Die wilde Entschlossenheit gewöhnlicher Menschen, eine außergewöhnliche Welt zu schaffen.
Der neunundvierzigste Newsletter (2021).
Liebe Freund*innen,
Grüße aus dem Büro des Tricontinental: Institute for Social Research.
Der Präsident der Vereinigten Staaten, Joe Biden, hat 111 Länder zur Teilnahme an seinem Gipfel für Demokratie am 9. und 10. Dezember eingeladen, der am Tag der Menschenrechte endet. «Wir heißen alle Länder, Organisationen und Einzelpersonen willkommen, die die Ziele des Gipfels unterstützen», schrieb das US-Außenministerium. Es gibt jedoch 82 Länder, die nicht eingeladen wurden, darunter zwei große Länder, die ständige Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sind (die Volksrepublik China und Russland), und zwei kleine Länder aus der Karibik (Kuba und Haiti). Im Namen der Demokratie treibt die US-Regierung ihre eigene Agenda voran, um ihre Macht zu konsolidieren und ihre nationalen Interessen zu fördern. Es handelt sich weniger um einen Gipfel für Demokratie als vielmehr um einen Gipfel zur Zusammenführung einer Gruppierung, die das angeschlagene Image der Vereinigten Staaten aufpolieren soll.
Inwiefern angeschlagen? Der Demokratie-Index der Intelligence Unit des Economist bezeichnet die Vereinigten Staaten als eine «mangelhafte Demokratie», was angesichts der Quelle erstaunlich ist. Was macht sie «mangelhaft»? Drei Punkte veranschaulichen dies: (1) der Wahlprozess in den USA wird durch den korrumpierenden Einfluss von Geld und Lobbygruppen beeinträchtigt, während die Aushöhlung des Wahlrechtsgesetzes sozialen Minderheiten den Zugang zu den Wahlurnen erschwert; (2) die USA haben die höchste Inhaftierungsrate der Welt, wobei soziale Minderheiten eindeutig benachteiligt werden – insbesondere bei der Verhängung der Todesstrafe; (3) die USA haben ihre Kontrolle über das globale Finanzsystem und ihr immenses Militär eingesetzt, um Ländern auf der ganzen Welt Leid zuzufügen, was alles im Widerspruch zur Charta der Vereinten Nationen steht.
Das Ziel des Gipfels besteht nicht nur darin, entgegen allen Tatsachen zu suggerieren, dass die USA eine blühende Demokratie sind, sondern auch darin, die erhabene Idee der Demokratie zu nutzen, um den von den USA angezettelten hybriden Krieg gegen ihre Gegner (vor allem China und Russland, aber auch Kuba, Iran und Venezuela) anzuheizen. Dies ist ein grober und zynischer Missbrauch demokratischer Ideale, die zur Entfaltung des gesamten menschlichen Potenzials mobilisiert werden sollten, anstatt zu einem Instrument der Kriegsführung gemacht zu werden.
Die Welt hat bereits einen regelmäßigen Demokratie-Gipfel. Es ist die Generalversammlung der Vereinten Nationen. Sie eröffnet ihre Sitzung jedes Jahr im September, und die Regierungschef*innen kommen, um ihre Sichtweise zu den Dilemmata der Menschheit darzulegen. Was die UN-Generalversammlung zusammenhält, ist nicht die Laune dieser oder jener mächtigen Nation, sondern eines der grundlegendsten Dokumente in der Geschichte der Menschheit: die UN-Charta, die im Juni 1945 von den einundfünfzig Ländern, die die UN gegründet haben, angenommen wurde. Heute zählt die UNO 193 Mitglieder, von denen jedes einzelne die Charta unterzeichnet hat. Jeder Staat im UN-System ist verpflichtet, die Charta zu befolgen, was sie zum wichtigsten Konsensdokument der Welt macht. Artikel 2 der Charta ist in zwei Punkten eindeutig: (1) dass die UNO auf der «souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder» beruht und (2) dass die UNO-Mitglieder «ihre internationalen Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln regeln» müssen. Die Mittel sind in den Kapiteln VI und VII der Charta aufgeführt, wobei genau festgelegt ist, dass kein Land einem anderen Land Schaden zufügen darf, es sei denn, es liegt eine Resolution des UN-Sicherheitsrats vor, die zum Handeln auffordert; ohne die Ermächtigung der UNO kann keine Aktion durchgeführt werden.
Unterdessen haben die USA seit 1961 eine verheerende Blockade gegen das souveräne Volk von Kuba verhängt. Diese Blockade ist illegal und war es von Anfang an, da sie nicht durch die UN-Charta genehmigt ist. Aus diesem Grund haben die Mitglieder der UN-Generalversammlung in überwältigender Zahl dafür gestimmt, dass die USA ihre illegale Blockade der letzten dreißig Jahre aufgeben. In diesem Jahr stimmten 184 Länder gegen die USA. «Die Blockade erstickt uns und tötet», sagte der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez Parrilla. «Sie muss aufhören».
Kuba, ein kleiner Inselstaat mit 11 Millionen Einwohner*innen, hat die Sicherheit der Vereinigten Staaten nie bedroht. Die kubanische Regierung hat nie versucht, in die Vereinigten Staaten einzumarschieren. In der Tat wäre die Idee absurd, da die USA über das tödlichste und schlagkräftigste Militär der Welt verfügen und jeden vernichten würden, der versuchte, sie anzugreifen (wie sie es mit Japan nach 1941 und mit Al-Qaida nach 2001 getan haben). Wenn Kuba keine Bedrohung für die USA darstellt, warum haben die USA dann diese illegale Blockade gegen Kuba aufrechterhalten?
Als Folge der grausamen Geschichte des Kolonialismus und der Versklavung wurde die Wirtschaft Kubas vor der Revolution durch die Zuckerproduktion und den Tourismus erstickt. Es ist nicht einfach, den Sozialismus in einem armen Land aufzubauen, dessen Wirtschaft als Spielwiese für Imperialisten gestaltet wurde. In Kuba gibt es nur wenige Edelmetalle und Mineralien, die sonst die Aufmerksamkeit der Kapitalisten in Ländern wie den USA auf sich ziehen würden. Warum also haben die USA die illegale Blockade gegen Kuba aufrechterhalten, wo es doch keine nennenswerten Bodenschätze gibt?
Die engste Parallele zu Kuba ist eine andere Karibikinsel, Haiti, mit ebenfalls 11 Millionen Einwohnern, ebenfalls mit wenigen natürlichen Ressourcen, die für die Kapitalisten nützlich sind, und ohne Bedrohung für die Sicherheit der Vereinigten Staaten. Seit der Revolution von 1804 wurde Haiti jedoch unterdrückt, sein Reichtum ausgebeutet und seine Bevölkerung gezwungen, mindestens 21 Milliarden US-Dollar an «Reparationen» für das Eigentum – einschließlich Menschen – zu zahlen, das sie im Zuge ihres Kampfes gegen das Sklavenplantagensystem befreit hatten. Haiti wurde ein Gewaltregime aufgezwungen, das bis heute anhält, ein schreckliches System der Diktatur und des politischen Chaos, alles zum Vorteil der Vereinigten Staaten.
Was ist der Grund für diese Feindseligkeit gegenüber Kuba und Haiti?
Es ist die Kühnheit, mit der sie für ihre Souveränität eintreten und das Versprechen, eine Gesellschaft aufzubauen, die nicht auf die Bedürfnisse der imperialistischen Mächte ausgerichtet ist. Das haitianische Volk sagte Nein zur Sklaverei, als die Wirtschaft der USA und Europas auf der kostenlosen Arbeit der versklavten Völker der Karibik beruhte. Dieser Akt der Befreiung des haitianischen Volkes war unverzeihlich, und aus diesem Grund musste Haiti bestraft und sein Demokratieprojekt im Keim erstickt werden. Wenn es erfolgreich verliefe, würden die haitianischen Maroons anderen unterdrückten Völkern als Vorbild dienen, und so musste dieses Beispiel ausgelöscht werden.
Kuba hat sich, wie Haiti, aus den Fängen des Imperialismus und seiner Mafia befreit. Die revolutionäre Regierung war – und ist – dem Aufbau eines souveränen Projekts verpflichtet. Sie schuf ein Herrschaftssystem, das die Interessen des Volkes über den Profit stellte, sorgte dafür, dass die Ernährung, die Alphabetisierung, die Gesundheit und die Kultur des Volkes an erster Stelle standen, und baute ein Modell des Sozialismus in einem sehr armen Land auf. Auch das Beispiel der kubanischen Revolution muss von den Imperialisten ausgelöscht werden, dieser Erfolg kann nicht geduldet werden, ebenso wenig wie die unbändige Entschlossenheit der einfachen Menschen, eine außergewöhnliche Welt aufzubauen.
In der haitianischen Unabhängigkeitserklärung von 1804 schrieben die mutigen Revolutionär*innen: «Wir haben es gewagt, frei zu sein. Lasst uns also unter uns und für uns selbst sein». Die Haitianer*innen seien frei, schrieben sie, aber nicht die Franzosen. Die Franzosen «haben erobert, sind aber nicht mehr frei», weil sie – wie die herrschenden Eliten der Vereinigten Staaten – in den Phantasien des Imperialismus und in ihrem Hunger nach Kapitalakkumulation gefangen sind. In diesem Traum gibt es keine Freiheit und auch keine Demokratie.
Herzlichst,
Vijay