„Solidarität beruht auf Gegenseitigkeit“ – Interview mit dem Anti-Apartheid-Kämpfer Ronnie Kasrils

Ronnie Kasrils, gebo­ren 1938 in Johan­nes­burg, trat im Alter von 23 Jahren in die Kommu­nis­ti­sche Partei Südafri­kas ein und war Grün­dungs­mit­glied der uMkhonto we Sizwe (MK), des para­mi­li­tä­ri­schen Flügels des Afri­ka­ni­schen Natio­nal­kon­gres­ses (ANC). Nach einer mili­tä­ri­schen und geheim­dienst­li­chen Ausbil­dung in der Sowjet­union und der DDR trug Kasrils ab Mitte der 1960er Jahre zum Aufbau eines komple­xen Unter­grund­net­zes von Anti-Apart­heid-Kämp­fern bei. Nach dem Sieg über die Apart­heid war Kasrils Minis­ter für Wasser- und Forst­wirt­schaft (1999–2004) und Minis­ter für Nach­rich­ten­dienste (2004–2008) in den ANC-Regierungen.

 

Im Februar 2023 traf die IF DDR Kasrils für ein Gespräch in Johan­nes­burg. Er erzählte von seinem Weg zum Kommu­nis­mus, seiner Zeit in der DDR sowie von der Bedeu­tung des sozia­lis­ti­schen Lagers – und dessen späte­rem Unter­gang – für ihn und die um Unab­hän­gig­keit ringen­den Länder Afri­kas. Das Tran­skript des Inter­views ist unten auf Deutsch zu finden und wurde zur besse­ren Lesbar­keit redak­tio­nell leicht bearbeitet.

Wie wurdest du politisiert und wann hast du dich der Befreiungsbewegung in Südafrika angeschlossen?

Ich bin während des Zwei­ten Welt­kriegs aufge­wach­sen und stamme von jüdi­schen Einwan­de­rern aus dem Russi­schen Reich ab. Mein Vater wurde in Litauen gebo­ren, meine Groß­el­tern stamm­ten aus dieser Gegend. Wir lebten in unse­rer eige­nen klei­nen jüdi­schen Nach­bar­schaft — wie es in Südafrika mit verschie­de­nen Gemein­den der Fall ist. Meine Eltern waren viel­leicht ein wenig zionis­tisch, aber sie waren eher säku­lar und nicht beson­ders reli­giös. Ich war als Kind ein ziem­li­cher Rebell, und das lag an der Situa­tion in Südafrika. Ich verab­scheute einfach den Rassis­mus und die Art und Weise, wie die Menschen Schwarze behan­del­ten. Es gab hier auch ein Element des Anti­se­mi­tis­mus, und zwar nicht nur bei den Buren mit nieder­län­di­schem oder deut­schem Hinter­grund. Dieje­ni­gen, die noch anti­se­mi­ti­scher sein konn­ten, waren die mit einem briti­schen Hinter­grund. Auf diese Weise wird man ein biss­chen sensibilisiert.

Meine Mutter hatte zwei Cousi­nen, die in der Kommu­nis­ti­schen Partei waren. Ich fing an, kleine Dinge von diesen reizen­den, recht kulti­vier­ten Frauen aufzu­schnap­pen. Eine von ihnen heira­tete einen berühm­ten Kommu­nis­ten, der später mein Mentor wurde. Doch schon als Teen­ager begann ich, Bücher über den Spani­schen Bürger­krieg und den Zwei­ten Welt­krieg zu lesen, die mich zu der Erkennt­nis brach­ten, dass die Sowjet­union wirk­lich für die Nieder­lage Hitlers verant­wort­lich war. Das stand im Gegen­satz zu dem, was wir in unse­ren englisch­spra­chi­gen Schu­len hier lern­ten, wo es nur um Mont­go­mery und die Briten und Ameri­ka­ner ging. Ich war also auch in dieser Hinsicht sensibilisiert.

 

Die Lektüre hat mir sehr gehol­fen, zunächst war es aber anar­chis­ti­sches Zeug, Arthur Koest­ler und diese Art von Mate­rial. Es war in der Zeit vor Shar­pe­ville1, und ich war damals erst 21, dass ich durch Musik und Poesie mehr mit Schwar­zen inter­agierte und mich mit Bertolt Brecht und Lite­ra­tur dieser Art beschäf­tigte. Ziem­lich früh entdeckte ich eine echte Leiden­schaft für Brecht, die mich in die deut­sche Gegen­kul­tur gegen den Natio­nal­so­zia­lis­mus führte. Ich schrieb Gedichte und bekam einen Job als Dreh­buch­au­tor für eine Film­ge­sell­schaft, was in Südafrika eine ziem­li­che Avant­garde-Sache war. Aber die Leute, mit denen ich zu tun hatte, waren eher Bohe­mi­ens, selbst unter den Schwarzen.

Dann kam es im März 1960 zum Massa­ker von Shar­pe­ville. Es traf mich so heftig, dass mir plötz­lich klar wurde, man kann nicht einfach weiter disku­tie­ren und debat­tie­ren und lesen. Man musste etwas tun. Das war der Zeit­punkt, an dem ich mich auf die Suche nach Menschen machte, die jetzt unter­tau­chen und aus dem Land flie­hen muss­ten. Ich habe meine kommu­nis­ti­sche Cousine in Durban besucht, sie war 15 Jahre älter als ich, und ihr Mann war auf der Flucht vor der Poli­zei und orga­ni­sierte sich nun im Unter­grund. Ich kannte alle Mitglie­der der ehema­li­gen Kommu­nis­ti­schen Partei, hatte all die Listen und die Sicher­heits­po­li­zei kannte mich über­haupt nicht – es war groß­ar­tig für diese Leute, jeman­den zu haben, dem sie vertrauen konn­ten, der als Bote fungie­ren konnte, und genau das ist passiert.

 

Um es kurz zu machen: Mein Verständ­nis entwi­ckelte sich beson­ders als ich mit dieser Cousine und ihrem Mann zusam­men­saß, die mir einen unglaub­li­chen Einblick in den Marxis­mus, in die Sowjet­union, in den Zwei­ten Welt­krieg usw. gaben. Damals verfolg­ten wir gerade die Ereig­nisse in Kuba, und so wurde ich vom Fieber ange­steckt und enga­gierte mich schon bald im Unter­grund, im ANC, in der Kommu­nis­ti­schen Partei und im bewaff­ne­ten Kampf. Da ich jung, körper­lich fit und aktiv war, grif­fen sie auf mich zurück, um mili­tä­ri­sche Opera­tio­nen durchzuführen.

 

Durch meinen jüdi­schen Hinter­grund war ich sehr daran inter­es­siert, den Aufstieg Hitlers zu verste­hen und wie es dazu kam, dass der Faschis­mus in einem Land, in dem die Arbei­ter­klasse und die Kommu­nis­ti­sche Partei so stark und orga­ni­siert waren, an die Macht kam. Diese Beschäf­ti­gung vermit­telte mir ein realis­ti­sches Verständ­nis des Kapi­tals, der Klas­sen­kräfte und der Entste­hung und Entwick­lung des Faschis­mus. Ich inter­es­sierte mich auch sehr für all die Klas­si­ker und Debat­ten, die inner­halb der Befrei­ungs­be­we­gung eine Rolle spielten.

Ronnie Kasrils with Nelson Mandela and Cyril Rama­phosa (circa 1991/92)

Wie bist du zum ersten Mal mit der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in Kontakt gekommen?

Als ich ab 1963 für einige Jahre im Exil in Tansa­nia arbei­tete, hatte ich zum ersten Mal einen sehr guten Kontakt mit der DDR-Botschaft. [Dr. Gott­fried Lessing] war ein wunder­ba­rer Botschaf­ter, der später mit seiner Frau in Uganda von Idi Amin ermor­det wurde. Ich erin­nere mich sehr lebhaft an ihn. Sie waren eine kleine DDR-Dele­ga­tion, nur er, seine Frau und ein paar andere. Sie hatten einen ziem­li­chen Einfluss auf die Befrei­ungs­grup­pen, die sich jetzt in Daressa­lam befan­den und gute Bezie­hun­gen zur tansa­ni­schen Regie­rung unter­hiel­ten. Ich kann mich daran erin­nern, wie er sagte, dass sie sich bemüh­ten, ihre Arbeit zu erle­di­gen, und dass sie mehr oder weni­ger auf sich selbst ange­wie­sen waren. Sie besa­ßen offen­sicht­lich den Willen, aber nicht viele Mittel. Dennoch wurden sie zu einem Anzie­hungs­punkt für Menschen aus der Befrei­ungs­be­we­gung, die dort­hin gingen. Das hatte eine große Wirkung. Sie hiel­ten Vorträge, um die Entste­hung der DDR zu erklä­ren und womit sie zu kämp­fen hatte. Wir konn­ten sofort erken­nen, dass West­deutsch­land und der Westen dieses junge sozia­lis­ti­sche Land abso­lut vernich­tet sehen woll­ten. Man begann zu begrei­fen, wie wich­tig die Soli­da­ri­tät war, die wir von ihnen erhiel­ten, da sie nur wenige Ressour­cen hatten. Wir began­nen zu begrei­fen, dass es unsere Pflicht als Befrei­ungs­be­we­gung war, das ganze Wesen Deutsch­lands und der DDR, ihre Exis­tenz und Entwick­lung zu verstehen.

Nach nur weni­gen Jahren wurde ich nach London entsandt und hatte das Privi­leg, mit Leuten wie Yusuf Dadoo zu arbei­ten. Seine frühere Frau war übri­gens mit Dr. Lessing, dem DDR-Botschaf­ter in Daressa­lam, verhei­ra­tet gewe­sen. Sie war eine deut­sche Frau, die vor oder kurz nach dem Krieg in Südafrika lebte und eine Anti­fa­schis­tin war. Dr. Lessing, ein großer bebrill­ter Mann, immer opti­mis­tisch und mit einem großen Sinn für Humor, wusste immer, dass wir uns mit den Proble­men und den Wider­sprü­chen ausein­an­der­set­zen müssen. Er war ein groß­ar­ti­ger Botschaf­ter — im allge­mei­nen Sinne, nicht nur in einem formel­len — für ein neues sozia­lis­ti­sches Deutsch­land. Er hat junge Leute wie mich sehr beein­druckt und hatte sehr gute Verbin­dun­gen zu den Älte­ren wie Oliver Tambo und Moses Kotane und Führern ande­rer Befreiungsgruppen.

 

Als ich in Groß­bri­tan­nien einge­setzt wurde, began­nen wir, geheime Verbin­dun­gen zu Südafrika aufzu­bauen und Kuriere zu rekru­tie­ren. Mein Buch, Inter­na­tio­nal Briga­des against Apart­heid (2021), handelt von der Rekru­tie­rung junger weißer Menschen, vor allem aus den west­li­chen Ländern, die leicht nach Südafrika ein- und ausrei­sen konn­ten. Ich hatte, wie gesagt, Bücher über den Krieg gele­sen, auch über die “Rote Kapelle“2 und über­haupt Bücher darüber, wie der Unter­grund arbei­tete. Es war ziem­lich erstaun­lich zu entde­cken, dass es im faschis­ti­schen Deutsch­land selbst nach dem Angriff auf die Kommu­nis­ten und Sozia­lis­ten noch Grup­pen gab, die mutig genug waren, um zu operie­ren. Es gab eine, die aus dem bürger­li­chen Milieu stammte, die “Weiße Rose”, und über die habe ich gele­sen. Das war die Art von Büchern, für die man sich sehr inter­es­sierte, und so hatte ich Sympa­thien für deut­sche Progres­sive und natür­lich Kommu­nis­ten, die gegen Hitler waren. Es gab einige jüngere jüdi­sche Genos­sen, die ich rekru­tierte, einige von ihnen aus Groß­bri­tan­nien, die sogar bis zu der Zeit, als wir mit der DDR und ihren Dele­ga­tio­nen in Maputo und ande­ren Orten arbei­te­ten, Schwie­rig­kei­ten damit hatten. Sie konn­ten den Unter­schied zwischen Deut­schen und Deut­schen nicht erken­nen und sagten: “Ronnie, er ist aus Deutsch­land, ich weiß nicht, ob ich ihn tref­fen kann”, und ich sagte: “Um Himmels willen, verstehst du denn nicht den Unter­schied? Es ist wie in Südafrika: Die Leute sind für oder gegen die Apartheid.“

 

Meine erste Erfah­rung in der DDR machte ich um 1967, als ich mit Joe Slovo dort­hin reiste, um Unter­stüt­zung für mili­tä­ri­sche Trai­nings zu erbit­ten. Leute, die aus Tansa­nia und Sambia kamen, soll­ten in klan­des­ti­nen Akti­vi­tä­ten in der DDR ausge­bil­det werden und auch von ihren Erfah­run­gen profi­tie­ren, was den Schmug­gel von Lite­ra­tur und die Arbeit im Unter­grund betraf. Das war der erste Besuch, und man bekam dabei ein abso­lu­tes Verständ­nis für das Ausmaß der Soli­da­ri­tät, die die DDR leistete.

Welche Art von Ausbildung und Unterstützung hat das sozialistische Lager für die Befreiungsbewegungen geleistet?

Ich war 1964 ein ganzes Jahr lang mit einer Gruppe von 150 ande­ren Kame­ra­den unse­res bewaff­ne­ten Flügels ausge­bil­det worden, die wie ich aus Südafrika entkom­men und in Tansa­nia gewe­sen waren. Anschlie­ßend wurden wir ein Jahr lang in der Sowjet­union ausge­bil­det, und wir erkann­ten das ganze Ausmaß der Macht der Sowjet­union und ihrer Mittel. Sie ermög­lichte durch prak­ti­sche Unter­stüt­zung die Aufnahme von Menschen für die Ausbil­dung von mili­tä­ri­schen und nicht-mili­tä­ri­schen Kräf­ten zu Hunder­ten und Aber­hun­der­ten, die Bereit­stel­lung von Waffen und Ressour­cen. Einige unse­rer Kame­ra­den wurden damals in Alge­rien und Ägyp­ten ausge­bil­det, und in einem Jahr feuer­ten sie ihre Waffen drei­mal ab. In der Sowjet­union haben wir unsere Waffen jeden Tag während der Übun­gen abge­feu­ert. Sie verfüg­ten über diese Art von Ressourcen.

 

Plötz­lich kamen wir nun in dieses kleine sozia­lis­ti­sche Land, die DDR, mit dem riesi­gen, in jeder Hinsicht aggres­si­ven Nach­barn im Kalten Krieg. Wir konn­ten sehen, dass bereits 1967/68 eine größere Entwick­lung statt­fand als in der Sowjet­union. Das hat man natür­lich erst später verstan­den, aber es hat mich sehr erstaunt, welche Bereit­schaft die DDR zeigte, uns zu unter­stüt­zen. Man merkte, dass sie auch ande­ren natio­na­len Befrei­ungs­grup­pen diese Art von Unter­stüt­zung gewährte. Während wir dort waren, trafen wir auf einige Genos­sen aus Nami­bia von der SWAPO. Es gab eine begrün­dete Verbin­dung, denn Nami­bia war eine deut­sche Kolo­nie mit Konzen­tra­ti­ons­la­gern gewe­sen — den ersten Konzen­tra­ti­ons­la­gern zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts -, die vom Deut­schen Reich errich­tet worden waren, das dort einen Völker­mord beging.3

 

Wir spra­chen über die Möglich­keit, einige Leute auszu­bil­den, die wir von London aus schi­cken würden. Ich hatte bereits erkannt, dass Mac Maha­raj eine sehr starke Verbin­dung zur DDR hatte. Er ist ein sehr bekann­ter Südafri­ka­ner, der in der DDR in Druck­ver­fah­ren und in der Anwen­dung von Unter­grund­me­tho­den ab Anfang 1960 ausge­bil­det worden war. Er kam 1962 zurück nach Südafrika, um im Unter­grund zu arbei­ten. Nach dem Rivo­nia-Prozess wurde er verhaf­tet und saß 12 Jahre im Gefängnis.

 

Schon ab 1960, also sehr früh, wurden einige unse­rer Leute über London geholt, um sie in Berei­chen wie nicht-mili­tä­ri­schen Akti­vi­tä­ten, aber auch in klan­des­ti­nen Akti­vi­tä­ten und der Veröf­fent­li­chung von Unter­grund­ma­te­ria­len zu schu­len. Durch meine Zeit in Tete­row hatte ich das Privi­leg zu sehen, wie die Ressour­cen, die zur Unter­stüt­zung des natio­na­len Befrei­ungs­kamp­fes bereit­ge­stellt wurden, von den 1960er Jahren bis in die späten 1980er Jahre zunahmen.

 

Ab 1976 wurde Tete­row zu einem Zentrum, in dem die kleine DDR zwei Mal im Jahr sechs­mo­na­tige Kurse für 40 sehr fort­ge­schrit­tene Kader, die vom ANC in Afrika kamen, anbot. Die Kurse bezo­gen sehr fort­ge­schrit­tene Gueril­la­kriegs­füh­rung und klan­des­tine Metho­den im Unter­grund, einschließ­lich der Vorbe­rei­tung auf Sicher­heit und Nach­rich­ten­dienst ein. Diese Grup­pen erhiel­ten ihre Ausbil­dung in verschie­de­nen siche­ren Zentren in Ost-Berlin und Umge­bung. Unge­fähr vier oder fünf Perso­nen ein paar Mal im Jahr, manch­mal nur ein oder zwei, die eine gezielte Ausbil­dung erhiel­ten und wieder nach Südafrika zurückkehrten.

 

Da ich an einer Tete­rower Ausbil­dungs­gruppe betei­ligt war und über 10 Jahre hinweg viel­leicht zwei­mal im Jahr dort­hin fuhr, weiß ich, wie sich die Ausbil­dung hier entwi­ckelte, so dass wir über 12 Jahre hin mehr oder weni­ger 80 Leute dort hatten – das sind knapp 1.000, was unglaub­lich ist, zumal es sich um eine sehr fort­ge­schrit­tene und hoch­ent­wi­ckelte Ausbil­dung handelte. Man könnte noch ein paar hundert andere Kader aus unse­ren Nach­rich­ten­diens­ten und Sicher­heits­ab­tei­lun­gen hinzu­fü­gen, die über einen Zeit­raum von etwa einem Dutzend Jahren eben­falls ausge­bil­det wurden. Ich würde sagen, etwa 200 plus viel­leicht weitere 50 Perso­nen, die spezi­ell inner­halb Südafri­kas ausge­wählt wurden und die in der aufkom­men­den Gewerk­schafts- und demo­kra­ti­schen Massen­be­we­gung der 1980er Jahre ein sehr ausge­präg­tes und fort­ge­schrit­te­nes poli­ti­sches Bewusst­sein und Enga­ge­ment hatten. Wir wähl­ten sie aus und brach­ten sie an Orte in den Nieder­lan­den, Groß­bri­tan­nien oder Frank­reich und schick­ten sie von dort in die DDR. Sie erhiel­ten ein sehr konzen­trier­tes und geziel­tes Vorbe­rei­tungs­trai­ning über zwei bis drei Monate in Bezug auf die Orga­ni­sa­tion im Unter­grund, die Verbin­dung zu den öffent­li­chen Orga­ni­sa­ti­ons­ebe­nen, das Erler­nen von Aspek­ten der Selbst­ver­tei­di­gung, Sicher­heit, Sabo­ta­ge­tech­ni­ken und so weiter.

 

“Da die DDR so nahe am Westen war und mit dem Westen inter­agie­ren und konkur­rie­ren musste, hatte sie ein viel diffe­ren­zier­te­res Verständ­nis für die Macht des Kapi­tals in diesen impe­ria­lis­ti­schen Ländern. Sie konnte uns darauf aufmerk­sam machen, das Ausmaß dieser Macht zu verstehen.”

 

Das andere Element der Ausbil­dung in der DDR, die mit Mac Maha­raj begann, bestand darin, eine Unter­grund­presse zu betrei­ben. Dazu zählte auch, unsere Zeit­schrif­ten und Mate­ria­lien sowie kleine Broschü­ren für uns bereit­zu­stel­len, die mit falschen Umschlä­gen mit Aufschrif­ten wie “marxis­ti­sche Trak­tate” oder “Programme der kommu­nis­ti­schen Parteien” usw. getarnt waren. Sie druck­ten für uns unsere Zeit­schrif­ten wie den Afri­can Commu­nist und für den ANC dessen wich­tigste Zeit­schrift Sech­aba. Das alles wurde von London aus orga­ni­siert, über die beiden Heraus­ge­ber von Sech­aba, “MP” Naicker und später Ben Turok, und Brian Bunting vom Afri­can Commu­nist sowie Sonia Bunting. Sie fuhr mit den Texten für den Druck und den Vorbe­rei­tun­gen für den Versand der Tausen­den von Exem­pla­ren dieser Zeit­schrif­ten von London hin und her nach Berlin.

 

Ihr könnt euch das Ausmaß der dafür bereit­ge­stell­ten Kapi­tal­mit­tel vorstel­len, die voll­stän­dig den Befrei­ungs­be­we­gun­gen in der ganzen Welt gewid­met waren, wobei Afrika eine große Rolle spielte. Es waren nicht nur die Beispiele, die ich für die südafri­ka­ni­sche Bewe­gung anführe, sondern auch für die ande­ren. Im Jahr 1990, als Nami­bia unab­hän­gig wurde und die DDR eigent­lich kaputt war, wurde der Präsi­dent der SWAPO, Sam Nujoma, in die Bundes­re­pu­blik Deutsch­land einge­la­den. Er reiste nach Berlin, wo man ein Programm für ihn ausge­ar­bei­tet hatte. Er sah sich das Programm an, und der liebe Mann, der seinen Edel­mut und sein Verständ­nis zeigte, sagte zur Bundes­re­pu­blik Deutsch­land: “Bevor ich mit Ihrem Programm beginne, muss ich als Erstes den Ostteil Berlins besu­chen, um die Menschen zu sehen, die uns all die Jahre gehol­fen haben, und um ihnen unse­ren Respekt zu erwei­sen.“ Ihr könnt euch vorstel­len, wie verblüfft sie waren! Aber es ist ein Beispiel dafür, wie die DDR in prak­ti­scher Hinsicht Hilfe leis­tete, mate­ri­elle Hilfe, zu der wir noch Klei­dung für das Mili­tär hinzu­fü­gen soll­ten. Natür­lich erhiel­ten wir Unifor­men aus der Tsche­cho­slo­wa­kei, der Sowjet­union, Kuba und der DDR. Und es gab viele unse­rer Leute, die in der DDR-Mili­tär­uni­form an Orten wie Angola und Tansa­nia waren. Wir erhiel­ten auch Lebens­mit­tel und zivile Klei­dung, und zwar von Mitte der 1960er Jahre bis leider zum Ende und Zusam­men­bruch der DDR.

 

Man könnte noch mehr Beispiele anfüh­ren, aber ich gebe das nur wieder, damit die Leute das Ausmaß dieser Unter­stüt­zung verste­hen, die neben der eigent­li­chen mate­ri­el­len Unter­stüt­zung auch diplo­ma­tisch war und auch ideo­lo­gi­sche Aspekte umfasste. In Tete­row hatten wir zum Beispiel einen Profes­sor, der aus einer nahe gele­ge­nen Univer­si­täts­stadt kam. Ich erin­nere mich an Gesprä­che mit ihm über die Wider­sprü­che, mit denen die DDR konfron­tiert war. Das hohe Niveau der theo­re­ti­schen Darstel­lung, der Ideo­lo­gie und der Philo­so­phie war wirk­lich sehr beein­dru­ckend. Da die DDR so nahe am Westen war und mit dem Westen inter­agie­ren und konkur­rie­ren musste, hatte sie ein viel diffe­ren­zier­te­res Verständ­nis für die Macht des Kapi­tals in diesen impe­ria­lis­ti­schen Ländern. Sie konnte uns darauf aufmerk­sam machen, das Ausmaß dieser Macht zu verste­hen. Es war also eine sehr tiefe Beziehung.

Was war dein Eindruck von der sozialistischen Gesellschaft in Ostdeutschland?

Zunächst einmal — egal ob es sich um die DDR, Kuba oder die Sowjet­union handelte — hatten wir grund­sätz­lich mit den Behör­den zu tun, die in all diesen Ländern wunder­bar waren. Diese Vorstel­lung von ’stali­nis­tisch’ und ‘Büro­kra­tie’ und ‘kalten Menschen’ — es war das genaue Gegen­teil! Wenn man zum ersten Mal dort­hin fährt, inter­es­siert man sich für diese Menschen und stellt fest, dass sie nicht nur mensch­lich, sondern auch witzig, warm­her­zig und fürsorg­lich sind. Das ist die Art und Weise, wie man als Mensch die Propa­ganda und die Vergif­tung des eige­nen Geis­tes durchschaut.

 

Wir sahen tatsäch­lich das Ausmaß der Entwick­lung, die statt­fand, und dass diese Entwick­lung abso­lut auf die Verbes­se­rung der Lage und die Über­win­dung wirt­schaft­li­cher Probleme ausge­rich­tet war, selbst an einem Ort wie der Nach­kriegs-DDR. Ich kann mich erin­nern, dass ich zum Alex­an­der­platz geführt wurde und eine junge Frau erzählte mir, wie sie mit ande­ren Leuten nach dem Krieg mobi­li­siert worden war und frei­wil­lig in das Gebiet kam, in dem die Trüm­mer aufge­räumt wurden, was direkt am Alex­an­der­platz war. Natür­lich konn­ten wir diese Infor­ma­tio­nen im Unter­richt und bei den Beam­ten, mit denen wir zu tun hatten, erhal­ten, aber mit einer Person zu spre­chen, die etwa 30 Jahre nach dem Krieg mehr oder weni­ger in meinem Alter und 1945 16 Jahre alt war, war sehr interessant.

 

Man konnte sehen, dass die DDR im Vergleich zu Kuba und sogar der Sowjet­union in Bezug auf die Entwick­lung der Indus­trie und der Leicht­in­dus­trie weiter fort­ge­schrit­ten war. Man hat uns immer etwas Taschen­geld gege­ben. Als Schrift­stel­ler und jemand, den man im Radio inter­viewen wollte, habe ich immer ein paar D‑Mark oder Rubel zusätz­lich bekom­men. Ich hatte also ein biss­chen Geld zum Ausge­ben, und wenn ich zu meiner Fami­lie nach London fuhr, stellte ich immer fest, dass die Geschäfte in der DDR zwei­fel­los bessere Waren hatten als die in Moskau. Ohne die Zustände in der Sowjet­union schmä­lern zu wollen, aber man konnte den Eindruck gewin­nen, dass der Sozia­lis­mus in der DDR weiter fort­ge­schrit­ten war.

 

Ich hatte das Glück, während meines Aufent­halts in der DDR mit eini­gen südafri­ka­ni­schen Studen­ten in Kontakt zu kommen. Ich habe Tete­row besucht, aber dann auch einige Zeit im “Gast­haus an der Spree” verbracht, einem Partei­ho­tel. Die Frei­heit, in die Stadt zu gehen und in die U‑Bahn zu stei­gen, ohne etwas zu bezah­len — eine wunder­bare U‑Bahn — und über­all hinzu­ge­hen, war wirk­lich abso­lut erstaun­lich. Ich hatte dann Zugang zu ganz norma­len Bürgern, jünge­ren und älte­ren Menschen. Beides war sehr inter­es­sant, denn die Südafri­ka­ner hatten diese Freunde, mit denen sie zur Univer­si­tät gingen. Ich spre­che von den Südafri­ka­nern, die für ein Studium dort­hin geschickt worden waren, und von eini­gen, die mit deut­schen Ehefrauen oder Ehemän­nern verhei­ra­tet waren.

 

Wenn man diese Inter­ak­tion im Alltag mitbe­kommt, stößt man sowohl auf Vor- als auch auf Nach­teile, was es inter­es­sant machte. Denn es ist unmög­lich — und wir waren nicht naiv -, dass ein Land sich weiter­ent­wi­ckeln kann, wenn es in einem solchen Ausmaß von einem inter­na­tio­na­len Markt abge­schnit­ten ist, quasi sank­tio­niert wird. Wir waren uns dieser enor­men Probleme bewusst und sahen, wie sie Auge in Auge an der Grenze zu einem sehr aggres­si­ven, rach­süch­ti­gen, mäch­ti­gen West­deutsch­land stan­den, das ehema­lige Nazis in seine poli­ti­sche Elite, seine Führungs­schicht und seine Justiz aufge­nom­men hatte. Von den DDR-Behör­den wurden wir mit viel Humor und nicht in pani­scher Weise darauf hinge­wie­sen, dass wir ein Auge auf den großen Mann von nebenan haben müssen. Wir hatten also ein Verständ­nis für dieses Problem.

 

Manch­mal, wenn wir mit jünge­ren Menschen in der DDR zu tun hatten, merk­ten wir, dass sie das nicht so sahen wie ihre Eltern. Sie waren sehr inter­es­siert an den Frei­hei­ten im Westen. Sie sagten, hier kann es ein biss­chen lang­wei­lig sein, und bei der Arbeit sind wir so struk­tu­riert, und die Leute sind recht vorsich­tig, wenn es um Kritik geht. Manch­mal war es auch echter Klatsch und Tratsch, über den ich lachen und mit ihnen strei­ten konnte. Sie hörten, dass Honecker und die Regie­ren­den jeden Tag frische Milch aus Däne­mark bekä­men, und da ich in Tete­row war, das auf dem Land liegt, und wir manch­mal bestimmte Bauern­höfe besuch­ten, sahen wir so präch­tige Nutz­tiere, darun­ter Kühe, die gemol­ken wurden. Ich musste lachen und sagte: Was ist los mit euch? Seid sehr vorsich­tig mit west­li­cher Propa­ganda! Sie ist darauf ausge­rich­tet, euren Glau­ben an das System zu unter­gra­ben. Ihr wisst nicht, was diese Leute vorha­ben, und das habe ich den Leuten in der Sowjet­union auch immer gesagt.

 

Wir hatten einen wunder­ba­ren südafri­ka­ni­schen Kame­ra­den, Arnold Selby, der für den DDR-Rund­funk arbei­tete. Er hatte große Ausein­an­der­set­zun­gen mit seiner Frau und seiner klei­nen Toch­ter, weil sie das West-Berli­ner Fern­se­hen einschal­te­ten und er in seinem ganzen Leben in der DDR nie auch nur einen Blick auf den Bild­schirm warf, es sei denn, es war ein Sender der DDR. Er hatte immer sehr heftige Diskus­sio­nen und Reibe­reien, weil sie sich davon ange­zo­gen fühl­ten und er war eben sehr prin­zi­pi­en­treu und durch­schaute diese falsche Propa­ganda. Da wir in der Nähe von West­deutsch­land lebten, war es unmög­lich, Aspekte dieser Art von Propa­ganda zu igno­rie­ren, und wenn man eine neue Gesell­schaft aufbaut, hat man zwangs­läu­fig beson­dere Probleme, und die Menschen können sehr subjek­tiv werden und die Dinge falsch inter­pre­tie­ren. Ich will damit nicht sagen, dass es im Laufe der Zeit, als wir uns dem Ende näher­ten, von dem so viele Menschen betrof­fen waren, keine tief­grei­fen­den Wider­sprü­che gab. Aber wenn man ein Gesamt­bild und ein Verständ­nis für die inter­na­tio­nale Situa­tion und für das, was da gegen­über der Sowjet­union geschah, und für die Schwach­stel­len hatte, konnte man dies erkennen.

 

Ich habe 1983 in der Sowjet­union eine Ausbil­dung beim mili­tä­ri­schen Nach­rich­ten­dienst absol­viert und war ziem­lich scho­ckiert über den Unter­schied in der Darstel­lung, die man von unse­ren Ausbil­dern erhielt. Auf poli­ti­scher Ebene gab es manch­mal recht alberne Vorträge über die inter­na­tio­nale Lage. Ich kann mich erin­nern, dass ein Kommis­sar über das Wachs­tum des Sozia­lis­mus sprach und fragte, wie viele sozia­lis­ti­sche Länder es gebe. Ich hatte einen ziem­li­chen Streit, denn er zählte zwar Viet­nam dazu, aber auch Laos und Kambo­dscha, wiederum nicht Mosam­bik und Angola. Ich sagte, Sie zählen Laos und Kambo­dscha dazu, die nicht die produk­tive Basis und die kommu­nis­ti­sche Führung Viet­nams haben, aber Mosam­bik und Angola lassen Sie außen vor. Darauf­hin sagte der Mann: “Und was ist mit San Remo in Italien?“ Ich sagte: “Wovon reden Sie?“ Er zählte andere kleine Orte auf, an denen sich die Kommu­nis­ten Frank­reichs oder Itali­ens auf kommu­na­ler Ebene zusam­men­schlos­sen und in jenem Jahr die Mehr­heit im Rat erran­gen. Ich war dort mit einer Gruppe von Leuten, die nicht verstan­den, was ich meinte. Ich sagte ihnen, um Himmels willen, dieser Mann vermit­telt einen falschen Eindruck.

 

Zurück zur DDR: Auf der Ebene des Geheim­diens­tes gab es einen Mann namens Markus Wolf, ein großer Held der DDR und der Befrei­ungs­be­we­gun­gen, der eine so wich­tige Rolle dabei gespielt hat, dass auch unsere Leute diese Art von Ausbil­dung erhiel­ten. Das war ein sehr durch­dach­tes Programm, wenn man es mit der sowje­ti­schen Präsen­ta­tion vergleicht. Durch Markus Wolf erhiel­ten wir sehr gute Ideen und sehr ausge­feilte Vorstel­lun­gen darüber, wie man Infor­ma­tio­nen sammeln kann. Ein paar Jahre vor seinem Tod kam er nach Südafrika, um unter ande­rem Mac Maha­raj zu tref­fen. Es wurde eine kleine Party für ihn gege­ben. Die Menschen in den natio­na­len Befrei­ungs­kämp­fen waren sich des Wertes, des Ausma­ßes, der Kame­rad­schaft und der Herz­lich­keit der Unter­stüt­zung, die wir von der DDR erhiel­ten, sehr bewusst.

Ronnie Kasrils with Winnie Mandela in Southern Cape Town

Was war die Grundlage für diese Solidarität? Warum unterstützten die sozialistischen Staaten die nationalen Befreiungsbewegungen und die Staaten, die sich nach Erlangung der Unabhängigkeit bildeten?

Die Grund­lage der kommu­nis­ti­schen ideo­lo­gi­schen Unter­maue­rung, die wir in Südafrika erhiel­ten und die diesen Inter­na­tio­na­lis­mus und diese Einheit hervor­brachte, entstand nach der bolsche­wis­ti­schen Revo­lu­tion mit der Grün­dung der Komin­tern. Von Anfang an gab es große Diskus­sio­nen über die gesamte marxis­ti­sche Theo­rie des Bünd­nis­ses und der Soli­da­ri­tät zwischen den sozia­lis­ti­schen Ländern und dem anti­ko­lo­nia­len Kampf — was wir die drei Stränge des Kamp­fes nennen, d.h. das sozia­lis­ti­sche Lager, die Arbei­ter­klasse der kapi­ta­lis­ti­schen Länder und die natio­na­len Befrei­ungs­be­we­gun­gen. Die Kommu­nis­ti­sche Partei Südafri­kas war seit den frühen zwan­zi­ger Jahren inten­siv an diesen Debat­ten betei­ligt, und die Konse­quenz dieser Debat­ten war die Formu­lie­rung des anti­im­pe­ria­lis­ti­schen Kamp­fes, des anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Kamp­fes, des Bünd­nis­ses zwischen dem Sozia­lis­mus und den gegen den Kolo­nia­lis­mus kämp­fen­den Völkern und die Frage, wie man diese Einheit am besten entwi­ckelt. Daraus ist die feste Einheit dieser Kräfte entstanden.

 

Der theo­re­ti­sche Faktor ist von entschei­den­der Bedeu­tung, wenn es darum geht, was die Menschen aus der so genann­ten Drit­ten Welt, insbe­son­dere nach dem Zwei­ten Welt­krieg, erhal­ten haben. Dazu gehö­ren das theo­re­ti­sche Verständ­nis und die Analyse sowie die mate­ri­elle und prak­ti­sche Unter­stüt­zung im Kampf gegen den Kolo­nia­lis­mus und der Zusam­men­bruch des Kolo­ni­al­sys­tems. Diese Unter­stüt­zung wurde für die aufstre­ben­den unab­hän­gi­gen Länder wie Tansa­nia, Ghana, Ägyp­ten usw. oder in Notzei­ten wie zur Zeit der Suez­krise 1956 geleis­tet, als Groß­bri­tan­nien, Frank­reich und Israel die Kontrolle über den Suez­ka­nal über­nah­men. Diese Aspekte, einschließ­lich der wirt­schaft­li­chen Entwick­lung und der Möglich­kei­ten dieser Länder, sich gegen den Neoko­lo­nia­lis­mus zu wehren, sind sehr wich­tige Fakto­ren, und dies unter­mau­ert unser Verständ­nis davon, was prole­ta­ri­scher Inter­na­tio­na­lis­mus ist und die Einheit, die zwischen den drei Strän­gen des Kamp­fes erfor­der­lich ist. Wir durch­lie­fen die Phase des chine­sisch-sowje­ti­schen Streits, der gewisse Verwir­run­gen, aber auch größere Klar­heit schaffte.

 

“Genos­sen, Soli­da­ri­tät beruht auf Gegen­sei­tig­keit. Es geht nicht nur darum, dass wir aus Südafrika hier­her­kom­men und Soli­da­ri­tät von der DDR oder der Sowjet­union erhal­ten. Es geht darum, was wir ihnen bieten können, und sie brau­chen diese uner­schüt­ter­li­che Unter­stüt­zung, dieses Bünd­nis — etwa durch die “block­freie Bewe­gung”, die fort­schritt­lich und anti­im­pe­ria­lis­tisch ist, die die sozia­lis­ti­schen Länder unter­stüt­zen und nicht einfach als neutral zwischen zwei Lagern sehen.”

 

Derselbe Genosse, der bei Radio Berlin Inter­na­tio­nal arbei­tete, Arnold Selby, pflegte mit den Südafri­ka­nern zu spre­chen und über seine tatsäch­li­chen Erfah­run­gen in der DDR zu berich­ten. Er war ein Ideo­loge, ein Theo­re­ti­ker. Er war ein sehr prak­ti­scher Typ aus der weißen Arbei­ter­klasse und den südafri­ka­ni­schen Gewerk­schaf­ten. Er pflegte zu sagen: Genos­sen, Soli­da­ri­tät beruht auf Gegen­sei­tig­keit. Es geht nicht nur darum, dass wir aus Südafrika hier­her­kom­men und Soli­da­ri­tät von der DDR oder der Sowjet­union erhal­ten. Es geht darum, was wir ihnen bieten können, und sie brau­chen diese uner­schüt­ter­li­che Unter­stüt­zung, dieses Bünd­nis — etwa durch die “block­freie Bewe­gung”, die fort­schritt­lich und anti­im­pe­ria­lis­tisch ist, die die sozia­lis­ti­schen Länder unter­stüt­zen und nicht einfach als neutral zwischen zwei Lagern sehen. Aber wir müssen verste­hen, wie wir sie in den Welt­gre­mien wie z.B. den Verein­ten Natio­nen unter­stüt­zen müssen, um aus der Isola­tion und den Sank­tio­nen auszu­bre­chen, die der Westen stän­dig durch­zu­set­zen versucht. Und wie wir in Afrika mit diesen Genos­sen zusam­men­ar­bei­ten und sie unter­stüt­zen müssen. Sie sind nicht einfach da, um uns zu helfen, sondern sie brau­chen die Unter­stüt­zung von uns, um aus der Isola­tion heraus­zu­kom­men, denn wir haben unsere DDR-Genos­sen in diesen Ländern und Städ­ten, die sehr isoliert daste­hen, und wir müssen dafür sorgen, dass die Befrei­ungs­kräfte ihre Veran­stal­tun­gen besu­chen, die sie für uns durchführen.

 

Als Tansa­nia 1964 unab­hän­gig wurde gab es nicht viele DDR-Botschaf­ten in der Welt. In den 1970er Jahren wurden es mehr und sie waren selbst­be­wuss­ter, sie hatten mehr Ressour­cen. In Sambia wurden wir von den Genos­sen der Botschaft sehr unter­stützt. Wir konn­ten sie besu­chen und waren dort will­kom­men. Wir konn­ten ihre Tele­fone benut­zen, um mit unse­ren Leuten in London, Frank­reich und in Südafrika zu spre­chen. Auch Oliver Tambo und Thabo Mbeki kamen dort­hin, und die Botschaft nahm uns mit nach Hause, nicht in ihr Haupt­quar­tier, wo wir oft ihre Tele­fone benutz­ten, um mit Winnie Mandela zu spre­chen. Wir hatten lange Gesprä­che, in denen wir versuch­ten, sie bei ihren Akti­vi­tä­ten zu unter­stüt­zen. Dieser Aspekt war sehr berüh­rend. Das klingt nach klei­nen Dingen. Glaubt ihr, wir hätten so etwas von den briti­schen, ameri­ka­ni­schen oder fran­zö­si­schen Botschaf­ten in diesen Ländern erwar­ten können? Die hätten nicht einmal im Traum daran gedacht, uns eine solche Unter­stüt­zung zu gewäh­ren. Niemals wären wir dort wirk­lich will­kom­men gewe­sen! Als die Zeit verging und wir im Kampf an die Spitze kamen, lud man uns natür­lich in die Botschaf­ten ein. Wir schick­ten dann nur Leute dort­hin, die aus unse­ren Geheim­dienst­struk­tu­ren stamm­ten und wuss­ten, wie sie sich bedeckt halten und heraus­fin­den konn­ten, was an solchen Orten vor sich ging.

 

Da ist die Frage nach dem Unter­schied zwischen dem, was wir von allen sozia­lis­ti­schen Ländern erhiel­ten — und ich habe immer darauf hinge­wie­sen, dass die DDR, die wirk­lich zu den kleins­ten Ländern gehörte, mit der Sowjet­union und mit Kuba auf einer Stufe stand. Unglück­li­cher­weise hatte der chine­sisch-sowje­ti­sche Streit während der sehr langen Zeit unse­res Exils bis zur Unab­hän­gig­keit Südafri­kas, bis zur Frei­heit, diese Bezie­hung beein­träch­tigt. Aber die DDR war in all den Jahr­zehn­ten der 1960er bis Ende der 80er Jahre abso­lut verläss­lich. Die west­li­chen Länder haben gegen uns gear­bei­tet. Sie haben die Apart­heid unter­stützt. Sie haben uns als Terro­ris­ten bezeich­net. Sie ermög­lich­ten, dass Apart­heid unge­straft blieb. Es ging nicht ganz so weit wie bei den USA und Israel, weil die Apart­heid den west­li­chen Ländern pein­lich war und sie deshalb eine heuch­le­ri­sche Maske aufsetz­ten, was das betraf. Wir wissen von Harold McMil­lan, der 1960 vor dem rassis­ti­schen südafri­ka­ni­schen Parla­ment sprach: “Der Wind des Wandels kommt nach Afrika”. Damit wollte er das Apart­heid­re­gime ermu­ti­gen und nicht wirk­lich refor­mie­ren. Es bedeu­tete, dass sich die Dinge änder­ten und dass man es verur­tei­len würde, wenn die Dinge aus dem Ruder liefen, wie es in Shar­pe­ville der Fall war. Aber das war nie von der Art, die einen wirk­li­chen Druck bewirkte, selbst im prak­ti­schen Sinne einer Isolie­rung Südafri­kas. Ganz im Gegen­teil, denn Südafrika suchte im Kalten Krieg ein Bünd­nis mit all diesen west­li­chen Ländern gegen das Schreck­ge­spenst des Kommu­nis­mus. Hier sprach das Regime dann anti­kom­mu­nis­ti­sche Themen an, um zu zeigen, dass es ein zuver­läs­si­ger Verbün­de­ter des west­li­chen Kapi­tals war.

Wie hast du das Ende der DDR und des gesamten sozialistischen Lagers erlebt?

Der Zusam­men­bruch des sozia­lis­ti­schen Lagers, begin­nend in Polen mit Soli­dar­ność in den 1980er Jahren, oder sogar zurück­ge­hend auf den Prager Früh­ling von 1968, hat mich tatsäch­lich betrof­fen gemacht. Ich war sehr gefes­tigt, was unser Verständ­nis der Sowjet­union usw. anging. Ich war als junger Mensch in London mit Leuten wie Dr. Yusuf Dadoo, Joe Slovo und der obers­ten Führung aufge­wach­sen. Ich war ziem­lich beun­ru­higt, weil wir plötz­lich große Wider­sprü­che sahen. Es war nicht so sehr eine externe Inter­ven­tion wie durch eine Farb­re­vo­lu­tion, wie wir sie heute erle­ben. Sie kam eindeu­tig von der Straße, und die Studen­ten waren sehr stark daran betei­ligt. Ich konnte also einige Elemente von dem sehen, was ich vorhin für die DDR kurz erwähnt habe. Aber es war schon beun­ru­hi­gend, solche Mengen zu sehen, die ja gerade in der DDR erst Ende der 1980er Jahre rund um Leip­zig entstan­den sind. Man suchte jedoch immer nach west­li­cher Einmi­schung, die es immer gab.

 

Viel­leicht war uns damals in den 1960er Jahren nicht so klar, in welchem Ausmaß die USA und der Westen versucht hatten, das sozia­lis­ti­sche Lager zu unter­gra­ben. Da ich aus dem Umfeld von Markus Wolf stammte, war ich sehr an den Schrif­ten von Leuten wie Kim Philby und ande­ren inter­es­siert. Man las sie und tat so, als sei es nicht so wich­tig, dass Groß­bri­tan­nien und Amerika vor allem Leute in Alba­nien und den Balkan­län­dern sowie in der West­ukraine abge­setzt hatten. Man dachte einfach, na ja, das sei kein großes Problem. Es war, als würde ich einen Absatz in einem Buch lesen und dessen Tiefe nicht erkennen.

 

Wenn ich das über die Tsche­cho­slo­wa­kei und den Prager Früh­ling sage, kann ich mich daran erin­nern, dass in den großen Debat­ten, die wir damals in London im südafri­ka­ni­schen poli­ti­schen Milieu führ­ten, die älte­ren Genos­sen wie Yusuf Dadoo sagten: Nein, ihr müsst das Ausmaß sehen, in dem die Impe­ria­lis­ten die Tsche­cho­slo­wa­kei über­neh­men wollen. Palme Dutt, der einer der heraus­ra­gen­den Theo­re­ti­ker der briti­schen Kommu­nis­ti­schen Partei war, schrieb einen Arti­kel, der mein Denken verän­derte. Er sagte, die Tsche­cho­slo­wa­kei sei ein Dolch im Herzen Moskaus, und er brachte dann zur Geltung, was nicht so offen­sicht­lich gewe­sen war, nämlich das Ausmaß dessen, was mit der DDR geschah, die Inter­ven­tion der Impe­ria­lis­ten und die Grün­dung von Grup­pie­run­gen und Kolla­bo­ra­teu­ren, natür­lich immer ausge­hend von Spio­nen und Spio­nage. Man war sich also sehr bewusst, dass das sozia­lis­ti­sche Lager nicht nach­las­sen konnte und eine hohe Wach­sam­keit, und damit Sicher­heits­kon­trol­len wie durch die Stasi, aufrecht­erhal­ten musste. Wir wissen, dass west­li­che Darstel­lun­gen diesen Aspekt über­trie­ben darstel­len auch in Bezug etwa auf Stalins Herr­schaft, wo wir die Gleich­set­zung von Stalin und Hitler mit Putin und Hitler sehen, was sehr wirkungs­voll ist, wenn man dieser Infor­ma­tion nichts entge­gen­zu­set­zen hat, wenn man der west­li­chen Desin­for­ma­tion durch Fern­se­hen, Medien und Wissen­schaft ausge­setzt ist.

Joe Modise (head of the MK from 1965 to 1990), Gene­ral Siphiwe Nyanda (Chief of the South Afri­can Natio­nal Defence Force from 1998 to 2005) and Ronnie Kasrils

Wie kommt es dann aus deiner Sicht zum Zusammenbruch der mit der Sowjetunion verbündeten sozialistischen Staaten? Und wie verstehst du vor diesem Hintergrund die aktuellen Entwicklungen in der Welt?

Da ist zum einen der Faktor, inwie­weit es nicht gelun­gen ist, wirk­lich eine Demo­kra­tie im Volk zu entwi­ckeln, wie Joe Slovo in “Has Socia­lism Failed?” (1991) sagt. Dabei spricht er nicht über das bürger­li­che Konzept von Demo­kra­tie. Wir spre­chen jetzt über ein marxis­tisch-leni­nis­ti­sches Konzept, das man nur haben kann, wenn man es auf eine wirk­lich tiefe Bildung und Theo­rie, und ein Verständ­nis im Volk stüt­zen kann. Das fängt in den Schich­ten der eige­nen Auto­ri­tät und Partei an und geht weiter bis in die Schich­ten des Volkes. Wir haben gese­hen, wie die sozia­lis­ti­schen Länder enorme Anstren­gun­gen in Bezug auf die Entwick­lung einer neuen Pädago­gik und neuer Formen der Bildung auf Schul­ebene unter­nom­men haben. Ich kann mich daran erin­nern, dass ich 1964 in der Sowjet­union Schu­len besuchte und sehr beein­druckt war von der Art und Weise, wie die 15- und 16-Jähri­gen die Romane und die Geschichte der west­li­chen Länder lasen, von Shake­speare bis hin zu vielen ande­ren fort­schritt­li­chen Schriftstellern.

 

Bei den Gesprä­chen, die ich manch­mal mit den Funk­tio­nä­ren hatte, merkte ich, dass sie auf der Auto­ri­täts­ebene ziem­lich verbohrt waren – nicht so sehr in der DDR, aber in den ande­ren sozia­lis­ti­schen Ländern war es oft so. Aller­dings muss man beden­ken, dass so viele Kommu­nis­ten im Zwei­ten Welt­krieg umge­kom­men waren. Jeden­falls wurde mir da etwas klar, was Joe Slovo mir vorher gesagt hatte, weil er in all diesen Ländern gewe­sen war: „Einige dieser Menschen sind keine Kommu­nis­ten, Ronnie, nicht so wie du und ich es sind.“ Das hat mich zunächst irri­tiert, und ich musste es mit ihm weiter disku­tie­ren. Es ging um die Tatsa­che, dass nach 1945, wenn man sich ein Land wie Ungarn anschaut, nur sehr wenige der Vorkriegs­kom­mu­nis­ten über­lebt hatten. Ihre Parteien waren ziem­lich klein, und es gab eine Menge Oppor­tu­nis­ten und Karrie­ris­ten, die viel­leicht einige posi­tive Aspekte hatten, die kamen, um Jobs zu über­neh­men. Sie waren aber nicht die Art von wirk­lich gebil­de­ten Kommu­nis­ten mit einem wirk­li­chen Verständ­nis, wie wir es in Bezug auf Südafrika sahen, also die Art von Menschen, die sich nicht nur in unse­rem Land, sondern auch in ande­ren Ländern der Drit­ten Welt den natio­na­len Befrei­ungs­be­we­gun­gen ange­schlos­sen haben. Ich spre­che hier von Mosam­bik, Angola und Südafrika, wo Menschen nicht aus densel­ben Grün­den in die Parteien und Bewe­gun­gen eintra­ten und Posi­tio­nen einnah­men, aus denen sich diese Kommu­nis­ten in den von uns bespro­che­nen Ländern betei­lig­ten. Das ist ein sehr großer Unterschied.

 

“Die Notwen­dig­keit der Demo­kra­tie in solchen Gesell­schaf­ten und die Aufrecht­erhal­tung ihres demo­kra­ti­schen Geis­tes inner­halb der Partei wird also zu einer großen Heraus­for­de­rung für den Wieder­auf­bau des sozia­lis­ti­schen Projekts.”

 

Das ist eine Frage, die sich für das sozia­lis­ti­sche Projekt stellt: Wie können wir die Errun­gen­schaf­ten einer Revo­lu­tion aufbauen und schüt­zen, die von außen so bedroht ist, dass man soge­nannte, ich sage soge­nannte, „stali­nis­ti­sche Maßnah­men“ ergrei­fen muss, um mit der äuße­ren und sogar mit der inne­ren Subver­sion fertig zu werden. Man hat nicht oft die Art von Markus Wolf, die so ausge­klü­gelt ist, und ich kann euch sagen, dass er im Vergleich zu den Leuten, mit denen ich in der Sowjet­union zu tun hatte, ganz und gar einzig­ar­tig war. Wir haben gese­hen, was mit der Sowjet­union nach 1990–91 durch Gorbat­schow und Jelzin und dann durch den Neoli­be­ra­lis­mus usw. geschah.

 

Slovos Pamphlet über die Notwen­dig­keit der Demo­kra­tie in solchen Gesell­schaf­ten und die Aufrecht­erhal­tung ihres demo­kra­ti­schen Geis­tes inner­halb der Partei wird also zu einer großen Heraus­for­de­rung für den Wieder­auf­bau des sozia­lis­ti­schen Projekts. Hat es Poten­zial? Ja, denn der Impe­ria­lis­mus, das inter­na­tio­nale Kapi­tal, ist mit inhä­ren­ten inne­ren und unlös­ba­ren Wider­sprü­chen konfron­tiert und versucht, mit diesen auf sehr extreme Weise umzu­ge­hen, auch im Hinblick darauf, wie insbe­son­dere die USA, die EU und die NATO mit China und Russ­land umge­hen. Beide versu­chen, ihre Wirt­schaft und ihre Handels­fä­hig­kei­ten auf der Welt­bühne zu entwi­ckeln, was die USA – ange­sichts der Natur des Kapi­tals, des Unter­neh­mens­ka­pi­tals, des Finanz­ka­pi­tals und der inne­ren Wider­sprü­che – natür­lich nicht wollen. Wenn man sich anschaut, wie sie mit ihrem eige­nen Volk umge­hen – ihren Arbei­tern, den ethni­schen Grup­pen, der schwar­zen Bevöl­ke­rung usw. – sehen wir, wie nieder­träch­tig diese Herr­schaft ist und wie bösar­tig sie an dem Impe­rium fest­hal­ten und ihre Hege­mo­nie durch­set­zen und aufrecht­erhal­ten, weil sie so bedroht ist.

 

Unter dieser Bedro­hung begin­nen wir, ein Phäno­men und neue Entwick­lun­gen zu sehen: Die west­li­chen Länder waren scho­ckiert, dass die Welt nicht auf sie zustürmte, als sie sich für Sank­tio­nen und eine Verur­tei­lung Russ­lands stark mach­ten. Obwohl sie behaup­ten, dass die Mehr­heit, nämlich 140 Länder, in der UNO für sie stimm­ten, verges­sen sie zu rech­nen und zusam­men­zu­zäh­len, was Indien und China tatsäch­lich zählen, was Brasi­lien und Südafrika und Indo­ne­sien und sogar Länder wie Saudi-Arabien und so viele in Afrika zählen, die sich weigern, der west­li­chen Linie zu folgen. Natür­lich ist es sehr schwie­rig, das Ergeb­nis vorher­zu­sa­gen. Es ist ein sehr erbit­ter­ter Kampf. Russ­land muss sich aus offen­sicht­li­chen Grün­den in exis­ten­zi­el­ler Weise vertei­di­gen, ange­sichts der Geschichte, die es durch­lebt hat, und der Provo­ka­tio­nen der USA sowie der Expan­sion der NATO.

 

Man würde es ungern sehen, wenn der Welt die Weisung Washing­tons aufer­legt würde. Denn wenn wir uns das anschauen, sehen wir, dass ein echter Zyklus statt­fin­det. Ist es nur ein Zufall, dass zu diesem Zeit­punkt vom Balti­kum bis zum Balkan entlang der russi­schen Grenze alle Länder — mit Ausnahme Polens — Teil einer Achse unter Nazi-Deutsch­land waren und jetzt unter der NATO sind? Ich sage zwar, abge­se­hen von Polen, aber wenn wir uns die Geschichte Polens anse­hen: Es war zwischen Deutsch­land und der Sowjet­union einge­klemmt, und dann gab es den spezi­el­len Pakt, der wiederum kein Pakt war, der den Nazis­mus mit dem Stali­nis­mus gleich­setzt, sondern aufgrund der Geopo­li­tik und der Art und Weise, wie die Sowjet­union wahr­nahm, dass Polen der gegen Moskau gerich­tete „Dolch“ war. Wir wuss­ten sehr wohl, wie reak­tio­när der polni­sche Natio­na­lis­mus durch die Jahr­hun­derte hindurch war und wie ultra-reak­tio­när der Natio­na­lis­mus heute als Teil Litau­ens, Estlands, Lett­lands, insbe­son­dere dieser balti­schen Staa­ten, Polens und dann der Ukraine ist.

 

Ich meine nur, was hat es mit dieser Achse und dieser Ausrich­tung auf sich und der Tatsa­che, dass — ich sage nicht, dass es genau rich­tig ist, aber es ist ziem­lich inter­es­sant — dass die Achse unter der NATO nicht nur die soge­nann­ten libe­ra­len bürger­li­chen Demo­kra­tien Euro­pas an Bord hat, sondern auch die ultra­rech­ten, neofa­schis­ti­schen Länder vom Balti­kum bis zum Schwar­zen Meer. Dafür gibt es die glei­che Grund­lage. Wenn wir uns Europa, die USA und das Schlacht­feld, das Europa über Jahr­hun­derte hinweg war, einschließ­lich der beiden Welt­kriege, anse­hen, dann ist es auf den Osten ausge­rich­tet, insbe­son­dere durch zentrale Staa­ten wie Deutsch­land und denen Osteu­ro­pas, die auf die riesi­gen Lände­reien und die Ressour­cen Russ­lands blicken, auf die seit der Zeit der Schwe­den und des litaui­schen und polni­schen Reiches geblickt wird. Natür­lich verste­hen wir, dass Russ­land jetzt ein kapi­ta­lis­ti­sches Land ist, aber was könnte bei dieser Art von Zusam­men­stoß heraus­kom­men, denn Russ­land zeigt seine Stärke und es gibt die Alli­anz mit China und den Entwick­lungs­län­dern des globa­len Südens, die nicht bedeu­tungs­los sind. Eine sehr wich­tige Rolle spie­len sie in Bezug auf die BRICS, und jetzt, da wir Lula in Brasi­lien an der Macht haben, verleiht das dem Ganzen noch mehr progres­si­ven Charak­ter. Es gibt also eine gewal­tige Konfron­ta­tion, und was wir im Hinblick auf die Posi­tion Südafri­kas und so vieler afri­ka­ni­scher Länder sowie der Länder Latein­ame­ri­kas und Asiens beden­ken müssen, ist, dass die Block­frei­heit für uns ein Schlüs­sel­fak­tor ist, damit wir nicht in die Achse von Washing­ton und Brüs­sel hinein­ge­zo­gen werden. Entschei­dend ist jetzt eine diplo­ma­ti­sche Verhand­lungs­lö­sung, die der Westen und die NATO nicht wollen. Sie haben Selen­skyj daran gehin­dert, sie brin­gen die ganze Welt im Zeit­al­ter einer mögli­chen nuklea­ren Konfron­ta­tion in Gefahr. Es ist also eine sehr gefähr­li­che Zeit und sie erfor­dert die inter­na­tio­nale Soli­da­ri­tät der fort­schritt­li­chen Kräfte in der Welt.

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