
Schlägst du die Frauen, schlägst du den Fels, wirst du zerschmettert!
Der zwölfte Newsletter (2023)

Liebe Freund*innen
Grüße aus dem Büro von Tricontinental: Institute for Social Research.
Was ist eine Krise, die weltweite Aufmerksamkeit verdient? Wenn eine regionale Bank in den Vereinigten Staaten der Umkehrung der Renditekurve zum Opfer fällt (d. h. wenn die kurzfristigen Anleihezinsen höher sind als die langfristigen Zinsen), hört die Erde fast auf, sich zu drehen. Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) – einer der wichtigsten Finanziers von Technologie-Start-Ups in den Vereinigten Staaten – am 10. März war Vorbote eines größeren Chaos in der westlichen Finanzwelt. In den Tagen nach dem SVB-Debakel stand die Signature Bank, eine der wenigen Banken, die Kryptowährungseinlagen akzeptierten, vor dem Bankrott, und dann stürzte die Credit Suisse – eine etablierte europäische Bank, 1856 gegründet – aufgrund ihres seit langem schlechten Risikomanagements ab (am 19. März stimmte die UBS zu, die Credit Suisse zu übernehmen, als Notlösung um die Krise zu stoppen). Staatsregierungen hielten Notfall-Zoom-Konferenzen ab, Finanztitanen riefen die Chefs und Chefinnen von Zentralbanken und Staaten an, und die Zeitungen warnten vor einem Systemzusammenbruch, wenn nicht rasch Sicherheitsnetze unter die gesamte Finanzarchitektur gespannt würden. Innerhalb weniger Stunden stellten westliche Regierungen und Zentralbanken Milliarden von Dollar zur Rettung des Finanzsystems bereit. Eine Eskalation der Krise durfte nicht zugelassen werden.
Andere schwerwiegende Entwicklungen in der Welt könnten als Krise bezeichnet werden, aber sie lösen nicht die Art von Sofortmaßnahmen aus, wie sie von den westlichen Regierungen zur Stützung ihrer Banksysteme ergriffen wurden. Vor drei Jahren veröffentlichte Oxfam einen Bericht, in dem festgestellt wurde, dass «die 22 reichsten Männer der Welt mehr Vermögen besitzen als alle Frauen in Afrika zusammen». Diese Tatsache, die schockierender ist als der Zusammenbruch einer Bank, hat keine Bewegung in die Tagesordnung gebracht, obwohl belegt ist, dass diese Ungleichheit größtenteils durch die räuberischen, deregulierten Kreditvergabepraktiken des westlichen Bankensystems verursacht wird (wie wir in unserem April-Dossier, Life or Debt: The Stranglehold of Neocolonialism and Africa’s Search for Alternatives [«Leben oder Schulden: Der Würgegriff des Neokolonialismus und Afrikas Suche nach Alternativen»], zeigen werden).
Die Veröffentlichung eines wichtigen Berichts im Januar dieses Jahres über den Rückschritt bei der Erfüllung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) auf dem afrikanischen Kontinent wurde mit Schweigen quittiert. Der von der Afrikanischen Union, der UN-Wirtschaftskommission für Afrika, der Afrikanischen Entwicklungsbank und dem UN-Entwicklungsprogramm erstellte Bericht über die nachhaltige Entwicklung Afrikas 2022 zeigt, dass die afrikanischen Länder aufgrund der fehlenden Entwicklungsfinanzierung nicht ansatzweise in der Lage sein werden, die extreme Armut zu beseitigen. Vor der COVID-19-Pandemie lebten 445 Millionen Menschen auf dem Kontinent – 34 % der Bevölkerung – in extremer Armut, und bis 2020 kamen weitere 30 Millionen Menschen hinzu. Der Bericht schätzt, dass die Zahl der Menschen in extremer Armut auf dem Kontinent bis 2030 auf 492 Millionen ansteigen wird. Keine einzige Alarmglocke wurde angesichts dieser fortschreitenden Katastrophe geläutet, geschweige denn, dass schnell Milliarden Dollar zur Rettung der afrikanischen Bevölkerung bereitgestellt worden wären.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat festgestellt, dass Frauen in Afrika mit größerer Wahrscheinlichkeit von der Pandemie betroffen sind. Die Daten, so der IWF, werden durch die weit verbreitete Selbstständigkeit von Frauen verschleiert, deren wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht immer in den nationalen Statistiken erscheinen. In ganz Afrika sind im vergangenen Jahr Hunderttausende von Menschen auf die Straße gegangen, um ihre Regierungen mit der Lebenshaltungskostenkrise zu konfrontieren, die das Einkommen der meisten Menschen schwinden lassen hat. In dem Maße, wie die Einkommen sinken und die sozialen Dienste zusammenbrechen, übernehmen die Frauen immer mehr Arbeit in ihren Haushalten – sie kümmern sich um die Kinder, die Älteren, die Kranken, die Hungernden und so weiter. In dem von einer panafrikanischen feministischen Plattform verfassten African Feminist Post-COVID-19 Economic Recovery Statement wird die Situation wie folgt bewertet:
Das Fehlen sozialer Sicherheitsnetze, die Frauen aufgrund ihrer größeren finanziellen Unsicherheit angesichts wirtschaftlicher Schocks benötigen, hat das Versagen einer Entwicklung offenbart, die Produktivität für Wachstum Vorrang einräumt vor dem Wohlergehen der afrikanischen Bevölkerung. COVID-19 hat deutlich gemacht, worauf Feminist*innen seit langem hinweisen: dass die in der Wirtschaft und auf den Märkten erzielten Gewinne durch die unbezahlte Pflege- und Hausarbeit von Frauen subventioniert werden – eine wesentliche Dienstleistung, die selbst in der aktuellen Pandemie nicht anerkannt und in der Politik nicht berücksichtigt wurde.

Am 8. März, dem Internationalen Tag der arbeitenden Frauen, haben Proteste in ganz Afrika die Aufmerksamkeit auf den allgemeinen Rückgang des Lebensstandards und die besonderen Auswirkungen auf das Leben der Frauen gelenkt. Der aufrüttelnde Befund von Oxfam – die 22 reichsten Männer der Welt haben mehr Vermögen als alle Frauen Afrikas zusammen – und die Erkenntnis, dass sich die Lebensbedingungen dieser Frauen zu verschlechtern beginnen, haben in der Welt keine Krisenreaktion ausgelöst. Es gab keine dringenden Telefongespräche zwischen den Hauptstädten der Welt, keine Notfall-Zoom-Sitzungen der Zentralbanken, keine Sorge um die Menschen, die immer tiefer in die Armut abrutschen, während ihre Länder angesichts einer immer dauerhafteren Schuldenkrise Sparprogramme durchsetzen. Die meisten Proteste am 8. März konzentrierten sich auf die Inflation der Lebensmittel- und Treibstoffpreise und auf die prekären Bedingungen, die dies für Frauen schafft. Von der öffentlichen Aktion der Landlosenbewegung gegen sklavenähnliche Arbeitspraktiken in Brasilien bis hin zur Demonstration gegen geschlechtsspezifische Gewalt organisiert von den nationalen Netzwerken von Bäuer*innengruppen in Tansania gingen Frauen, die in ländlichen und städtischen Gewerkschaften, in politischen Parteien und in einer Reihe von sozialen Bewegungen organisiert sind, auf die Straße, um mit Josie Mpama zu sagen: «Macht Platz für Frauen, die vorangehen werden».

Bei Tricontinental: Institute for Social Research haben wir verfolgt, wie die Pandemie die Strukturen des Neokolonialismus und des Patriarchats verfestigt hat, was in CoronaShock and Patriarchy (November 2020) mündete, in dem auch eine Liste der feministischen Volksforderungen zur Bewältigung der globalen gesundheitlichen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Krise vorgelegt wurde. Zu Beginn des Jahres, im März 2020, veröffentlichten wir die erste Studie unserer Feminismus-Reihe Women of Struggle, Women in Struggle, in der wir aufzeigten, wie wirtschaftlicher Niedergang und Sparmaßnahmen dazu führen, dass mehr Frauen arbeitslos werden, dass Frauen stärker unter Druck gesetzt werden, sich um ihre Familien und Gemeinschaften zu kümmern, und wie sie zu mehr Frauenmorden führen. Wir schrieben auch über den Anstieg der Proteste von Frauen in der ganzen Welt als Reaktion auf diese schrecklichen Zustände. Damals beschlossen wir, dass einer unserer Beiträge zu diesen Kämpfen darin bestehen würde, die Geschichte von Frauen in unseren Bewegungen zu erforschen, die weitgehend in Vergessenheit geraten sind. In den vergangenen drei Jahren haben wir Kurzbiografien von drei Frauen veröffentlicht – Kanak Mukherjee (Indien, 1921–2005), Nela Martínez Espinosa (Ecuador, 1912–2004) und jetzt Josie Mpama (Südafrika, 1903–1979). Jedes Jahr werden wir eine Biografie einer Frau veröffentlichen, die wie Kanak, Nela und Josie für einen Sozialismus kämpfte, der das Patriarchat und die Klassenausbeutung überwinden würde.

In den frühen 1920er Jahren arbeitete Josie Mpama, die in die schwarze Arbeiterklasse Südafrikas hineingeboren wurde, im informellen Sektor, wusch Wäsche, putzte Häuser und kochte. Als das rassistische Regime versuchte, politische Maßnahmen und Gesetze zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Afrikaner*innen durchzusetzen, wandte sie sich der Politik zu und bekämpfte die Unterdrückung, die mit Verordnungen wie den Untermieterlaubnissen in Potchefstroom (im Nordwesten des Landes) einherging. Die 1921 gegründete Kommunistische Partei Südafrikas (CPSA) gab den unzähligen Protesten gegen die Rassentrennungsgesetze eine Form und lehrte die Arbeiter, ihre «Arbeitskraft und die Macht, sie zu organisieren und zu verweigern» zu nutzen, wie es in ihren Flugblättern hieß. «Dies sind eure Waffen; lernt, sie zu benutzen, um den Tyrannen in die Knie zu zwingen».
1928 trat Josie der CPSA bei und fand dort Unterstützung sowohl für ihre Moblisierungsarbeit als auch für ihr Streben nach politischer Bildung. In den 1930er Jahren zog sie nach Johannesburg und eröffnete eine Abendschule für ideologische Bildung sowie für Grundkenntnisse in Mathematik und Englisch. Später wurde Josie eine der ersten schwarzen Frauen aus der Arbeiterklasse, die in die Führungsriege der CPSA eintrat, und reiste schließlich unter dem Pseudonym Red Scarf nach Moskau, wo sie die Kommunistische Universität der Werktätigen des Ostens besuchte. Unter Josies Führung als Leiterin der Frauenabteilung der Partei traten immer mehr Frauen der CPSA bei, vor allem weil sie Themen aufgriff, die sie betrafen, und Frauen ermutigte, an der Seite der Männer zu kämpfen und sich für radikalere Konzepte von Geschlechterrollen einzusetzen.

Vieles aus dieser Geschichte ist in Vergessenheit geraten. Im heutigen Südafrika konzentriert man sich auf die Bedeutung der Freiheitscharta (verabschiedet am 26. Juni 1955). Aber es wird weniger anerkannt, dass ein Jahr zuvor die Föderation südafrikanischer Frauen (FEDSAW) eine Frauencharta (April 1954) verabschiedete, die – wie wir in der Studie schreiben – «schließlich die Grundlage für bestimmte verfassungsmäßige Rechte im Südafrika nach der Apartheid werden sollte». Die Frauencharta wurde von 146 Delegierten verabschiedet, die 230.000 Frauen vertraten. Eine dieser Delegierten war Josie, die im Namen der Transvaal All-Women’s Union an der Konferenz teilnahm und Präsidentin des Transvaal-Zweiges der FEDSAW wurde. Die Frauencharta forderte gleichen Lohn für gleiche Arbeit (was bis heute nicht erreicht wurde) und das Recht der Frauen, Gewerkschaften zu gründen. Josies Führungsrolle in der FEDSAW erregte die Aufmerksamkeit des südafrikanischen Apartheid-Regimes, das sie 1955 aus der Politik verbannte. «Josie hin oder her», schrieb sie an ihre FEDSAW-Genossinnen, «der Kampf wird weitergehen, und wir werden den Tag des Sieges erleben».
Am 9. August 1956 marschierten 20.000 Frauen in die südafrikanische Hauptstadt Pretoria und forderten die Abschaffung der Apartheid-Passgesetze. Dieses Datum – der 9. August – wird heute in Südafrika als Frauentag begangen. Während des Marsches skandierten die Frauen: wathint’ abafazi, wathint’ imbokodo, uzokufa («schlägst du die Frauen, schlägst du den Fels, wirst du zerschmettert»).
Herzlichst,
Vijay