Deine Feinde zerstörten ein Palästina; meine Wunden offenbaren viele Palästinas. 

Der neunundvierzigste Newsletter (2023)

Malak Mattar (Paläs­tina), A Life Stolen Before It Had Begun, 2023.

Liebe Freund*innen,

 

Grüße aus dem Büro von Tricon­ti­nen­tal: Insti­tute for Social Rese­arch.

 

Die Abscheu­lich­keit des Begriffs «huma­ni­täre Pause» ist offen­sicht­lich. Ein kurzes Inter­mezzo zwischen schreck­li­chen Gewalt­aus­brü­chen hat nichts Huma­ni­tä­res an sich. Es gibt keine echte «Pause», sondern nur die Ruhe vor dem Sturm. Wir sind Zeugen der Büro­kra­ti­sie­rung der Unmo­ral, der Verwen­dung alter Worte mit großer Bedeu­tung («huma­ni­tär») und ihrer Redu­zie­rung auf neue, leere Phra­sen, die ihre ursprüng­li­che Bedeu­tung verfäl­schen. Noch bevor die Trüm­mer der ersten israe­li­schen Bomben­ab­würfe besei­tigt werden konn­ten, wurden die Bombar­die­run­gen genauso brutal fort­ge­setzt wie zuvor.

 

Das Wort «huma­ni­tär» ist vom Westen schwer beschä­digt worden. Viel­leicht erin­nert ihr euch an einen ande­ren Begriff, die «huma­ni­täre Inter­ven­tion», die als Deck­man­tel für die Zerstö­rung Liby­ens im Jahr 2011 verwen­det wurde, nach­dem die Legi­ti­mi­tät west­li­cher Mili­tär­in­ter­ven­tio­nen durch die ille­gale US-Inva­sion im Irak im Jahr 2003 ruiniert worden war. Um diese Legi­ti­mi­tät wieder­her­zu­stel­len drängte der Westen die Verein­ten Natio­nen dazu, eine Konfe­renz abzu­hal­ten, die zu einer neuen Doktrin, der Schutz­ver­ant­wor­tung (Respon­si­bi­lity to Protect, kurz R2P), führte, die zwar zum Ziel hatte, «sicher­zu­stel­len, dass die inter­na­tio­nale Gemein­schaft nie wieder versagt, Massen­grau­sam­kei­ten wie Völker­mord, Kriegs­ver­bre­chen, ethni­schen Säube­run­gen und Verbre­chen gegen die Mensch­lich­keit Einhalt zu gebie­ten», dem Westen aber statt­des­sen ein Mandat des UN-Sicher­heits­rats (gemäß Kapi­tel VII der UN-Charta) für die Anwen­dung von Gewalt gab. Der Angriff auf Libyen im Jahr 2011 fand unter dieser Doktrin statt. Unter dem Deck­man­tel der Huma­ni­tät wurde der liby­sche Staat zerstört und das Land in einen schein­bar perma­nen­ten Bürger­krieg gestürzt. Bei der israe­li­schen Bombar­die­rung des Gaza­strei­fens wird niemals ein Wort über R2P verlo­ren (weder 2008-09 noch 2014 noch jetzt).

 

Es scheint keine Rolle zu spie­len, dass seit dem 7. Okto­ber mehr Palästinenser*innen von Israel vertrie­ben und getö­tet wurden als bei der Nakba («Kata­stro­phe») von 1948. Wenn das Wort «huma­ni­tär» 1948 irgend­et­was bedeu­tete, so hat es heute mit Sicher­heit seine Bedeu­tung weit­ge­hend verloren.

Hanaa Malal­lah (Irak), The Looting of the Museum of Art, 2003.

Mit der stei­gen­den Zahl der Toten und Vertrie­be­nen wächst auch das Gefühl der Ohnmacht. Es begann mit hundert Toten, dann kamen weitere hundert hinzu, und die Zahl der Toten stieg rasch in die Zehn­tau­sende. Im Irak wurden durch den US-Angriff etwa eine Million Menschen getö­tet, wobei das schiere Ausmaß des Todes und die Anony­mi­tät, die ihn umga­ben, ein Gefühl der Distanz zum Rest der Welt vervor­b­re­ach­ten. Es ist schwie­rig, diese Zahlen zu begrei­fen, wenn nicht zu jedem der Toten und Vertrie­be­nen eine Geschichte gehört. 

 

Ein Teil des Problems besteht darin, dass die inter­na­tio­nale Auftei­lung der Mensch­heit zu einer unge­rech­ten Wert­schät­zung des mensch­li­chen Lebens führt: Wurden die in Gaza getö­te­ten Palästinenser*innen mit der glei­chen Würde behan­delt wie die am 7. Okto­ber getö­te­ten Israe­lis? Wird ihrem Leben und ihrem Tod der glei­che Wert beigemes­sen? Die unglei­che Reak­tion auf diese Todes­op­fer und die kritik­lose Hinnahme dieser Ungleich­heit deuten darauf hin, dass die inter­na­tio­nale Auftei­lung der Mensch­heit fort­be­steht und von den west­li­chen Staats- und Regie­rungs­chefs nicht nur akzep­tiert, sondern auch aufrecht­erhal­ten wird, die die Tötung von mehr brau­nen als weißen Menschen zulas­sen, wobei letz­tere als wert­voll und erstere als entbehr­lich ange­se­hen werden.

Abdel Rahman al-Muzayen (Paläs­tina), Ohne Titel, 2000.

Während der «huma­ni­tä­ren Pause» fand eine Geisel­über­gabe statt, bei der die Hamas und die paläs­ti­nen­si­schen Grup­pie­run­gen 110 Israe­lis frei­lie­ßen, während Israel 240 paläs­ti­nen­si­sche Frauen und Kinder frei­ließ. Die Geschich­ten der israe­li­schen Opfer, viele von ihnen Bewoh­ner von Sied­lun­gen in der Nähe des Gaza-Zauns, und ande­rer Geiseln wie der thai­län­di­schen und nepa­le­si­schen Feld­ar­bei­ter sind inzwi­schen bekannt. Die Geschich­ten der paläs­ti­nen­si­schen Opfer werden weni­ger häufig disku­tiert und sind weit weni­ger bekannt. Ebenso wenig beach­tet wird die Tatsa­che, dass Israel nach dem 7. Okto­ber eine Massen­kam­pa­gne zur Inhaf­tie­rung von über 3.000 Palästinenser*innen, darun­ter fast 200 Kinder, gestar­tet hat. Heute befin­den sich mehr Palästinenser*innen in israe­li­schen Gefäng­nis­sen als vor dem 7. Okto­ber. Allein in den ersten vier Tagen des Waffen­still­stands hat Israel fast so viele Palästinenser*innen verhaf­tet, wie es durch den Geisel­trans­fer frei­ge­las­sen hat. 

 

Es ist bemer­kens­wert, dass die meis­ten (mehr als zwei Drit­tel) der aus israe­li­schen Gefäng­nis­sen entlas­se­nen Palästinenser*innen nie eines Verbre­chens ange­klagt wurden und im Rechts­sys­tem des Mili­tärs in «Verwal­tungs­haft» gehal­ten werden, was bedeu­tet, dass sie ohne zeit­li­che Begren­zung, «ohne Prozess [und] ohne eine Straf­tat began­gen zu haben, mit der Begrün­dung fest­ge­hal­ten werden, dass er oder sie plant, in Zukunft das Gesetz zu brechen», wie die Menschen­rechts­or­ga­ni­sa­tion B’tse­lem defi­niert. Einige von ihnen haben sich auf unbe­stimmte Zeit im Laby­rinth des israe­li­schen Gefäng­nis­sys­tems verirrt, unfä­hig, auch nur das elemen­tarste Recht auf Habeas Corpus wahr­zu­neh­men, ohne dass sie vor Gericht erschei­nen, ohne Zugang zu juris­ti­schem Beistand und ohne Einsicht in die gegen sie vorlie­gen­den Beweise. In Israel sind derzeit mehr als 7.000 paläs­ti­nen­si­sche poli­ti­sche Gefan­gene inhaf­tiert, von denen viele mit linken Grup­pie­run­gen (wie der Volks­front für die Befrei­ung Paläs­ti­nas und der Demo­kra­ti­schen Front für die Befrei­ung Paläs­ti­nas) in Verbin­dung stehen. Mehr als 2.000 dieser Gefan­ge­nen befin­den sich in Verwaltungshaft.

 

Viele dieser paläs­ti­nen­si­schen Gefan­ge­nen sind Kinder. Viele von ihnen verbrin­gen Jahre im israe­li­schen System, oft in Verwal­tungs­haft, und sind nicht in der Lage, einen Antrag auf ihre Frei­las­sung zu stel­len. Die Orga­ni­sa­tion Defence for Child­ren Inter­na­tio­nal (Paläs­tina) berich­tet, dass jedes Jahr 500–700 Kinder inhaf­tiert werden, und ein erschre­cken­der Bericht des Kinder­hilfs­werks der Verein­ten Natio­nen (UNICEF) aus dem Jahr 2015 zeigte, dass Israel in vollem Umfang gegen die UN-Konven­tion über die Rechte des Kindes (1990) verstößt. Arti­kel 37 der Konven­tion besagt, dass «die Fest­nahme, der Gewahr­sam oder die Inhaf­tie­rung eines Kindes in Über­ein­stim­mung mit dem Gesetz erfol­gen und nur als letz­tes Mittel und für die kürzeste ange­mes­sene Zeit ange­wen­det werden darf». Wie mehrere Fälle zeigen, setzt Israel Verhaf­tun­gen als erstes Mittel ein und hält Kinder für lange Zeit­räume fest.

 

Defence for Child­ren Inter­na­tio­nal unter­suchte eides­statt­li­che Erklä­run­gen von 766 inhaf­tier­ten Kindern aus dem besetz­ten West­jor­dan­land, die zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 31. Dezem­ber 2022 fest­ge­nom­men wurden. Aus der Analyse erga­ben sich folgende Daten:

 

75 % waren körper­li­cher Gewalt ausgesetzt.

80 % wurden einer Leibes­vi­si­ta­tion unterzogen.

97 % wurden ohne die Anwe­sen­heit eines Fami­li­en­mit­glieds verhört.

66 % wurden nicht ordnungs­ge­mäß über ihre Rechte informiert.

55 % wurde ein Doku­ment gezeigt oder sie wurden zur Unter­schrift eines Doku­ments gezwun­gen, dass in Hebrä­isch verfasst war, einer Spra­che, die die meis­ten paläs­ti­nen­si­schen Kinder nicht verstehen.

59 % wurden nachts verhaftet.

86 % wurden nicht über den Grund ihrer Verhaf­tung informiert.

58 % wurden während oder nach ihrer Verhaf­tung beschimpft, gede­mü­tigt oder eingeschüchtert.

23 % wurden zu Verneh­mungs­zwe­cken zwei oder mehr Tage lang in Einzel­haft festgehalten.

Sliman Mansour (Paläs­tina), Prison, 1982.

Es gibt Tausende von Geschich­ten über die Bruta­li­tät, die paläs­ti­nen­si­schen Kindern ange­tan wird. Eines von ihnen, Ahmad Manasra, wurde am 12. Okto­ber 2015 im Alter von drei­zehn Jahren im besetz­ten Ostje­ru­sa­lem unter dem Vorwurf verhaf­tet, er habe zwei Israe­lis nieder­ge­sto­chen: Yosef Ben-Shalom, einen zwan­zig­jäh­ri­gen Wach­mann, und Naor Shalev Ben-Ezra, einen drei­zehn­jäh­ri­gen Jungen, der den Angriff über­lebte. Die israe­li­schen Gerichte befan­den Ahmad zunächst der Messer­ste­che­rei für schul­dig, änder­ten dann aber ihre Meinung und erklär­ten, sein fünf­zehn­jäh­ri­ger Cousin Hassan Khalid Manasra, der am Tatort erschos­sen wurde, habe die beiden Israe­lis ersto­chen. Es gab keine Beweise für Ahmads Mittä­ter­schaft, dennoch wurde er zu neun­ein­halb Jahren Haft verurteilt.

 

Der noch immer inhaf­tierte Ahmad Manasra (jetzt 21) wird seit Mona­ten in Einzel­haft gehal­ten. Khul­ood Badawi von Amnesty Inter­na­tio­nal berich­tete Ende Septem­ber, dass Ahmad «in die psych­ia­tri­sche Abtei­lung des Ayalon-Gefäng­nis­ses gebracht wurde, nach­dem er fast zwei Jahre in Isola­ti­ons­haft verbracht hatte. Die israe­li­sche Straf­voll­zugs­be­hörde hat eine Verlän­ge­rung von Ahmads Isola­ti­ons­haft um weitere sechs Monate bean­tragt und damit dreist gegen das Völker­recht versto­ßen. Einzel­haft von mehr als 15 Tagen verstößt gegen das abso­lute Verbot von Folter und ande­rer grau­sa­mer, unmensch­li­cher oder ernied­ri­gen­der Behandlung».

 

Ahmads Fall ereig­nete sich während einer Welle von so genann­ten «Messer­an­grif­fen», bei denen junge Paläs­ti­nen­ser beschul­digt wurden, mit Messern auf israe­li­sche Mili­tär­pos­ten zu stür­men und die dann erschos­sen wurden. Damals unter­suchte ich mehrere dieser Angriffe und stellte fest, dass sie auf wenig mehr als dem Wort israe­li­scher Solda­ten beruh­ten. So erschos­sen israe­li­sche Solda­ten am 17. Dezem­ber 2015 am Kontroll­punkt Huwwara den fünf­zehn­jäh­ri­gen Abdul­lah Hussein Ahmad Nasasra. Augen­zeu­gen berich­te­ten mir, dass der Junge die Hände in die Luft gestreckt hatte, als er tödlich getrof­fen wurde. Einer von ihnen, Nasser, sagte mir, dass es kein Messer gab und dass er «sah, wie sie den Jungen töte­ten». Kamal Badran Qaba­lan, ein Kran­ken­wa­gen­fah­rer, durfte die Leiche nicht bergen. Die Israe­lis woll­ten die Kontrolle über die Leiche und die Geschichte, die sie über sie erzäh­len würden.

 

Eine andere Geschichte ist die des drei­und­zwan­zig­jäh­ri­gen Anas al-Atrash in Hebron. Anas und sein Bruder Ismail kehr­ten von einer Arbeits­wo­che in Jeri­cho nach Hause zurück, ihr Auto war voll mit Obst und Gemüse. An einem Kontroll­punkt stieg Anas auf Anwei­sung aus dem Auto und wurde von einem israe­li­schen Solda­ten erschos­sen. Am nächs­ten Morgen berich­te­ten die israe­li­schen Medien, Anas habe versucht, die israe­li­schen Solda­ten zu töten. Der Jour­na­list Ben Ehren­reich, der mit uner­bitt­li­cher Wahr­heits­liebe über die Geschichte berich­tete, erkun­digte sich nach der Version der Fami­lie. Anas habe kein Inter­esse an Poli­tik, sagten sie ihm. Er studierte Buch­hal­tung und hoffte, bald zu heira­ten. Die israe­li­schen Solda­ten und Geheim­dienst­ler frag­ten Ismail immer wieder, ob sein Bruder ein Messer habe. Es gab einfach kein Messer. Anas war kalt­blü­tig ermor­det worden. «Dies ist ein wildes Land», sagte ein Augen­zeuge zu Ehren­reich. «Sie haben kein Scham­ge­fühl». Er meinte die israe­li­schen Soldaten.

Hakim Alakel (Jemen), aus der Serie The Eye of the Bird, 2013.

Die Gram­ma­tik der israe­li­schen Besat­zung besteht darin, Palästinenser*innen so lange unter Druck zu setzen, bis es zu einer Gewalt­tat kommt – etwa einem Messer­an­griff oder auch einem fingier­ten Messer­an­griff – und dieses Ereig­nis dann als Vorwand zu nutzen, um die Vertrei­bung der Palästinenser*innen durch weitere ille­gale Sied­lun­gen weiter­zu­ver­fol­gen. Die Ereig­nisse, die auf den 7. Okto­ber folg­ten, folgen dieser Logik. Israel hat Menschen wie Anas, Abdul­lah und Ahmad und die erfun­de­nen Geschich­ten über ihre angeb­li­chen Verbre­chen als Vorwand benutzt, um den Abriss paläs­ti­nen­si­scher Häuser zu verstär­ken und ille­gale israe­li­sche Sied­lun­gen auszu­bauen, wodurch die perma­nente Nakba beschleu­nigt wird.

 

Vor zehn Jahren traf ich mich mit Profes­so­rin Nadera Shal­houb-Kevor­kian, die an der Hebräi­schen Univer­si­tät Jeru­sa­lem lehrt. Shaloub-Kevor­kian unter­sucht, wie die Besat­zung eine alltäg­li­che Form der Opfer­rolle erzeugt, die sich von den Stra­ßen bis in die intims­ten Räume der paläs­ti­nen­si­schen Bevöl­ke­run­ger­streckt. Ihr Buch Secu­rity Theo­logy, Surveil­lance, and the Poli­tics of Fear («Sicher­heits­theo­lo­gie, Über­wa­chung und die Poli­tik der Angst», 2015) gibt einen Einblick in die Indus­trie der Angst, die durch die alltäg­li­che Gewalt von Siedler*innen und Mili­tär gegen Palästinenser*innen erzeugt und repro­du­ziert wird, einschließ­lich der Schwie­rig­kei­ten, mit denen Palästinenser*innen bei der Geburt und bei der Beer­di­gung ihrer Toten konfron­tiert sind. Shal­houb-Kevor­kian schreibt, dass das Ausmaß der Gewalt und der Unge­wiss­heit paläs­ti­nen­si­sche Frauen davon spre­chen lässt, dass sie «gewürgt, erstickt oder gekne­belt werden» und dass viele ihrer Kinder ihren Lebens­wil­len verlo­ren haben. In Paläs­tina gibt es ein weit verbrei­te­tes sozia­les Trauma, das Shal­houb-Kevor­kian als «Sozio­zid» bezeich­net: den Gesellschaftstod.

 

Mehr als fünf­zig Jahre Besat­zung und Krieg haben eine selt­same Dyna­mik geschaf­fen. Sowohl Ehren­reichs als auch Shal­houb-Kevor­ki­ans Arbeit bieten Einbli­cke in diesen Wahn­sinn. Shal­houb-Kevor­kian, die in Jeru­sa­lem lebt, erzählte mir, dass sie zu einer Gruppe von Frauen gehört, die jeden Tag paläs­ti­nen­si­sche Kinder zur Schule beglei­ten, da es für sie zu gefähr­lich ist, sich der Poli­zei und den Siedler*innen allein oder sogar in Beglei­tung ihrer paläs­ti­nen­si­schen Fami­lie und Freunde zu stel­len. «Bikhawf­uni!» («Sie machen mir Angst!»), sagte ein Mädchen, Marah (8 Jahre), zu ihr. 

 

In der Schule malten die Kinder Bilder. Eines von ihnen hatte einen Clown gemalt, einen paläs­ti­nen­si­schen Clown. Als Shal­houb-Kevor­kian das Kind (9 Jahre) fragte, was ein paläs­ti­nen­si­scher Clown sei, erklärte es: «Es ist ein paläs­ti­nen­si­scher Clown. Die Clowns in Paläs­tina weinen».

Abdul Rahim Nagori (Paki­stan), Sabra and Shatila, 1982.
 

Der Dich­ter Faiz Ahmed Faiz, der nach dem Mili­tär­putsch in Paki­stan 1977 nach Beirut zog, um die Zeit­schrift Lotus heraus­zu­ge­ben, schrieb mit Entset­zen über die Notlage und den Kampf der Palästinenser*innen:


Tere aaqa ne kiya ek Filis­tin barbaad

Mere zakhmon ne kiye kitne Filis­tin aabaad.


Deine Feinde zerstör­ten ein Palästina; 

meine Wunden offen­ba­ren viele Palästinas



Faiz’ Gedicht «A Lullaby for a Pales­ti­nian Child», geschrie­ben während der israe­li­schen Inva­sion im Liba­non 1982, spie­gelt die Reali­tät wider, mit der paläs­ti­nen­si­sche Kinder heute konfron­tiert sind:


Weint nicht, Kinder.

Eure Mutter hat sich gerade in den Schlaf geweint.


Weint nicht, Kinder.

Euer Vater hat soeben diese Welt des Kummers verlassen.


Weint nicht, Kinder,

Euer Bruder ist in einem frem­den Land.

Auch eure Schwes­ter ist dort­hin gegangen.


Weint nicht, Kinder.

Die tote Sonne ist gerade geba­det worden und der Mond ist im Hof begraben.


Weint nicht, Kinder.

Denn wenn ihr weint,

werden eure Mutter, euer Vater, euer Bruder und eure Schwester

Und die Sonne und der Mond

euch noch mehr zum Weinen bringen.


Viel­leicht, wenn ihr lächelt,

kommen sie eines Tages zurück, verkleidet

um mit dir zu spielen. 



Herz­lichst, 

Vijay

 

 

 

 

Aus dem Engli­schen von Claire Louise Blaser.