voran­ge­bracht, im August 1973 erkläre Guinea-Bissau seine Unab­hän­gig­keit. 1970 hatte die Unidad Popu­lar unter der Führung Allen­des in Chile gesiegt. Eine welt­weite Soli­da­ri­täts­kam­pa­gne konnte immensen Druck für den Frei­spruch von Angela Davis erzeu­gen. Der Grund­la­gen­ver­trag zwischen BRD und DDR been­dete die offen aggres­sive Poli­tik West­deutsch­lands. Die inter­na­tio­nale Aner­ken­nung der DDR eröff­nete Entwick­lungs­spiel­räume und schuf wirt­schaft­li­che Entlas­tung. Die Welt­fest­spiele 1973 wurden zum selbst­be­wuss­ten Fanal der Kräfte des Fort­schritts. Die Kämpfe in Viet­nam und Chile nahmen einen heraus­ra­gen­den Platz im Programm des Festi­vals ein. Die Unter­stüt­zung des paläs­ti­nen­si­schen Kamp­fes wurde durch die Anwe­sen­heit des Vorsit­zen­den der PLO, Jassir Arafat, bekräf­tigt. Angela Davis und die sowje­ti­sche Kosmo­nau­tin Valen­tina Teresch­kowa, die erste Frau im Welt­raum, waren Ehren­gäste der Fest­spiele. Inti Illi­mani, Miriam Makeba, Dean Read und viele weitere enga­gierte Künst­le­rin­nen und Künst­ler waren auf den 95 Festi­val­büh­nen zu sehen und zu hören. Das Festi­val hinter­ließ eine opti­mis­ti­sche Stim­mung und stärkte die Kräfte der natio­na­len Befrei­ung und des Sozia­lis­mus in ihrem Kampf. Nur wenige Wochen später jedoch sorgte der faschis­ti­sche Putsch durch Pino­chet in Chile für einen herben und bruta­len Rückschlag.

Mit kurzen Beiträ­gen zu den Festi­val-Dele­ga­tio­nen aus Viet­nam, Guinea-Bissau, Mosam­bik, Chile, USA, West­deutsch­land und Kuba, die wir in den nächs­ten Tagen veröf­fent­li­chen, wollen wir ein Bild der X. Welt­fest­spiele und des poli­ti­schen Kontex­tes und der Kräf­te­ver­hält­nisse der Zeit zeich­nen. Dafür haben wir verschie­dene Medien dieser Zeit, insbe­son­dere DDR-Zeitun­gen, gesich­tet. Bis heute sind den vielen tausen­den Teil­neh­mern der Welt­fest­spiele die Tage in Berlin in nach­hal­tig beein­dru­cken­der Erin­ne­rung geblie­ben. Die starke und welt­um­span­nende Einheit der Jugend im Kampf für Frie­den, gegen Faschis­mus und impe­ria­lis­ti­sche Unter­drü­ckung hat mit dem Ende des sozia­lis­ti­schen Lagers an Kraft einge­büßt. Ihr Programm, dass bereits im1945 im Frie­dens­schwur zur Grün­dung des WBDJ gefasst wurde, bleibt aktuell:

“Wir verspre­chen, dass wir uns an diese Einheit erin­nern werden, die in diesem Monat, Novem­ber 1945, geschmie­det wurde. Nicht nur heute, nicht nur diese Woche, dieses Jahr, sondern immer. Bis wir die Welt aufge­baut haben, von der wir geträumt und für die wir gekämpft haben. Wir verpflich­ten uns, die Einheit der Jugend der Welt aufzu­bauen. VORWÄRTS FÜR UNSERE ZUKUNFT!“

 

Grün­dungs­do­ku­ment des Welt­bun­des der Demo­kra­ti­schen Jugend 

Vietnam: David triumphs over Goliath

1973 stand Viet­nam an vorders­ter Front des anti­im­pe­ria­lis­ti­schen Kamp­fes. Obwohl das Land Ziel der größ­ten Luft­bom­bar­die­rung der Geschichte wurde, hatten die Viet­na­me­si­sche Volks­ar­mee und die Befrei­ungs­ar­mee Südviet­nams das US-Mili­tär in die Knie gezwun­gen. Im Januar 1973 unter­zeich­ne­ten die USA das Pari­ser Frie­dens­ab­kom­men und stell­ten damit die Kampf­hand­lun­gen in Viet­nam ein. Bis März wurden alle US-Trup­pen abge­zo­gen. Die Kämpfe setz­ten sich nun zwischen den kommu­nis­ti­schen Kräf­ten Viet­nams und der Stell­ver­tre­ter­re­gie­rung Washing­tons in Südviet­nam fort, die in Bezug auf die Zahl der Trup­pen, Panzer und gepan­zer­ten Fahr­zeuge immer noch eine beträcht­li­che Über­le­gen­heit besaß.

Als die viet­na­me­si­sche Dele­ga­tion im Juli 1973 zu den X. Welt­fest­spie­len in Berlin eintraf, waren mehr als eine Million Solda­ten der Viet­na­me­si­schen Volks­ar­mee und der Befrei­ungs­ar­mee Südviet­nams sowie zwei Millio­nen Zivi­lis­ten getö­tet worden. Die Aufgabe bestand nun darin, das Land wieder aufzu­bauen und das verblei­bende Terri­to­rium vom US-Mario­net­ten­staat zu befreien. Der erste Tag der Welt­fest­spiele war daher der “Soli­da­ri­tät mit den Völkern, der Jugend und den Studen­ten von Viet­nam, Laos und Kambo­dscha gewid­met — heute mehr denn je!” Es gab Massen­ver­samm­lun­gen, Film­vor­füh­run­gen, Ausstel­lun­gen südost­asia­ti­scher Künst­ler, Gesang und Tanz der Völker Indo­chi­nas und auch einen Gelän­de­lauf durch die Stadt „gewid­met der Soli­da­ri­tät mit dem Volk Vietnams“.

Im “Soli­da­ri­täts­zen­trum” im Berli­ner Fern­seh­turm traf Erich Honecker mit der viet­na­me­si­schen Dele­ga­tion zusam­men. Vo Thi Lien, ein junges Mädchen, das 1968 das Massa­ker von Mỹ Lai über­lebt hatte, über­reichte Honecker einen Ring aus dem Metall eines abge­schos­se­nen US-Bombers. Er sagte zu ihr: “Wir werden das Werk derer voll­enden, die ermor­det wurden. … Wir werden immer an der Seite Viet­nams stehen, zusam­men mit der Sowjet­union und den sozia­lis­ti­schen Ländern und allen anti­im­pe­ria­lis­ti­schen Kräf­ten.” Bei der Begrü­ßung der übri­gen Dele­ga­tion teilte Honecker mit, dass die DDR beschlos­sen habe, alle der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Viet­nam gewähr­ten Darle­hen abzu­schrei­ben und sie als unent­gelt­li­che Hilfe zu betrachten.

Weni­ger als zwei Jahre nach dem Festi­val befreite die Demo­kra­ti­sche Repu­blik Viet­nam Saigon und die Sozia­lis­ti­sche Repu­blik Viet­nam wurde im Juli 1976 gegrün­det. Die Regie­run­gen in Hanoi und Berlin unter­hiel­ten fortan enge Beziehungen.

Ein Mitglied der Freien Deut­schen Jugend (FDJ) grüßt einen viet­na­me­si­schen Dele­gier­ten — Bundes­ar­chiv, Bild 183-M0813-0759

Guinea-Bissau: „Gewalt ist das wesentliche Mittel imperialistischer Dominanz”

Guinea-Bissau und die vor dessen Küste liegende Insel­gruppe der Kapver­den war für die portu­gie­si­sche Kolo­ni­al­macht bis ins frühe 19. Jahr­hun­dert ein admi­nis­tra­ti­ver und logis­ti­scher Knoten­punkt für den Skla­ven­han­del in West­afrika. Das Sala­zar-Regime in Portu­gal, bestrebt seine kolo­nia­len Ansprü­che auch im Ange­sicht der erstar­ken­den Unab­hän­gig­keits­be­we­gun­gen durch­zu­set­zen, fürch­tete um den Verlust der Kolo­nie. Die Ketten­re­ak­tion, die ein unab­hän­gi­ges Guinea-Bissau auslö­sen könnte, würde auch die verblie­be­nen Kolo­nien – Angola und Mosam­bik – errei­chen. Umso beharr­li­cher und bluti­ger der Krieg, der gegen die Afri­ka­ni­sche Partei für die Unab­hän­gig­keit von Guinea und Kap Verde (PAIGC) und die Bevöl­ke­rung Guinea-Biss­aus geführt wurde: Die Verbre­chen der portu­gie­si­schen Geheim­po­li­zei PIDE (Polí­cia Inter­na­cio­nal e de Defesa do Estado) reich­ten von ihrem berüch­tig­ten Konzen­tra­ti­ons­la­ger in Tarra­fal auf den Kapver­den bis hin zu den über dem klei­nen Land abge­wor­fe­nen Napalm-Bomben.

„Gewalt ist das wesent­li­che Mittel impe­ria­lis­ti­scher Domi­nanz”, sagte der kapver­di­sche Revo­lu­ti­ons­füh­rer und Mitbe­grün­der der PAIGC Amíl­car Cabral. Er schluss­fol­gerte, dass es „keine natio­nale Befrei­ung geben kann ohne die Anwen­dung von befrei­en­der Gewalt seitens der natio­na­len Kräfte als Antwort auf die verbre­che­ri­sche Gewalt derje­ni­gen, die den Impe­ria­lis­mus fördern.” Seine Guer­rilla-Stra­te­gie zeigte Wirkung und auch die Weit­sicht des Panafri­ka­ners: Die PAIGC unter der Führung von Cabral erkämpfte Stück für Stück die Hoheit über zunächst einzelne Gebiete und schließ­lich das gesamte Land. In den durch die mili­tä­ri­sche Hilfe der sozia­lis­ti­schen Länder schritt­weise zurück­er­ober­ten Gebie­ten wurden poli­ti­sche Struk­tu­ren aufge­baut und der Über­gang in ein selb­stän­di­ges Land vorbe­rei­tet. Dies zu errei­chen hing wesent­lich von der allge­mei­nen und poli­ti­schen Bildung der Bevöl­ke­rung ab, die die PAIGC in selbst errich­te­ten Schu­len in den befrei­ten Gebie­ten organisierte.

Dieser Prozess war in vollem Gange, als im Januar 1973 Cabral ermor­det wurde. Die damals in der DDR studie­ren­den Mitglie­der der PAIGC woll­ten umge­hend nach Guinea-Bissau zurück­keh­ren, doch die Partei verlangte, dass sie blie­ben und ihre Ausbil­dung been­de­ten. So erlebte auch der hier zu hörende ehema­lige Student aus Guinea-Bissau die lang ersehnte Unab­hän­gig­keit seines Landes, die am 24. Septem­ber 1973 erklärt wurde, aus der Ferne, während er sein Studium in der DDR erfolg­reich abschloss. Die Aufbruch­stim­mung während der Welt­fest­spiele, die Soli­da­ri­täts­be­kun­dun­gen mit Guinea-Bissau und den fort­schritt­li­chen Kräf­ten Portu­gals waren verhei­ßungs­vol­ler Ausdruck eines Wandels der Kräf­te­ver­hält­nisse. Nach der Unab­hän­gig­keit Guinea-Biss­aus ende­ten mit der Nelken­re­vo­lu­tion in Portu­gal 1974 schließ­lich auch die portu­gie­si­schen Kolo­ni­al­kriege in Mosam­bik und Angola. 

Mosambik: Der bewaffnete Kampf der FRELIMO gegen Portugals brutales Regime

Die Gebiete des heuti­gen Mosam­biks waren über 400 Jahre lang unter portu­gie­si­scher Kolo­ni­al­herr­schaft. Was im 16. Jahr­hun­dert mit Küsten­sied­lun­gen, Handels­pos­ten und Festun­gen begann, hatte sich bis Anfang des 20. Jahr­hun­derts zu einer umfas­sen­den und hoch­gra­dig ausbeu­te­ri­schen Sied­ler­wirt­schaft ausge­wei­tet, in der das Land von den portu­gie­si­schen Kolo­ni­sa­to­ren kontrol­liert und die Einhei­mi­schen der Zwangs­ar­beit unter­wor­fen wurden. Ange­sichts der rassis­ti­schen Kolo­ni­al­po­li­tik, der Zwangs­be­wirt­schaf­tung in der Land­wirt­schaft und der Zuwei­sung von Arbeits­plät­zen in den Minen formier­ten sich in den Nach­bar­staa­ten Gueril­la­grup­pen unter den Exil-Mosam­bi­ka­nern. Die Mosam­bi­ka­ni­sche Befrei­ungs­front (FRELIMO), die 1962 in Daressa­lam, Tansa­nia, von verschie­de­nen Exil­grup­pen gegrün­det worden war, griff 1964 zu den Waffen gegen die portu­gie­si­schen Kolo­ni­al­herrn. Dabei erhielt die FRELIMO umfang­rei­che mili­tä­ri­sche und poli­ti­sche Unter­stüt­zung aus den sozia­lis­ti­schen Staa­ten. So begann die DDR 1967, die FRELIMO mit mili­tä­ri­scher und medi­zi­ni­scher Hilfe zu versor­gen und star­tete Ausbil­dungs­pro­gramme für mosam­bi­ka­ni­sche Kämp­fer und Zivi­lis­ten an ostdeut­schen Schulen.

Obwohl die FRELIMO-Kämp­fer zahlen­mä­ßig unter­le­gen waren und über weni­ger Waffen verfüg­ten, gelang es ihnen, die portu­gie­si­schen Trup­pen im Laufe des nächs­ten Jahr­zehnts mit Gueril­la­tak­ti­ken zurück­zu­schla­gen. Bis 1969 hatte die FRELIMO ein Drit­tel des Landes befreit. Dies vor allem in den länd­li­chen Gebie­ten im Norden, wo die FRELIMO durch Kampa­gnen zur Verbes­se­rung des Zugangs der Bauern zu Bildung und Gesund­heits­für­sorge und durch den Aufbau land­wirt­schaft­li­cher Genos­sen­schaf­ten, die sich der portu­gie­si­schen Kontrolle entzo­gen, eine starke Unter­stüt­zungs­ba­sis geschaf­fen hatte. Ursprüng­lich als plura­lis­ti­sche Natio­nale Front gegrün­det, wandte sich die FRELIMO gegen Ende der 1960er Jahre zuneh­mend dem Marxis­mus-Leni­nis­mus zu und wurde zu einer der führen­den revo­lu­tio­nä­ren Kräfte in Afrika.

Im neun­ten Jahr des Kriegs des Sala­zar-Regimes gegen die FRELIMO und einige Monate vor den X. Welt­fest­spie­len in Berlin mach­ten portu­gie­si­sche Komman­dos das mosam­bi­ka­ni­sche Dorf Wiri­yamu dem Erdbo­den gleich und töte­ten alle 400 zivi­len Einwoh­ner. Die Geheim­po­li­zei PIDE plante und leitete die “Opera­tion Marosca” gegen die Fami­lien des Dorfes, die angeb­lich Gueril­la­kämp­fer beher­berg­ten. Das Massa­ker in Wiri­yamu zeigte den wahren Charak­ter von Portu­gals selbst­er­nann­ter “zivi­li­sa­to­ri­scher Mission” in Afrika. Die Nord­at­lan­tik­ver­trags­or­ga­ni­sa­tion (NATO), deren Grün­dungs­mit­glied Portu­gal ist, unter­stützte das Sala­zar-Regime de facto durch Waffen­lie­fe­run­gen und poli­ti­sche Entlas­tung auf der Weltbühne.

Die DDR-Presse berich­tete in den Mona­ten vor den X. Welt­fest­spie­len ausführ­lich über den Kampf der FRELIMO und insbe­son­dere über das Massa­ker von Wiri­yamu. Die FRELIMO-Dele­ga­tion wurde daher mit großem Respekt und Soli­da­ri­tät empfan­gen und nahm an kultu­rel­len Veran­stal­tun­gen, poli­ti­schen Diskus­sio­nen und Debat­ten über mili­tä­ri­sche Stra­te­gien mit ande­ren Akti­vis­ten teil. Sérgio Vieira, Leiter der FRELIMO-Abtei­lung für Kultur und Bildung, führte die Dele­ga­tion an und erklärte: “Unsere Dele­ga­tion hat keine Mühen gescheut, um zu den X. Welt­fest­spie­len zu kommen. Einige von uns sind mehr als einen Monat lang zu Fuß unter­wegs gewe­sen. Dieses Festi­val ist eine wich­tige Demons­tra­tion des anti­im­pe­ria­lis­ti­schen Kamp­fes der fort­schritt­li­chen Jugend der Welt, ein Wahr­zei­chen ihres Kamp­fes für Frie­den und Freund­schaft.” Inner­halb eines Jahres führte die Nelken­re­vo­lu­tion zum Sturz des Estado Novo-Regimes in Portu­gal und nach Guinea-Bissau auch Mosam­bik und Angola zur Befreiung.

Samora Machel unter­hält sich mit Genos­sen­schafts­bäue­rin­nen und ‑bauern während eines Besuchs in der DDR im Jahre 1980 — Bundes­ar­chiv, Bild 183-W0919-0117

Kuba: Die Sprache der Freundschaft

1959 stürz­ten die Revo­lu­tio­näre um Fidel Castro und Che Guevara das Batista-Regime in Kuba. Den USA ging nicht zuletzt mit der folgen­den Verstaat­li­chung der Indus­trie ein güns­ti­ger Rohstoff­lie­fe­rant verlo­ren. Die in der Folge verhängte und bis heute andau­ernde Blockade wirkte sich massiv auf die Wirt­schaft des klei­nen Insel­staats aus, der in unmit­tel­ba­rer Nähe zu den USA immer wieder zum Brenn­punkt des Kalten Krie­ges wurde, wie etwa 1961 während der Inva­sion in der Schwei­ne­bucht oder 1963 zur Kuba-Krise.

Die sozia­lis­ti­schen Länder unter­stütz­ten wirt­schaft­lich nach ihren Möglich­kei­ten. Die DDR impor­tierte Südfrüchte und Zucker, baute dafür Indus­trie­werke auf, schickte Exper­ten und bildete Kuba­ner in der DDR aus. 1972 wurde Kuba Voll­mit­glied des Rates für gegen­sei­tige Wirt­schafts­hilfe. Im selben Jahr besuchte Fidel Castro die DDR. Er traf u.a. die Arbei­ter der Leuna-Chemie­werke in Halle, deren Spezi­al­team auf Kuba eine von den USA geplante und nach Batis­tas Vertrei­bung zu verwai­sen drohende Ammo­niak­fa­brik aufbauten.

Während seines Besuchs über­gab Fidel der Staats­füh­rung der DDR eine Land­karte von Kuba. Darin verzeich­net war eine Insel, die den Namen des ermor­de­ten Führers der Kommu­nis­ti­schen Partei Deutsch­lands, Ernst Thäl­mann, trug. Die Umbe­nen­nung der Insel war ein symbo­li­scher Akt, mit dem die kuba­ni­sche Regie­rung das „aufrich­tige Inter­esse“ an einer Weiter­ent­wick­lung der „Bezie­hun­gen der Zusam­men­ar­beit und des gegen­sei­ti­gen Verste­hens“ bekun­dete. Fidel begrün­dete die Namens­wahl mit der histo­ri­schen Rolle, die Thäl­mann für die Arbei­ter­be­we­gung und die an der Schwei­ne­bucht gele­gene Insel 1961 für die Zurück­schla­gung der „Aggres­sion der Impe­ria­lis­ten“ gespielt hatte.

Um dies zu unter­strei­chen, beglei­tete einer jener Kämp­fer, die 1961 die ameri­ka­ni­schen Inva­so­ren in der Playa Girón erfolg­reich zurück­schlu­gen, die kuba­ni­sche Dele­ga­tion zu den Welt­fest­spie­len 1973: Der Natio­nal­held Fausto Díaz hatte in der Schlacht beide Beine verlo­ren. Er sprach bei einer Kund­ge­bung in Berlin zu den anwe­sen­den jungen Menschen aus aller Welt vom Roll­stuhl aus: „Auch diese Begeg­nung beweist, dass der Feind auf die Dauer niemals imstande sein wird, den Vormarsch unse­rer Reihen aufzuhalten.“

Neben dem Sekre­tär des Kommu­nis­ti­schen Jugend­ver­ban­des Kubas, Manuel Torres, beglei­tete auch Juan Mok, chine­sisch-kuba­ni­scher Revo­lu­tio­när und Präsi­dent des Pionier­ver­ban­des, die kuba­ni­sche Dele­ga­tion. Während eines Chile-Soli­da­ri­täts­mee­tings rich­tete er sich opti­mis­tisch an die chile­ni­sche Dele­ga­tion: „Als die sozia­lis­ti­sche Revo­lu­tion mit unse­rem Sieg in Latein­ame­rika Einzug hielt, beschlos­sen die (…) Impe­ria­lis­ten, dass es kein zwei­tes Kuba in der west­li­chen Hemi­sphäre geben soll. Sie haben sich verrechnet!”

 Die Granma, das Zentral­or­gan der Kommu­nis­ti­schen Partei Kubas, resü­mierte über die Welt­fest­spiele in Berlin: „Die Stra­ßen dieser Stadt sind von Jugend­li­chen bevöl­kert, die trotz der Verschie­den­heit ihrer Spra­che eine gemein­same Grund­lage gefun­den haben, die der Freundschaft.“

Grün­dungs­ver­samm­lung des “Komi­tees für die Soli­da­ri­tät mit dem Kuba­ni­schen Volk” in Berlin, 1961 — Bundes­ar­chiv, Bild 183–79632-0002

Chile: “Venceremos!”

1970 gewann die Unidad Popu­lar, ein Bünd­nis linker Parteien und Grup­pie­run­gen, die Wahlen in Chile und Salva­dor Allende wurde Präsi­dent. Die Eupho­rie über den Sieg der Unidad Popu­lar hallte im sozia­lis­ti­schen Lager wider, auch wenn die Lage vor Ort ange­spannt blieb. Dass das ressour­cen­rei­che Land einen eigen­stän­di­gen Weg einschla­gen und dabei souve­rän über die seit Jahr­zehn­ten von US-ameri­ka­ni­schen und euro­päi­schen Unter­neh­men domi­nierte Rohstoff­in­dus­trie verfü­gen wollte, wurde nicht einfach hinge­nom­men. Die Maßnah­men Allen­des – wie etwa die Verstaat­li­chung des Berg­bau­sek­tors – riefen dieje­ni­gen auf den Plan, die am meis­ten zu verlie­ren hatten: die alten chile­ni­schen Eliten, Groß­grund­be­sit­zer, auslän­di­sche Unter­neh­men und ihre Regie­run­gen. Wie ein dunk­ler Schat­ten verfolgte die reak­tio­näre Bedro­hung das fort­schritt­li­che Bünd­nis. Angriffe auf Vertre­ter der brei­ten Volks­front waren an der Tages­ord­nung, sogar zu Ermor­dun­gen kam es.

In Anbe­tracht der fragi­len Lage im Heimat­land betonte Gladys Marín, Gene­ral­se­kre­tä­rin des Kommu­nis­ti­schen Jugend­ver­ban­des Chiles (JJCC), in einem Inter­view: „Das Soli­da­ri­täts­mee­ting für Chile hier in Berlin hatte ein bedeu­ten­des inter­na­tio­na­les Gewicht, denn es fand zu einem für meine Heimat sehr kriti­schen Zeit­punkt statt.“ Die junge Kommu­nis­tin führte die 60-köpfige chile­ni­sche Dele­ga­tion, die einen Quer­schnitt der im Regie­rungs­bünd­nis vertre­te­nen Orga­ni­sa­tio­nen reprä­sen­tierte, zu den Welt­fest­spie­len in der DDR an. Chile war eines der bestim­men­den Themen der Fest­spiele, immer wieder erschallte das soli­da­ri­sche Bekennt­nis zur Unidad Popu­lar, erklang „Vence­re­mos“ wie beim Konzert von Inti-Illimani.

Doch die Sieges­ge­wiss­heit erfuhr einen herben Rück­schlag. Nach ihrer Rück­kehr von einer ausge­dehn­ten Reise, die sie als Reprä­sen­tan­tin des neuen Chile bis nach Asien führte, musste Gladys Marín nach dem am 11. Septem­ber 1973 erfolg­ten Putsch unter­tau­chen und schließ­lich Chile verlas­sen. In West­deutsch­land wurde dem Putsch mit Freude begeg­net. Der Handel mit der Pino­chet-Dikta­tur boomte. 1974 stie­gen die Ausfuh­ren aus der Bundes­re­pu­blik über 40 Prozent, die Einfuh­ren um 65 Prozent. Franz Josef Strauß, lang­jäh­ri­ges Mitglied der Bundes­re­gie­rung und Vorsit­zen­der der CSU, kommen­tierte den Putsch damals zynisch: „Ange­sichts des Chaos, das in Chile geherrscht hat, erhält das Wort Ordnung für die Chile­nen plötz­lich wieder einen süßen Klang.“

Gladys Marín wieder­holte infol­ge­des­sen ihre Reisen in soli­da­ri­sche Länder – dies­mal als Exilan­tin. Dieser Weg führte sie u.a. erneut durch die DDR, wo viele Exil-Chile­nen und Chile­nin­nen Schutz fanden, darun­ter auch die spätere Präsi­den­tin Chiles, Michelle Bache­let. Die Vorgänge in Chile lösten eine breite Soli­da­ri­täts­be­we­gung in der DDR aus: Unmit­tel­bar nach dem Putsch versam­mel­ten sich in spon­ta­nen Zusam­men­künf­ten Menschen auf den Stra­ßen Berlins und bekun­de­ten ihre Soli­da­ri­tät mit der Unidad Popu­lar; das Soli­da­ri­täts­ko­mi­tee der DDR rich­tete ein Chile-Zentrum ein, welches Spen­den­samm­lun­gen und Hilfs­leis­tun­gen für die fast 2.000 chile­ni­schen Emigran­ten sowie inter­na­tio­nale Soli­da­ri­täts­kam­pa­gnen koor­di­nierte, etwa für die Frei­las­sung Luis Corvaláns. Der Besuch der chile­ni­schen Dele­ga­tion zu den Welt­fest­spie­len festigte die Soli­da­ri­täts­be­we­gung, ganz im Sinne der Worte von Gladys Marín, die sie bei ihrer Ankunft in der DDR an die sie begeis­tert empfan­gende Jugend rich­tete: „Wir sind mit großen Erwar­tun­gen nach Berlin gekom­men. (…) Das Festi­val wird unse­ren gemein­sa­men welt­wei­ten Kampf gegen den Impe­ria­lis­mus weiter stärken.“

USA: “Das andere Amerika”

Die US-Dele­ga­tion zu den X. Welt­fest­spie­len bestand aus fast 300 Jugend­li­chen. Sie wurde von Angela Davis ange­führt, die inter­na­tio­nal und auch für die Jugend in der DDR ein bekann­tes Gesicht war. Erst ein Jahr zuvor war sie nach einem hoch­gra­dig poli­ti­sier­ten, von Anti­kom­mu­nis­mus und Rassis­mus gepräg­ten Prozess aus dem Gefäng­nis entlas­sen worden. Die sozia­lis­ti­schen Staa­ten hatten eine Schlüs­sel­rolle in der Kampa­gne zur Frei­las­sung von Davis gespielt, einschließ­lich der Kampa­gne der DDR, in der ostdeut­sche Schul­kin­der eine Million Rosen in Form von Post­kar­ten an die inhaf­tierte Davis schickten.

Die von Davis gelei­tete Dele­ga­tion reprä­sen­tierte “das andere Amerika”, wie es in der DDR genannt wurde: die Arbei­ter­klasse, die Schwar­zen und indi­ge­nen Frei­heits­be­we­gun­gen, die Anti­kriegs­grup­pen und andere anti­im­pe­ria­lis­ti­sche poli­ti­sche Kräfte. Darun­ter befan­den sich auch elf Mitglie­der des Ameri­can Indian Move­ment (AIM), deren Beset­zung am Woun­ded Knee vom Mili­tär brutal nieder­ge­schla­gen worden war, und das anhal­tende Unrecht gegen die indi­gene Bevöl­ke­rung in den Fokus rückte. Auch Inuit, Ameri­ka­ne­rin­nen und Ameri­ka­ner asia­ti­scher und spani­scher Herkunft sowie Afro­ame­ri­ka­ne­rin­nen und Afro­ame­ri­ka­ner, die erst vor kurzem die Aufhe­bung der Rassen­tren­nung in den US-Schu­len erreicht hatten, waren vertre­ten, obwohl viele ihrer Anfüh­rer von FBI, CIA und rassis­ti­schen Bürger­weh­ren schi­ka­niert und sogar ermor­det worden waren.

Kurz vor den X. Welt­fest­spie­len war es Viet­nam gelun­gen, die US-Trup­pen aus dem Land zu vertrei­ben. Mehrere Mitglie­der der US-ameri­ka­ni­schen Dele­ga­tion waren ehema­lige Solda­ten, die ange­sichts des barba­ri­schen Vorge­hens des US-Mili­tärs zu Anti­kriegs­ak­ti­vis­ten wurden. In Berlin kamen sie mit den Kämp­fe­rin­nen und Kämp­fern der viet­na­me­si­schen Dele­ga­tion zu einem bewe­gen­den Tref­fen zusam­men, das mit der Verpflich­tung endete, sich für die Frei­las­sung der 200.000 viet­na­me­si­schen Gefan­ge­nen einzu­set­zen, die noch immer von der US-Stell­ver­tre­ter­re­gie­rung in Südviet­nam inhaf­tiert waren. Davis sagte: „Ich möchte meinen Brüdern und Schwes­tern Viet­nams versi­chern, dass wir in den USA jetzt den Kampf um die Frei­las­sung der 200.000 als wich­tigste Aufgabe anse­hen. Mehr als 200 revo­lu­tio­näre und fort­schritt­li­che Orga­ni­sa­tio­nen sind an diesem Kampf betei­ligt. Ich selbst fühle eine beson­dere Verant­wor­tung in dieser Sache, da ich meine Frei­heit eben­falls einem inter­na­tio­na­len Massen­pro­test verdanke.“

Davis unter­strich die Bedeu­tung von Reisen ins sozia­lis­ti­sche Ausland für Jugend­li­che aus den kapi­ta­lis­ti­schen Ländern: „Ich glaube, dass die USA-Dele­ga­tion den besten Teil der Jugend der Verei­nig­ten Staa­ten vertritt. … [Viele waren zuvor] einer falschen Propa­ganda über die DDR gefolgt und hatten auch wenig Kontakt zu den sozia­lis­ti­schen Ländern. Sie waren über­rascht, als sie hier­her kamen, denn die Reali­tä­ten, die sie hier sahen, hatten nichts zu tun mit der Propa­ganda, der sie so lange ausge­setzt gewe­sen waren.”

Stand­bild aus einem DDR-Doku­men­tar­film über die X. Welt­fest­spiele 1973, v.l.n.r.: Walen­tina Teresch­kowa, Margot Honecker, Angela Davis

West Deutschland: Eine Delegation der Entspannung

Aus der west­deut­schen Bundes­re­pu­blik nahmen mehr als 800 Jugend­li­che und junge Erwach­sene aus über 40 Jugend- und Studen­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen teil. Darun­ter auch Vertre­ter der evan­ge­li­schen und katho­li­schen Jugend, wie Mitglie­der der Jungen Union, dem Jugend­ver­band der CDU. Die breite Zusam­men­set­zung der west­deut­schen Dele­ga­tion bringt die verän­der­ten Bezie­hun­gen und den Stra­te­gie­wech­sel der BRD gegen­über der DDR scharf zum Ausdruck.

1951, als die 3. Welt­fest­spiele in Berlin statt­fan­den, setzte die Bundes­re­pu­blik noch massiv auf Repres­sion, um west­deut­sche Jugend­li­che an der Teil­nahme zu hindern. 450 Hambur­ger Jugend­li­che wurden von der Poli­zei mit Gewalt auf ihrer Reise aufge­hal­ten. Werner Tiegel, Leiter der Falken­gruppe „Geschwis­ter Scholl“ wurde von der Poli­zei in die Elbe getrie­ben und ertrank vor ihren Augen. Die Hall­stein-Doktrin bestimmte das außen­po­li­ti­sche Handeln der BRD. Sie erkannte die DDR nicht an, bean­spruchte ein Allein­ver­tre­tungs­an­spruch sank­tio­nierte Dritt­staa­ten, sofern sie diplo­ma­ti­sche Bezie­hun­gen mit der DDR aufnah­men. Ziel der Bundes­re­pu­blik war die inter­na­tio­nale Isolie­rung der DDR.

Die Stra­te­gie im Westen änderte sich zuguns­ten einer Poli­tik des „Wandels durch Annä­he­rung“. Mit dem im Juli 1973, kurz vor den Welt­fest­spie­len rati­fi­zier­ten Grund­la­gen­ver­trag hatte die Bundes­re­pu­blik die DDR staats­recht­lich (nicht jedoch völker­recht­lich) aner­kannt. Damit eröff­ne­ten sich für die DDR inter­na­tio­nal neue Spiel­räume, um Verträge mit ande­ren Ländern zu schlie­ßen. Im Septem­ber 1973 trat sie der UNO bei. Die DDR hatte keine Illu­sio­nen gegen­über dem Impe­ria­lis­mus, wie Honecker 1976 deut­lich machte: „Fried­li­che Koexis­tenz bedeu­tet… niemals Klas­sen­frie­den zwischen Ausbeu­tern und Ausge­beu­te­ten. Fried­li­che Koexis­tenz bedeu­tet weder Aufrecht­erhal­tung des sozi­al­öko­no­mi­schen Status quo noch eine ideo­lo­gi­sche Koexis­tenz.“ Eine gewisse Norma­li­sie­rung der Bezie­hung war eine wich­tige Entwick­lungs­be­din­gung des sozia­lis­ti­schen Lagers, insbe­son­dere für die DDR. Der „Frie­den“ jedoch blieb trüge­risch. Weder West­deutsch­land noch die rest­li­che NATO hat ihre aggres­sive Haltung gegen­über dem Sozia­lis­mus aufge­ge­ben. Mit Metho­den subti­le­rer Beein­flus­sung und der Entwick­lung von wirt­schaft­li­cher Abhän­gig­keit sollte der Sozia­lis­mus geschla­gen werden. In diesem Kontext ist die Teil­nahme solch anti­kom­mu­nis­ti­scher Kräfte wie der Jungen Union im Sommer 1973 einzu­ord­nen. Mit im Gepäck hatten sie Mega­fone und 20.000 Druck­schrif­ten, in denen sie forder­ten „Menschen­rechte, Reise­frei­heit und eine freie Entwick­lung der Kultur zu vertei­di­gen“. Ihr Inhalt konnte die Teil­neh­mer der Welt­fest­spiele nicht beein­dru­cken, argu­men­ta­tiv blie­ben sie in diesen Tagen unterlegen.

 

Als hörba­rer Kompro­miss beglei­tete die poli­tisch durch­mischte Dele­ga­tion das Volks­lied „Horch, was kommt von drau­ßen rein“ beim Einlau­fen in das Stadion der Welt­ju­gend. Der sozia­lis­ti­sche Teil der Dele­ga­tion, aus Orga­ni­sa­tio­nen wie der Sozia­lis­ti­schen Deut­schen Arbei­ter­ju­gend (SDAJ) oder dem Marxis­ti­schen Studen­ten­bund (MSB-Spar­ta­kus), betei­ligte sich indes umfas­send am Festi­val­pro­gramm, nahm an Semi­na­ren teil, wo sie über Arbeits­lo­sig­keit und poli­ti­sche Unter­drü­ckung der west­deut­schen Arbei­ter­ju­gend berich­tete sowie über Gefah­ren falscher Kompro­misse in der Entspan­nungs­po­li­tik disku­tierte, und führte ein Thea­ter­stück zu den großen Streiks am Duis­bur­ger Mannes­mann Stahl­werk auf (das Stück wurde 1976 als szeni­sche Kantate veröffentlicht).

 

Mit der Studen­ten­be­we­gung von 1968 hatte die Idee des Sozia­lis­mus in der west­deut­schen Jugend star­ken Aufwind erfah­ren. Nicht nur deshalb pole­mi­sierte die west­deut­sche Presse im Vorhin­ein aggres­siv gegen die Welt­fest­spiele und die breite Zusam­men­set­zung der Dele­ga­tion und fabu­lierte den Unter­gang der Selbst­stän­dig­keit der Jugend­or­ga­ni­sa­tio­nen herbei. Aus West­ber­lin, vom Dach des anti­kom­mu­nis­ti­schen Sprin­ger-Verlags­hau­ses, soll­ten die Teil­neh­men­den der Welt­fest­spiele gar durch ein Konzert einer Beat-Band mit den Vorzü­gen west­li­cher Frei­heit beschallt werden. Die sozia­lis­ti­schen Kräfte der Dele­ga­tion beschlos­sen ihren Besuch in Berlin hinge­gen so:

„Wir verlas­sen die DDR am 28. Jahres­tag des Abwur­fes der Atom­bombe auf Hiro­shima. Das Erleb­nis des Festi­vals wie auch dieses Datum sind uns Verpflich­tung, im Stre­ben nach gesi­cher­tem Frie­den, welt­wei­ter Abrüs­tung und euro­päi­scher Sicher­heit nicht nachzulassen.“

Jugend­li­che aus West­deutsch­land auf dem Weg zum Stadion der Welt­ju­gend am Eröff­nungs­tag — Indus­trie­sa­lon Schö­ne­weide. (2023–05-02). KS-7-NB_0891-02‑G: X. Welt­fest­spiele der Jugend und Studen­ten in Ostber­lin 1973, Bild 2‑G, SW-Foto, 28.07.1973 © Kurt Schwarz.

Abschluss: Damals wie heute

Während die US-Regie­rung 13 Millio­nen US-Dollar in den Sturz Allen­des inves­tierte und unter Feder­füh­rung der CIA und hoch­ran­gi­ger Mili­tärs den Putsch in Chile gemein­sam mit der chile­ni­schen Olig­ar­chie und reak­tio­nä­ren Mili­tärs vorbe­rei­te­ten, erfuh­ren die Reprä­sen­tan­ten des neuen und legi­ti­men Chile bei den Welt­fest­spie­len Soli­da­ri­tät mit dem Kampf der Unidad Popu­lar. Während West­deutsch­land seinen NATO-Part­ner Portu­gal mit Waffen ausstat­tete, die es in seinem bluti­gen Krieg gegen die erstar­ken­den Befrei­ungs­be­we­gun­gen einsetzte, kamen in Ostdeutsch­land jene zusam­men, gegen die diese Waffen sich rich­te­ten – Kämp­fe­rin­nen und Kämp­fer aus Guinea-Bissau, Angola und Mosam­bik. Während die USA in einem verhee­ren­den Krieg, unter Einsatz von nahezu 400.000 Tonnen Napalm und einer hoch­ge­rüs­te­ten Mario­net­ten­re­gie­rung in Südviet­nam drei Millio­nen Viet­na­me­sen töte­ten, versöhn­ten und verban­den sich die fort­schritt­li­chen Kräfte des ande­ren Ameri­kas mit den Vertre­te­rin­nen Nord- und Südviet­nams zum gemein­sa­men Kampf gegen Krieg und Imperialismus.

Fünf Jahre später, als Kuba zu den XI. Welt­fest­spie­len einlud, hatten im Zuge der Nelken­re­vo­lu­tion in Portu­gal Mosam­bik und Angola die Unab­hän­gig­keit errun­gen. Das sieg­rei­che Volk von Viet­nam baute sein Land wieder auf. In Chile jedoch herrschte im fünf­ten Jahr die Pino­chet-Dikta­tur. Siege wie Nieder­la­gen brin­gen neue Heraus­for­de­run­gen, Kämpfe und Bünd­nisse hervor. Immer wieder kommt die fort­schritt­li­che Jugend der Welt bei den Welt­fest­spie­len zusam­men, um anste­hende Aufga­ben zu formu­lie­ren, sich gemein­sam zu orga­ni­sie­ren und die inter­na­tio­nale Soli­da­ri­tät für Frie­den und Fort­schritt zu bekun­den – damals wie heute.

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