Washington schlägt die Trommel des Regimewechsels, aber Kuba antwortet mit seinem revolutionären Rhythmus.
Der neunundzwanzigste Newsletter (2021).
Liebe Freund*innen,
Grüße vom Schreibtisch des Tricontinental: Institute for Social Research.
Im Jahr 1963 veröffentlichte der trinidadische Schriftsteller C.L.R. James eine zweite Auflage seiner klassischen Studie über die haitianische Revolution von 1938, The Black Jacobins: Toussaint L’Ouverture and the Revolution von San Domingo («Die schwarzen Jakobiner. Toussaint L’Ouverture und die San-Domingo-Revolution»). Für die neue Ausgabe schrieb James einen Anhang mit dem suggestiven Titel «Von Toussaint L’Ouverture zu Fidel Castro». Auf der ersten Seite des Anhangs verortet er die Zwillingsrevolutionen von Haiti (1804) und Kuba (1959) im Kontext der Westindischen Inseln: «Die Menschen, die sie gemacht haben, die Probleme und die Versuche, sie zu lösen, sind eigentümlich westindisch, das Produkt einer eigentümlichen Herkunft und einer eigentümlichen Geschichte». Dreimal verwendet James das Wort peculiar, das sich aus dem lateinischen peculiaris für «Privateigentum» ableitet (pecu ist das lateinische Wort für «Vieh», das wesentliche Eigentum der Antike).
Eigentum ist das Herzstück der Entstehung und Geschichte der modernen Westindischen Inseln. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts hatten die europäischen Eroberer und Kolonialist*innen die Bewohner*innen der Westindischen Inseln massakriert. Auf St. Kitts massakrierten englische und französische Kolonialist*innen 1626 zwischen zwei- und viertausend Karib*innen – darunter Häuptling Tegremond – im Kalinago-Genozid, über den Jean-Baptiste Du Tertre 1654 schrieb. Nachdem Europäer*innen die einheimischen Einwohner*innen der Insel vernichtet hatten, brachten sie afrikanische Männer und Frauen ins Land, die sie gefangen genommen und versklavt hatten. Was die Westindischen Inseln eint ist nicht Sprache und Kultur, sondern das Elend der Sklaverei, das in einer ausbeuterischen Plantagenwirtschaft wurzelt. Sowohl Haiti als auch Kuba sind Produkte dieser «Eigenheit». Die eine Insel war kühn genug, die Fesseln 1804 zu sprengen, und die andere folgte eineinhalb Jahrhunderte später.
Jetzt schlägt die Stunde der Krise in der Karibik.
Am 7. Juli drangen in Port-au-Prince bewaffnete Männer in das Haus von Präsident Jovenel Moïse ein, ermordeten ihn kaltblütig und flohen dann. Das Land, das durch die Politik des ermordeten Präsidenten bereits von sozialen Unruhen gebeutelt war, ist nun noch tiefer in die Krise gestürzt. Moïse hatte sein Präsidentschaftsmandat schon über seine Amtszeit hinaus verlängert, während das Land mit anderen Lasten kämpfte: Es war abhängig von internationalen Organisationen, gefangen in einer jahrhundertelangen Wirtschaftskrise und von der Pandemie hart getroffen. Proteste wurden in ganz Haiti alltäglich, als die Preise für alles in die Höhe schossen und keine effektive Regierung der verzweifelten Bevölkerung zu Hilfe kam. Aber Moïse wurde nicht wegen dieser unmittelbaren Krise getötet. Da sind mysteriöse Kräfte am Werk: in den USA ansässige haitianische Religionsführer, Drogenhändler und kolumbianische Söldner. Es ist eine Geschichte, die eigentlich in einen fiktiven Thriller gehört.
Vier Tage nach der Ermordung Moïses kam es in Kuba zu einer Reihe von Protesten der Bevölkerung, die ihre Frustration über den Mangel an Gütern und einen Anstieg der COVID-19-Infektionen bekundete. Innerhalb weniger Stunden nach Bekanntwerden der Proteste ging Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel auf die Straßen von San Antonio de los Baños, südlich von Havanna, um mit den Demonstranten zu marschieren. Díaz-Canel und seine Regierung erinnerten die elf Millionen Kubaner daran, dass das Land unter der sechs Jahrzehnte andauernden illegalen US-Blockade heftig gelitten hat, dass es von Trumps 243 zusätzlichen «Zwangsmaßnahmen» betroffen ist und dass es die Zwillingsprobleme COVID-19 und Schuldenkrise mit seiner charakteristischen Entschlossenheit bekämpfen wird.
Nichtsdestotrotz versuchte eine böswillige Social-Media-Kampagne, diese Proteste als Zeichen dafür zu deuten, dass die Regierung von Díaz-Canel und die kubanische Revolution gestürzt werden sollte. Ein paar Tage später wurde klar, dass diese Kampagne von Miami, Florida in den Vereinigten Staaten aus betrieben wurde. In Washington, DC wurden die Trommeln des Regimewechsels lautstark geschlagen. Aber sie haben in Kuba kein großes Echo gefunden. Kuba hat seinen eigenen revolutionären Rhythmus.
Im Jahr 1804 sandte die haitianische Revolution – ein Aufstand des Plantagenproletariats, das gegen die Agrarfabriken streikte, die Zucker und Profit produzierten – ein Signal der Freiheit für die kolonisierte Welt. Eineinhalb Jahrhunderte später setzten die Kubaner*innen ihr eigenes Zeichen.
Die Antwort der versteinerten Magnaten in Paris und Washington auf jede dieser Revolutionen war die gleiche: das Aufflammen der Freiheit durch Entschädigungen und Blockaden zu ersticken. 1825 verlangten die Franzos*innen mit Gewalt, dass die Haitianer*innen 150 Millionen Francs für den Verlust von Eigentum (nämlich von Menschen) zahlen sollten. Alleingelassen in der Karibik sahen die Haitianer*innen keine andere Wahl, als zu zahlen, und das taten sie – an Frankreich (bis 1893) und dann an die Vereinigten Staaten (bis 1947). Die Gesamtrechnung über die 122 Jahre beläuft sich auf 21 Milliarden Dollar. Als Haitis Präsident Jean-Bertrand Aristide 2003 versuchte, diese Milliarden von Frankreich zurückzufordern, wurde er durch einen Staatsstreich aus dem Amt entfernt.
Nachdem die Vereinigten Staaten 1898 Kuba besetzt hatten, führten sie die Insel wie einen Gangsterspielplatz. Jeder Versuch der Kubaner*innen, ihre Souveränität auszuüben, wurde mit schrecklicher Gewalt niedergeschlagen, einschließlich Invasionen durch US-Truppen in den Jahren 1906–1909, 1912, 1917–1922 und 1933. Die Vereinigten Staaten unterstützten General Fulgencio Batista (1940–1944 und 1952–1959) trotz aller Beweise für seine Brutalität. Schließlich schützte Batista US-Interessen, und US-Firmen besaßen zwei Drittel der Zuckerindustrie des Landes sowie fast den gesamten Dienstleistungssektor.
Die kubanische Revolution von 1959 steht gegen diese erbärmliche Geschichte – eine Geschichte der Sklaverei und der imperialen Herrschaft. Wie reagierten die USA? Indem sie ab dem 19. Oktober 1960 eine Wirtschaftsblockade über das Land verhängten, die bis heute andauert und alles betrifft, vom Zugang zu medizinischer Versorgung, Lebensmitteln und Finanzmitteln bis hin zum Verbot kubanischer Importe und dem Zwang für Drittländer, dasselbe zu tun. Es ist ein rachsüchtiger Angriff gegen ein Volk, das – wie die Haitianer*innen – versucht, seine Souveränität auszuüben. Kubas Außenminister Bruno Rodríguez berichtet, dass die Regierung zwischen April 2019 und Dezember 2020 aufgrund der Blockade 9,1 Milliarden Dollar verloren hat (436 Millionen Dollar pro Monat). «Zu aktuellen Preisen», sagte er, «belaufen sich die kumulierten Schäden in sechs Jahrzehnten auf über 147,8 Milliarden Dollar, und gemessen am Goldpreis sind es über 1,3 Billionen Dollar».
Keine dieser Informationen wäre verfügbar ohne die Präsenz von Medien wie Peoples Dispatch, das diese Woche sein dreijähriges Bestehen feiert. Wir senden unsere herzlichsten Grüße an das Team und hoffen, dass ihr ihre Seite als Lesezeichen speichert, um sie mehrmals täglich besuchen und Weltnachrichten, die die Kämpfe der Bevölkerungen ins Zentrum stellen, lesen zu können.
Am 17. Juli gingen Zehntausende Kubaner*innen auf die Straße, um ihre Revolution zu verteidigen und ein Ende der US-Blockade zu fordern. Präsident Díaz-Canel sagte, das Kuba der «Liebe, des Friedens, der Einheit, der Solidarität» habe sich durchgesetzt. In Solidarität mit diesem unerschütterlichen Bekenntnis haben wir einen Aufruf zur Teilnahme an der Ausstellung Let Cuba Live gestartet. Die Einreichungsfrist ist der 24. Juli für den Online-Start der Ausstellung am 26. Juli – dem Jahrestag der revolutionären Bewegung, die Kuba 1959 in die Revolution führte – aber wir ermutigen zu laufenden Einreichungen. Wir laden internationale Künstler*innen und Aktivist*innen ein, sich an dieser Blitzausstellung zu beteiligen, während wir die Kampagne #LetCubaLive zur Beendigung der Blockade weiter verstärken.
Wenige Wochen vor dem jüngsten Angriff auf Kuba und dem Attentat in Haiti führten die Streitkräfte der Vereinigten Staate in Guyana eine große Militärübung namens Tradewinds 2021 und eine weitere Übung in Panama namens Panamax 2021 durch. Unter der Autorität der Vereinigten Staaten schlossen sich eine Reihe europäischer Militärs (Frankreich, die Niederlande und das Vereinigte Königreich) – alle mit Kolonien in der Region – Brasilien und Kanada an, um Tradewinds mit sieben karibischen Ländern (den Bahamas, Belize, Bermuda, der Dominikanischen Republik, Guyana, Jamaika und Trinidad und Tobago) durchzuführen. Mit einer Machtdemonstration hatten die USA verlangt, dass der Iran im Juni, vor der US-gesponserten Militärübung, die Verbringung seiner Schiffe nach Venezuela einstellt.
Die Vereinigten Staaten sind bestrebt, die Karibik in ihr Meer zu verwandeln und die Souveränität der dortigen Inseln zu untergraben. Es war befremdend, dass Guyanas Premierminister Mark Phillips sagte, diese von den USA geführten Kriegsspiele stärkten das «regionale Sicherheitssystem der Karibik». Was sie tatsächlich tun, wie unser jüngstes Dossier über US-amerikanische und französische Militärbasen in Afrika zeigt, ist, die karibischen Staaten den US-Interessen unterzuordnen. Die USA nutzen ihre starke Militärpräsenz in Kolumbien und Guyana, um den Druck auf Venezuela zu erhöhen.
Souveräner Regionalismus ist der Karibik nicht fremd, die vier Versuche unternommen hat, eine Plattform aufzubauen: die Westindische Föderation (1958–1962), die Karibische Freihandelsassoziation (1965–1973), die Karibische Gemeinschaft (1973–1989) und CARICOM (1989 bis heute). Was als antiimperialistische Vereinigung begann, hat sich inzwischen zu einer Handelsvereinigung entwickelt, deren Bestreben es ist, die Region besser in den Welthandel zu integrieren. Die Politik der Karibik wird zunehmend in den Orbit der USA gezogen. Im Jahr 2010 schufen die USA die Caribbean Basic Security Initiative, deren Agenda von Washington bestimmt wird.
2011 wiederholte unser alter Freund Shridath Ramphal, Guyanas Außenminister von 1972 bis 1975, die Worte des großen Grenadianers T. A. Marryshow: «Die Westindischen Inseln müssen Westindisch sein». In seinem Artikel Is The West Indies West Indian? bestand er darauf, dass die bewusste Schreibweise von «The West Indies» mit einem großgeschriebenen «T» die Einheit der Region signalisiert. Ohne Einheit werden sich, wie so oft, die alten imperialistischen Zwänge durchsetzen.
1975 veröffentlichte die kubanische Dichterin Nancy Morejón ein wegweisendes Gedicht mit dem Titel Mujer Negra («Schwarze Frau»). Das Gedicht beginnt mit dem schrecklichen Menschenhandel der europäischen Kolonialist*innen, streift den Unabhängigkeitskrieg und landet schließlich bei der kubanischen Revolution von 1959:
Ich kam aus der Sierra herunter
um dem Kapital und Wucher ein Ende zu bereiten,
den Generälen und der Bourgeoisie.
Jetzt existiere ich: denn heute besitzen wir, schaffen wir.
Nichts ist uns fremd.
Das Land ist unseres.
Unser sind das Meer und der Himmel,
der Zauber und die Vision.
Meine Mitmenschen, hier sehe ich euch tanzen
um den Baum, den wir für den Kommunismus pflanzen.
Sein ergiebiges Holz erklingt schon.
Das Land ist unser. Die Souveränität ist auch unser. Unser Schicksal ist es nicht, als untergeordnete Wesen anderer zu leben. Das ist die Botschaft von Morejón und des kubanischen Volkes, die ihr souveränes Leben aufbauen, und es ist die Botschaft des haitianischen Volkes, das seine große Revolution von 1804 voranbringen will.
Herzlichst,
Vijay