Die Zerschlagung der neokolonialen Herrschaft in Kongo-Brazzaville

Der Kampf für einen nichtkapitalistischen Entwicklungsweg, Volksdemokratie und wissenschaftlichen Sozialismus in Zentralafrika (1963–1990)

Matthew Read

18. Dezem­ber 2024

1. Einleitung

Fast drei Jahr­zehnte lang hat Kongo-Braz­z­aville einen revo­lu­tio­nä­ren Kurs einge­schla­gen, der in Zentral­afrika seines­glei­chen sucht. Nach­dem ein Volks­auf­stand 1963 ein korrup­tes Kompra­do­ren­re­gime gestürzt hatte, entwi­ckelte sich die kongo­le­si­sche natio­nal-demo­kra­ti­sche Revo­lu­tion in den folgen­den Jahr­zehn­ten zur ersten Volks­de­mo­kra­tie in Afrika und festigte sie. Auch die poli­ti­sche Kraft, die diesen Prozess voran­trieb, musste sich weiter­ent­wi­ckeln: von einer plura­lis­ti­schen Massen­par­tei zu einer marxis­tisch-leni­nis­ti­schen Avant­gar­de­or­ga­ni­sa­tion der kongo­le­si­schen Arbei­ter­mas­sen. Dieser Arti­kel zeich­net den Weg der kongo­le­si­schen Revo­lu­tion nach und unter­sucht, wie sozia­lis­ti­sche Staa­ten in Osteu­ropa und Asien diesen Prozess beein­flusst haben. Um Lehren aus dieser histo­ri­schen Erfah­rung zu ziehen, konzen­triert sich der Arti­kel auf drei wesent­li­che Heraus­for­de­run­gen, mit denen die kongo­le­si­schen Revo­lu­tio­näre konfron­tiert waren.

Erstens geht es um die Frage der Staats­macht, die Lenin bekannt­lich als „die Schlüs­sel­frage jeder Revo­lu­tion“ bezeich­nete. Nach dem Volks­auf­stand von 1963 erbte das kongo­le­si­sche Volk einen neoko­lo­nia­len Staat, der nach den Inter­es­sen des auslän­di­schen Kapi­tals geformt worden war. Wie konnte er durch einen Appa­rat ersetzt werden, der den Bedürf­nis­sen der natio­nal-demo­kra­ti­schen Revo­lu­tion diente? In den verschie­de­nen Verfas­sun­gen, die der Kongo in den 1960er und 1970er Jahren verab­schie­dete, zeigt sich eine allmäh­li­che Abkehr vom bürger­li­chen Konsti­tu­tio­na­lis­mus und die Erkennt­nis, dass der Staat keine neutrale Insti­tu­tion ist, die zwischen den Klas­sen vermit­telt, sondern ein Instru­ment, das von bestimm­ten Klas­sen einge­setzt werden muss, um soziale Verän­de­run­gen herbei­zu­füh­ren. Anfang der 1970er Jahre gelang es den kongo­le­si­schen Revo­lu­tio­nä­ren nach inten­si­ven Kämp­fen mit inne­ren und äuße­ren Gegnern, eine Volks­re­pu­blik und eine Avant­gar­de­par­tei mit einem wissen­schaft­lich fundier­ten Programm zu errich­ten. Es bestand ein stän­di­ges Span­nungs­ver­hält­nis zwischen der Notwen­dig­keit, den poli­ti­schen Prozess weiter zu demo­kra­ti­sie­ren, und den Erfor­der­nis­sen, die Revo­lu­tion in einem äußerst feind­li­chen Umfeld zu vertei­di­gen. Wie im Folgen­den gezeigt wird, unter­schied sich der Kampf um den Aufbau einer Volks­de­mo­kra­tie im afri­ka­ni­schen Kontext erheb­lich von den Erfah­run­gen der Volks­de­mo­kra­tien in Osteuropa.

Die zweite Frage bezieht sich auf die unter­schied­li­chen Stra­te­gien zur wirt­schaft­li­chen Entwick­lung, die inner­halb der natio­nal­de­mo­kra­ti­schen Bewe­gung formu­liert wurden. Kongo-Braz­z­aville war als abhän­gi­ger und ausge­beu­te­ter Bestand­teil in die inter­na­tio­nale kapi­ta­lis­ti­sche Arbeits­tei­lung einge­bun­den: Es war Rohstoff­lie­fe­rant (vor allem Holz und Öl) und Export­markt für die kapi­ta­lis­ti­schen Mächte Euro­pas und Nord­ame­ri­kas. Auslän­di­sche Unter­neh­men kontrol­lier­ten die große Mehr­heit der kongo­le­si­schen Wirt­schaft. Wie konnte die Revo­lu­tion voran­ge­trie­ben werden, solange das Land unter der Vorherr­schaft des auslän­di­schen Kapi­tals stand? Dies war der zentrale Wider­spruch, der die kongo­le­si­sche Führung von Anfang an beschäf­tigte. Hinter Bezeich­nun­gen wie „pro-sowje­tisch“, „pro-chine­sisch“ und „pro-impe­ria­lis­tisch“ verbar­gen sich in Wirk­lich­keit gegen­sätz­li­che Vorstel­lun­gen darüber, wie das Land am besten der kolo­nial aufge­zwun­ge­nen Unter­ent­wick­lung entkom­men und in Rich­tung Indus­tria­li­sie­rung und wirt­schaft­li­che Unab­hän­gig­keit voran­kom­men könnte. Im Arti­kel werden drei Phasen in der Stra­te­gie der Revo­lu­tio­näre unter­schie­den: In den 1960er Jahren wurde ein weicher, natio­nal-refor­mis­ti­scher Kurs verfolgt, der dann in den 1970er Jahren nach der Grün­dung der Volks­re­pu­blik Ende 1969 von einer durch­set­zungs­fä­hi­ge­ren Natio­na­li­sie­rungs­stra­te­gie abge­löst wurde. Die Ermor­dung von Präsi­dent Marien Ngou­abi 1977 been­dete diese Phase, und in ihrem letz­ten Jahr­zehnt schwenkte die kongo­le­si­sche Revo­lu­tion auf eine Stra­te­gie um, die dem chine­si­schen Ansatz von „Reform und Öffnung“ ähnelte.

Die dritte Frage, die mit der zwei­ten zusam­men­hängt, betrifft die poli­ti­schen Bindun­gen des Kongo an die kommu­nis­ti­sche Welt­be­we­gung und seine wirt­schaft­li­chen Bezie­hun­gen zu den sozia­lis­ti­schen Staa­ten in Osteu­ropa und Asien. Wie verhiel­ten sich die kongo­le­si­schen Revo­lu­tio­näre zum sozia­lis­ti­schen Welt­sys­tem und umge­kehrt? Welche Auswir­kun­gen hatte das Zerwürf­nis zwischen der Sowjet­union und China? Und wie versuch­ten die sozia­lis­ti­schen Staa­ten den Kongo bei der Befrei­ung vom Neoko­lo­nia­lis­mus zu unter­stüt­zen? Wie im Folgen­den darge­legt wird, stellte der Tech­no­lo­gie- und Wissens­trans­fer aus den sozia­lis­ti­schen Staa­ten in den Kongo eine quali­ta­tiv neue Art von inter­na­tio­na­len Bezie­hun­gen dar, die auf Soli­da­ri­tät und gegen­sei­ti­ger Entwick­lung statt auf Ausbeu­tung und Abhän­gig­keit beruh­ten. Dennoch gelang es der kommu­nis­ti­schen Welt­be­we­gung nicht, die kongo­le­si­sche Wirt­schaft in eine inter­na­tio­nale sozia­lis­ti­sche Arbeits­tei­lung zu inte­grie­ren, die es dem Kongo ermög­licht hätte, sich vom kapi­ta­lis­ti­schen Welt­markt abzu­kop­peln. Dies erwies sich als fatal für die kongo­le­si­sche Revo­lu­tion. Der Arti­kel konzen­triert sich in erster Linie auf die Bezie­hun­gen zur Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik (DDR) und ihrer führen­den Partei, der Sozia­lis­ti­schen Einheits­par­tei Deutsch­lands (SED), da die entspre­chen­den Archive für den Autor am zugäng­lichs­ten waren.

Die Recher­chen für diesen Arti­kel stütz­ten sich weit­ge­hend auf Archiv­ma­te­rial aus dem Bundes­ar­chiv, wo Tausende von Berich­ten der SED und der kongo­le­si­schen Revo­lu­tio­näre zu finden sind. Beson­ders aufschluss­reich waren die Doktor­ar­bei­ten kongo­le­si­scher Ökono­men und Sozio­lo­gen, die in den 1980er Jahren an der Akade­mie für Gesell­schafts­wis­sen­schaf­ten der DDR studier­ten. Darüber hinaus wurden marxis­ti­sche und bürger­li­che Geschichts­werke über den Kongo heran­ge­zo­gen. Sämt­li­che Quel­len sowie Hinter­grund­in­for­ma­tio­nen sind in den Fußno­ten zu finden. Weitere Lese­tipps finden sich im Literaturverzeichnis.

2. Die französische Kolonisierung des Kongo (1880–1958)

Das nörd­lich des Kongo-Flus­ses gele­gene Gebiet, das heute die Repu­blik Kongo bildet, wurde vor der Ankunft der Euro­päer von mehre­ren halb­feu­da­len König­rei­chen regiert. Nach­dem die Portu­gie­sen 1484 die Mündung des Kongo erreicht hatten, began­nen die Euro­päer mit dem Handel von Rohstof­fen und Indus­trie­er­zeug­nis­sen gegen Skla­ven, die sie im Hinter­land gefan­gen hatten. Die Struk­tu­ren der zuvor exis­tie­ren­den König­rei­che zerfie­len rasch, als der trans­at­lan­ti­sche Skla­ven­han­del im 16. Jahr­hun­dert anlief.1 Die direkte euro­päi­sche Kolo­ni­sie­rung begann im 19. Jahr­hun­dert als Frank­reich 1880 ein „Protek­to­rat“ über die Gebiete nörd­lich des Kongo-Flus­ses errich­tete. Die Berli­ner Konfe­renz von 1884/85 bestä­tigte Frank­reichs Herr­schaft über das Gebiet, das als „Fran­zö­sisch-Kongo“ bezeich­net wurde. Da Frank­reich mit der Größe dieses Gebiets über­for­dert war, teilte es die Ausbeu­tungs­rechte unter 40 priva­ten Gesell­schaf­ten auf, die sich zumeist auf ein mitt­le­res Handels­ka­pi­tal stütz­ten.2 Aufgrund der rela­ti­ven Schwä­che dieser Unter­neh­men wurden nur wenig Tech­no­lo­gie und Mate­rial in den Kongo gebracht, statt­des­sen die lokale Bevöl­ke­rung zur Zwangs­ar­beit verpflich­tet, ohne dass die Produk­ti­ons­mit­tel entwi­ckelt wurden. Da rund 60 Prozent des kongo­le­si­schen Terri­to­ri­ums von Wäldern bedeckt waren, wurde Holz schnell zum wich­tigs­ten Export­gut der Kolonie.

Frank­reichs Kolo­ni­sie­rung des Kongo war durch ein System der direk­ten Verwal­tung gekenn­zeich­net, im Gegen­satz zum indi­rek­ten Ansatz Groß­bri­tan­ni­ens, das sich bei der Herr­schaft über viele seiner Kolo­nien auf die loka­len herr­schen­den Klas­sen verließ. Die direkte Verwal­tung löschte lokale Struk­tu­ren aus und ersetzte diese durch eine Hier­ar­chie fran­zö­si­scher Verwal­ter, die die volle poli­ti­sche Kontrolle ausüb­ten und von allen Einwoh­nern eine Kopf­steuer zur Finan­zie­rung des Staats­ap­pa­rats erho­ben.3 Die Kantons- und Dorf­häupt­linge wurden ihrer tradi­tio­nel­len Rechte beraubt und in die unterste Ebene dieser Hier­ar­chie inte­griert, um als Hilfs­kräfte der Kolo­ni­sa­to­ren zu dienen. Die katho­li­sche Kirche drang tief in die kongo­le­si­sche Gesell­schaft ein und spielte eine Schlüs­sel­rolle bei der Aufrecht­erhal­tung der Kolo­ni­al­herr­schaft, insbe­son­dere durch ihre Kontrolle über das Bildungs­we­sen.4

1908 schloss Frank­reich seine in Zentral­afrika gele­ge­nen Kolo­nien in einer Föde­ra­tion namens Fran­zö­sisch-Äqua­to­ri­al­afrika (FEA) zusam­men. Die kongo­le­si­sche Stadt Braz­z­aville wurde zur Haupt­stadt der FEA ernannt und zum wich­tigs­ten Verwal­tungs- und Tran­sit­kno­ten­punkt für die Gewin­nung von Boden­schät­zen aus „Fran­zö­sisch-Afrika“. Durch diese einzig­ar­tige Rolle als Verwal­tungs- und Handels­zen­trum Zentral­afri­kas entwi­ckelte sich der südli­che Kongo zu einer rela­tiv urba­ni­sier­ten Region mit gut ausge­bil­de­ten und einfluss­rei­chen klein­bür­ger­li­chen Schich­ten (d. h. Büro­kra­ten und zivi­ler wie mili­tä­ri­scher Intel­li­genz).5 Die Wirt­schafts­tä­tig­keit konzen­trierte sich auf die Kongo-Ozean-Eisen­bahn, eine 500 Kilo­me­ter lange Stre­cke, die in den 1920er Jahren gebaut wurde, um Braz­z­aville mit der Hafen­stadt Pointe-Noire zu verbin­den. Diese Stre­cke wurde durch Zwangs­ar­beit erbaut und kostete mehr als 17.000 Einhei­mi­schen das Leben. Nach ihrer Eröff­nung im Jahr 1934 bildete sich im Umfeld dieser Bahn­li­nie eine Arbei­ter­klasse heraus, die sich haupt­säch­lich aus Trans­port- und Hafen­ar­bei­tern zusammensetzte.

Fran­zö­si­sche Kolo­nien in Afrika (1935). Das Gebiet von Fran­zö­sisch-Kongo, das als Verwal­tungs- und Handels­zen­trum von Fran­zö­sisch-Äqua­to­ri­al­afrika fungierte (dunkel­vio­lett), wurde 1958 zur Repu­blik Kongo.

Die euro­päi­sche Kolo­nia­li­sie­rung übte auch einen großen Einfluss auf den Prozess der Natio­nen­bil­dung im südli­chen Afrika aus. Histo­risch gese­hen kris­tal­li­sierte sich der Natio­nal­staat in einem bestimm­ten Entwick­lungs­sta­dium der mensch­li­chen Gesell­schaft heraus, nämlich als der Kapi­ta­lis­mus den Feuda­lis­mus ablöste.6 In diesem Prozess entstand die Nation als stabile Gemein­schaft von Menschen, die durch ein gemein­sa­mes Terri­to­rium, ein gemein­sa­mes Wirt­schafts­le­ben, eine gemein­same Spra­che und Kultur mitein­an­der verbun­den sind. Im Afrika südlich der Sahara hatten sich die kapi­ta­lis­ti­schen Verhält­nisse nicht orga­nisch entwi­ckelt, sondern waren den Gesell­schaf­ten aufge­zwun­gen worden, die aufgrund jahr­hun­der­te­lan­ger auslän­di­scher Plün­de­rung und Ausbeu­tung die halb­feu­da­len oder sogar vorfeu­da­len Verhält­nisse noch nicht über­wun­den hatten. Im späten 19. Jahr­hun­dert hatten die euro­päi­schen Mächte den Konti­nent unter sich aufge­teilt, ohne histo­ri­sche, wirt­schaft­li­che und ethni­sche Fakto­ren zu berück­sich­ti­gen. Am Ende der Kolo­ni­al­herr­schaft lebten im Kongo etwa 77 Stämme, von denen viele durch Gren­zen zu Nach­bar­staa­ten getrennt waren. Nach der Erlan­gung der Unab­hän­gig­keit in der Mitte des 20. Jahr­hun­derts sahen sich die afri­ka­ni­schen Führer daher mit erheb­li­chen Wider­sprü­chen in ihren Gesell­schaf­ten konfron­tiert. Wie der guinei­sche Präsi­dent und Revo­lu­tio­när Sekou Touré bemerkte: „Im post­ko­lo­nia­len Afrika geht der Staat in der Regel der Nation voraus.“7 Die Stam­mesi­den­ti­tät war also weit­aus stär­ker entwi­ckelt als das natio­nale Bewusst­sein. Diese Tatsa­che – neben der jahr­zehn­te­lan­gen Poli­tik des „teile und herr­sche“ der Kolo­ni­al­her­ren – bildete den Nähr­bo­den für Strei­tig­kei­ten zwischen den Stäm­men und sepa­ra­tis­ti­sche Konflikte im Zuge der Unab­hän­gig­keit. Wie im Folgen­den gezeigt wird, stellte diese Reali­tät ein erheb­li­ches Hinder­nis für die Konso­li­die­rung des kongo­le­si­schen Staats­ap­pa­rats dar. 

3. Unabhängigkeit unter einem Kompradorenregime (1958–1963)

Mit dem Voran­schrei­ten des anti­ko­lo­nia­len Kamp­fes und der Schwä­chung des fran­zö­si­schen Impe­ria­lis­mus nach dem Zwei­ten Welt­krieg gelang es den afri­ka­ni­schen Befrei­ungs­be­we­gun­gen und der Kommu­nis­ti­schen Partei Frank­reichs in den 1950er Jahren erfolg­reich Paris poli­ti­sche Zuge­ständ­nisse abzu­rin­gen. Während einer innen­po­li­ti­schen Krise und durch die Erkennt­nis, dass die direkte Kolo­ni­al­herr­schaft in Afrika nicht mehr aufrecht­zu­er­hal­ten war, änderte die poli­ti­sche Führung in Frank­reich ihre Taktik und begann 1958, den FEA-Kolo­nien Auto­no­mie zu gewäh­ren. Um seine Verluste zu mini­mie­ren, versuchte Frank­reich, eine Gruppe von einhei­mi­schen Verwal­tern, Armee­of­fi­zie­ren und Diplo­ma­ten zu fördern, die die Inter­es­sen der Kolo­ni­al­macht nach der natio­na­len Unab­hän­gig­keit schüt­zen könn­ten. Während dieser Ansatz in jenen Staa­ten schei­terte, in denen Anti­im­pe­ria­lis­ten die natio­nale Bewe­gung anführ­ten (z. B. in Mali oder Guinea), konnte Frank­reich auf viele andere natio­na­lis­ti­sche Parteien in Afrika erheb­li­chen Einfluss gewin­nen. In Fran­zö­sisch-Kongo beispiels­weise führte der römisch-katho­li­sche Pries­ter Abbé Fulbert Youlou einen konsti­tu­tio­nel­len Coup d‘Ètat an und wurde 1958 der erste Premier­mi­nis­ter der neuen Repu­blik Kongo. Youlous Partei, die Union démo­cra­tique de défense des inté­rêts afri­cains (UDDIA), war inbrüns­tig anti­kom­mu­nis­tisch und wollte die junge Repu­blik nach kapi­ta­lis­ti­schen Grund­sät­zen entwickeln.

Wie der kongo­le­si­sche Sozio­loge Melan­chthon M’Pandzou fest­stellte, war die Regie­rung Youlou ein klas­si­sches Beispiel für ein Kompra­do­ren­re­gime, das die Vorherr­schaft des auslän­di­schen Kapi­tals sichern wollte.8 Es wurden zahl­rei­che Abkom­men mit der Euro­päi­schen Wirt­schafts­ge­mein­schaft (EWG) und Frank­reich unter­zeich­net, um deren Einfluss auf Finan­zen, Tech­no­lo­gie und Bildung zu sichern. Verträge, die mit dem Tschad und der Zentral­afri­ka­ni­schen Repu­blik unter­zeich­net wurden, sicher­ten Frank­reichs mili­tä­ri­sche Präsenz in Zentral­afrika. Das Justiz­sys­tem war durch­setzt mit in Frank­reich ausge­bil­de­ten Rich­tern und Anwäl­ten. Youlou war damit einver­stan­den, die Gren­zen aus der Kolo­ni­al­zeit zu zemen­tie­ren, anstatt eine panafri­ka­ni­sche Inte­gra­tion anzu­stre­ben, und behaup­tete, dass ein kapi­ta­lis­ti­scher Weg die schnellste wirt­schaft­li­che Entwick­lung des Landes herbei­füh­ren würde. Er senkte die Kapi­tal­ver­kehrs­kon­trol­len und redu­zierte die Steu­ern für auslän­di­sche Unter­neh­men, die im Kongo tätig waren. Die Regie­rung zeigte auch kein Inter­esse am Aufbau eines staat­li­chen Sektors; die Inves­ti­tio­nen mach­ten nur 3,7 % des Staats­haus­halts aus. Die Regie­rung begnügte sich damit, den Kongo auf die Rolle eines Rohstoff­lie­fe­ran­ten und eines Export­mark­tes für die West­mächte zu redu­zie­ren. Unter­des­sen blähte sich die Verwal­tungs­bü­ro­kra­tie auf: In nur drei Jahren verdop­pelte sich die Zahl der Mitar­bei­ter. Bis 1963 wurde fast die Hälfte des Staats­haus­halts für Perso­nal­kos­ten aufgewendet.

Der kongo­le­si­sche Präsi­dent Fulbert Youlou hält die Hand des fran­zö­si­schen Kultur­mi­nis­ters André Malraux, um die offi­zi­elle poli­ti­sche Unab­hän­gig­keit Kongos am 15. August 1960 zu feiern.

Der Wider­stand gegen das aufge­blähte und korrupte Regime von Youlou wuchs in den Jahren nach der Unab­hän­gig­keit rasch an. In der Oppo­si­tion kris­tal­li­sier­ten sich zwei Grup­pie­run­gen heraus. Die erste, dem wissen­schaft­li­chen Sozia­lis­mus zuge­wandte Gruppe war in den Gewerk­schaf­ten und der Jugend­be­we­gung sehr präsent. Diese Gruppe vertrat Stra­te­gien einer nicht-kapi­ta­lis­ti­schen Entwick­lung, die die Verstaat­li­chung von Schlüs­sel­in­dus­trien, die Einfüh­rung einer Wirt­schafts­pla­nung und engere wirt­schaft­li­che Bezie­hun­gen zu den sozia­lis­ti­schen Staa­ten vorsa­hen, um auslän­di­sches Kapi­tal schritt­weise aus dem Kongo zu verdrän­gen und die Grund­la­gen für einen sozia­lis­ti­schen Aufbau zu schaf­fen, ohne eine kapi­ta­lis­ti­sche Entwick­lungs­phase durch­lau­fen zu müssen. Die zweite Gruppe vertrat die Idee eines „afri­ka­ni­schen Sozia­lis­mus“, der die vermeint­lich gemein­schaft­li­che und klas­sen­lose Natur der vorko­lo­nia­len afri­ka­ni­schen Gesell­schaft wieder­her­stel­len sollte. M’Pandzou bezeich­nete diese Tendenz als „utopisch“ im Gegen­satz zu wissen­schaft­lich, da sie den Fort­schritt eher durch eine geis­tige Revo­lu­tion als durch eine rasche Verbes­se­rung der mate­ri­el­len Bedin­gun­gen im Kongo errei­chen wollte.

4. Die Revolution beginnt (1963–1966)

Nach nur drei Jahren an der Macht war Youlou so repres­siv gewor­den, dass er einen Groß­teil seiner ursprüng­li­chen Anhän­ger­schaft verprellt hatte. Als er im August 1963 versuchte, die abso­lute Allein­herr­schaft zu erlan­gen, riefen die Gewerk­schaf­ten zu einem Streik auf. Youlou ließ die Streik­füh­rer sofort verhaf­ten, worauf­hin in Braz­z­aville massive Proteste ausbra­chen. Beim Versuch, die inhaf­tier­ten Gewerk­schaf­ter zu befreien, wurden Hunderte von Arbei­tern getö­tet. Die fran­zö­si­sche Armee arbei­tete zunächst mit Youlou zusam­men, um den Aufstand nieder­zu­schla­gen, doch am 15. August war die Anti-Regie­rungs­be­we­gung so über­wäl­ti­gend, dass Frank­reich das Regime aufgab.9

Diese Revo­lu­tion – unter dem Namen „Trois glorieu­ses“ bekannt gewor­den – wurde vor allem von den Gewerk­schaf­ten und der Jugend­be­we­gung voran­ge­trie­ben, unter­stützt von progres­si­ven Elemen­ten im Mili­tär.10 Es war nicht klar, wer in der unmit­tel­ba­ren Folge die Macht über­neh­men würde, da die Oppo­si­tion nicht hinter einer poli­ti­schen Platt­form vereint war. Die Gewerk­schaf­ten und die Jugend­be­we­gung waren nicht in der Lage, die führende Rolle im neuen Natio­nal­rat zu über­neh­men, und die Staats­macht wurde nun von einer Koali­tion aus natio­nal-refor­mis­ti­schen und revo­lu­tio­när-demo­kra­ti­schen Persön­lich­kei­ten aus der Intel­li­genz, dem Mili­tär und den Gewerk­schaf­ten kontrol­liert. Im Dezem­ber dessel­ben Jahres wurde in einem Volks­re­fe­ren­dum eine neue Verfas­sung ange­nom­men, was einen wich­ti­gen Schritt zur Demo­kra­ti­sie­rung der kongo­le­si­schen Gesell­schaft darstellte. Die bürger­lich-demo­kra­ti­schen Rechte und poli­ti­schen Struk­tu­ren waren nun in der Repu­blik etabliert.11 Der ehema­lige Lehrer und Bildungs­mi­nis­ter Alphonse Massamba-Débat wurde als Nach­fol­ger von Youlou zum Präsi­den­ten gewählt.

Die Einheit, die in Oppo­si­tion zu Youlou geschmie­det worden war, zerbrach als die verschie­de­nen Klas­sen inner­halb des Bünd­nis­ses began­nen, um die Vorherr­schaft zu ringen. Konter­re­vo­lu­tio­näre Kräfte, die vor allem aus dem Klerus, der katho­li­schen Gewerk­schaft und aus den Reihen der Kolo­ni­al­sied­ler stamm­ten, versuch­ten, unter dem Slogan „Die August­re­vo­lu­tion ist besser als das vorhe­rige Regime. Aber das Youlou-Regime ist besser als der Sozia­lis­mus“ Unter­stüt­zer um sich zu sammeln.12 Unter der Führung der revo­lu­tio­nä­ren Intel­lek­tu­el­len um Massamba-Débat schlos­sen sich die fort­schritt­li­chen Kräfte zu einer natio­nal-demo­kra­ti­schen Massen­par­tei zusam­men, die sich Mouve­ment natio­nal de la révo­lu­tion (MNR) nannte. Auf ihrem Grün­dungs­kon­gress im Juli 1964 über­nahm die MNR den wissen­schaft­li­chen Sozia­lis­mus als ideo­lo­gi­sche Grund­lage und lehnte den kapi­ta­lis­ti­schen Entwick­lungs­weg für den Kongo ab. Neben einem natio­na­len Gewerk­schafts­bund (CSC) und einer revo­lu­tio­nä­ren Frau­en­or­ga­ni­sa­tion (URFC) wurde auch ein Jugend­ver­band (Jeunesse de MNR) gegrün­det. Durch diese Umstruk­tu­rie­rung wurden zwar viele der pro-fran­zö­si­schen Persön­lich­kei­ten aus der poli­ti­schen Land­schaft verdrängt, aber die MNR stellte weiter­hin eine anti­im­pe­ria­lis­ti­sche natio­nale Front dar, in der verschie­dene Klas­sen und ideo­lo­gi­sche Strö­mun­gen neben­ein­an­der exis­tier­ten.13

Die nächs­ten Jahre waren von bedeu­ten­den sozia­len Errun­gen­schaf­ten und dem Aufbau eines grund­le­gen­den staat­li­chen Sektors gekenn­zeich­net. Im ganzen Land wurden Gesund­heits­zen­tren und Schu­len gebaut und die Repu­blik rühmte sich bald der höchs­ten Einschu­lungs­rate im tropi­schen Afrika.14 In mehre­ren Städ­ten wurden Textil‑, Zement- und Holz­ver­ar­bei­tungs­fa­bri­ken errich­tet, um ein import­sub­sti­tu­ie­ren­des Entwick­lungs­mo­dell zu fördern und die neoko­lo­nia­len Abhän­gig­kei­ten des Kongo zu verrin­gern.15 Die Regie­rung Massamba-Débat zögerte mit der Verstaat­li­chung von Unter­neh­men in auslän­di­schem Besitz, da es prak­tisch keine einhei­mi­schen tech­ni­schen Fach­leute gab und ein gravie­ren­der Mangel an Tech­no­lo­gien herrschte. Das kolo­niale System und das Regime von Youlou hatten in erster Linie Verwal­tungs­an­ge­stellte statt Inge­nieure und Tech­ni­ker ausge­bil­det. Die MNR star­tete daher Massen­kam­pa­gnen, um eine Gene­ra­tion von tech­ni­schen Fach­kräf­ten auszubilden.

Die MNR voll­zog auch eine Wende in der Außen­po­li­tik des Landes und knüpfte enge Bezie­hun­gen zum sozia­lis­ti­schen Block. Dutzende kongo­le­si­sche Verwal­tungs­be­amte und Studen­ten wurden in die sozia­lis­ti­schen Länder geschickt, um dort eine tech­ni­sche und ideo­lo­gi­sche Ausbil­dung zu erhal­ten, während Hunderte sowje­ti­scher und chine­si­scher Spezia­lis­ten im Kongo unter­rich­te­ten.16 Die USA brachen 1965 die diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen zu Braz­z­aville ab. Kuba­ni­sche Trup­pen wurden einge­la­den, bei der Umwand­lung des kongo­le­si­schen Mili­tärs in eine „natio­nale Volks­ar­mee“ zu helfen.17 Die MNR gewährte außer­dem den lumum­bis­ti­schen Rebel­len aus der benach­bar­ten Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kongo Unter­schlupf und gestat­tete den ango­la­ni­schen Kämp­fern der Volks­be­we­gung zur Befrei­ung Ango­las (Movi­mento Popu­lar de Liber­ta­ção de Angola, MPLA), kongo­le­si­sches Terri­to­rium für Angriffe gegen die portu­gie­si­schen Kolo­ni­al­trup­pen zu nutzen.

1968: Der kongo­le­si­sche Präsi­dent Massamba-Débat (Drit­ter von rechts) trifft Nico­lae Ceaușescu (Fünf­ter von links), den Gene­ral­se­kre­tär der Rumä­ni­schen Kommu­nis­ti­schen Partei.

Die MNR-Regie­rung hatte zwar einen eindeu­tig anti­im­pe­ria­lis­ti­schen Charak­ter, war aber auch durch ihre wirt­schaft­li­che Abhän­gig­keit vom kapi­ta­lis­ti­schen Westen beschränkt. Wie der kongo­le­si­sche Außen­mi­nis­ter Charles-Davin Ganao im August 1966 gegen­über einer DDR-Dele­ga­tion erklärte, konnte Braz­z­aville nicht riskie­ren, durch die Aufnahme offi­zi­el­ler Bezie­hun­gen zur DDR die Bezie­hun­gen zur Bundes­re­pu­blik zu verlie­ren, da die BRD einer der wich­tigs­ten Handels­part­ner des Kongo war und 60 Prozent der Holz­ex­porte des Landes impor­tierte.18 Die Frage der Aner­ken­nung der DDR war damals ein Haupt­streit­punkt unter den anti­im­pe­ria­lis­ti­schen Kräf­ten des gesam­ten Konti­nents. Dabei ging es um viel mehr als nur um die Bezie­hun­gen zum sozia­lis­ti­schen Ostdeutsch­land. Wie Ganao erklärte, konn­ten die anti­im­pe­ria­lis­ti­schen Kräfte eine klare Posi­tion gegen die vom Westen unter­stütz­ten Regime in Saigon und Seoul bezie­hen, aber wenn sie dasselbe gegen Bonn taten, riskier­ten sie, Käufer aus West­deutsch­land und der EWG zu verlie­ren. Dies würde einen endgül­ti­gen Schritt über die Block­frei­heit hinaus in Rich­tung des sozia­lis­ti­schen Blocks bedeu­ten, der wirt­schaft­lich noch nicht in der Lage war, den Westen als Haupt­im­por­teur kongo­le­si­scher Waren abzu­lö­sen. Der Kongo unter­hielt seine Bezie­hun­gen zu West­deutsch­land also „unter dem Zwang der Notwen­dig­keit“ und nicht, weil sie „eine gemein­same Ideo­lo­gie teil­ten“. Ganao fasste das Dilemma des Kongo gegen­über der ostdeut­schen Dele­ga­tion nüch­tern zusam­men: „Die Wirt­schaft des Landes gehört nicht dem kongo­le­si­schen Staat“.

Holz war das wich­tigste Export­gut der Repu­blik bis es in den 1970er Jahren vom Erdöl abge­löst wurde.

Mit dem Fort­schrei­ten der Revo­lu­tion gerie­ten die in der MNR zusam­men­ge­schlos­se­nen Frak­tio­nen zuneh­mend in Konflikt mitein­an­der. Ende 1964 wurde eine Offen­sive gegen rechte Elemente inner­halb der Regie­rung und der Partei einge­lei­tet. Diese Initia­tive stärkte die Posi­tion der Linken, der Gewerk­schaf­ten und des Jugend­flü­gels der MNR. Diese radi­ka­le­ren Kräfte forder­ten eine schnel­lere Verstaat­li­chung der Schlüs­sel­in­dus­trien und eine entschlos­se­nere Umstruk­tu­rie­rung des Staa­tes zur Bekämp­fung der büro­kra­ti­schen Bour­geoi­sie. Die Bemü­hun­gen, die aufge­blähte Büro­kra­tie der Youlou-Ära zu beschnei­den, waren ins Stocken gera­ten, weil sie von vielen schnell als stam­mes­po­li­tisch moti­viert empfun­den wurden. Kürzun­gen waren jedoch drin­gend notwen­dig; 1964 mach­ten die Beam­ten weni­ger als ein Prozent der Bevöl­ke­rung aus, verschlan­gen aber fast 62 Prozent der Staats­ein­nah­men.19 Diese Büro­kra­ten nutz­ten ihre hohen Gehäl­ter häufig, um ihre Groß­fa­mi­lien zu unter­stüt­zen, was zu einer wider­sprüch­li­chen Situa­tion in den Städ­ten führte, wo die Arbeits­lo­sig­keit hoch war, es aber kaum Bett­ler gab.

Massamba-Débat hatte versucht, einen zentris­ti­schen Kurs zwischen dem rech­ten und dem linken Flügel seiner Partei einzu­schla­gen.20 Nach­dem er in den Jahren 1964/65 den rech­ten Flügel aus dem Weg geräumt hatte, ging er 1966 gegen die Linke vor, insbe­son­dere gegen maois­tisch Orien­tie­run­gen in der Partei. Im Juni 1966 kam es zu einem versuch­ten Staats­streich durch linke Armee­of­fi­ziere. Die Situa­tion wurde jedoch dees­ka­liert nach­dem kuba­ni­sche Trup­pen Mitglie­der der Regie­rung Massamba-Débat geschützt hatten, die darauf­hin mit den Putschis­ten verhan­del­ten. In der Folge wurde eine neue MNR-Charta verab­schie­det, die die gestärkte Posi­tion der revo­lu­tio­när-demo­kra­ti­schen Frak­tion der Partei wider­spie­gelte. Ihre Forde­run­gen konzen­trier­ten sich auf die Stra­te­gie der nicht-kapi­ta­lis­ti­schen Entwick­lung und eine stär­kere Rolle des staat­li­chen Über­baus in diesem Prozess:

„[Es ist notwen­dig,] unter der Führung des Prole­ta­ri­ats und auf der Grund­lage des Bünd­nis­ses der Arbei­ter­klasse mit der Bauern­schaft das städ­ti­sche Klein­bür­ger­tum, die natio­nale Bour­geoi­sie und fort­schritt­li­che patrio­ti­sche Elemente zu einen und zusam­men­zu­schlie­ßen, um einen entschie­de­nen Sieg über Impe­ria­lis­mus, Feuda­lis­mus, kompra­do­ri­sche und büro­kra­ti­sche Bour­geoi­sie zu errin­gen. [Wir müssen] die natio­nale Unab­hän­gig­keit bewah­ren, ein Regime der natio­na­len Demo­kra­tie errich­ten und Schritt für Schritt zum Sozia­lis­mus über­ge­hen.“21

Diese neue Charta brachte auch eine Weiter­ent­wick­lung der Auffas­sung des MNR vom Staat und seiner Bezie­hung zur Partei zum Ausdruck. Der Partei, die nun als „Motor der Revo­lu­tion“ bezeich­net wurde, wurde eine domi­nie­rende Rolle im Staats­ap­pa­rat zuge­wie­sen. Eine „Stän­dige Kommis­sion“ wurde einge­rich­tet, um die tägli­che Arbeit der Regie­rung zu kontrol­lie­ren. Dies bedeu­tete eine Abkehr von der bürger­li­chen Staats­theo­rie hin zu revo­lu­tio­när-demo­kra­ti­schen Prin­zi­pien. Man erkannte, dass der nicht-kapi­ta­lis­ti­sche Weg sich nicht spon­tan entfal­ten würde; dieser Prozess würde die entschlos­sene Führung einer Partei erfor­dern, die über eine fundierte wissen­schaft­li­che Analyse verfügte.22 Die Revo­lu­tio­näre im Kongo began­nen, den Staat nicht als neutrale Instanz zu betrach­ten, sondern als ein Instru­ment, mit dem die Partei ihre Poli­tik umset­zen würde. 

5. Eine „Korrektur der degenerierten Revolution“ (1966–1968)

Die ausge­han­delte Eini­gung zwischen Massamba-Débat und der revo­lu­tio­när-demo­kra­ti­schen Frak­tion der Partei hielt nicht lange an. Ambroise Noum­aza­laye, der erste Sekre­tär des MNR und Gali­ons­fi­gur des sowje­tisch orien­tier­ten Flügels der Partei, hatte sich im Mai 1966 das Amt des Premier­mi­nis­ters gesi­chert.23 Bei einem Tref­fen mit einer DDR-Dele­ga­tion im August 1966 analy­sierte Noum­aza­laye die verschärfte inter­na­tio­nale und innen­po­li­ti­sche Situa­tion mit der sein Land konfron­tiert war: Nach einer großen Welle der natio­na­len Befrei­ung zu Beginn der 1960er Jahre hatte „der Impe­ria­lis­mus eine Gegen­of­fen­sive gestar­tet“ – dies zeigte sich in Viet­nam, Indo­ne­sien, Ghana und Rhode­sien.24 Der sino-sowje­ti­sche Split hatte viele natio­nale Befrei­ungs­be­we­gun­gen, darun­ter auch die MNR, gespal­ten und spielte damit objek­tiv den Impe­ria­lis­ten in die Hände. Wohl am wich­tigs­ten ist, dass die Repu­blik Kongo vom sozia­lis­ti­schen Block und den ande­ren anti­im­pe­ria­lis­ti­schen Staa­ten in Afrika völlig isoliert war. Sie war von kapi­ta­lis­tisch orien­tier­ten Staa­ten umge­ben, die häufig versuch­ten, den revo­lu­tio­nä­ren Prozess zu desta­bi­li­sie­ren. Die reak­tio­näre Regie­rung der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kongo – die in Kinshasa saß, buch­stäb­lich nur einen Stein­wurf von Braz­z­aville auf der ande­ren Seite des Kongo-Flus­ses entfernt – war beson­ders aggres­siv gegen­über der MNR.

Ein feind­li­ches Umfeld: Braz­z­aville war sowohl mit den portu­gie­si­schen Kolo­ni­al­mäch­ten in Angola (insbe­son­dere in der benach­bar­ten Enklave Cabinda) als auch mit der anti­kom­mu­nis­ti­schen Regie­rung in Kinshasa konfrontiert.

In Anbe­tracht dieser kriti­schen Situa­tion setz­ten sich Noum­aza­laye und seine Verbün­de­ten im Polit­büro für die Grün­dung einer Avant­gar­de­par­tei ein, die besser in der Lage wäre, die Heraus­for­de­run­gen des kongo­le­si­schen Kamp­fes zu bewäl­ti­gen. Als Massen­par­tei war die MNR nicht diszi­pli­niert und geeint genug, um die sozia­lis­tisch orien­tierte Poli­tik weiterzuführen:

„Die Repu­blik Kongo blickt jedoch mit Zuver­sicht in die Zukunft. Die Fehler, die in Alge­rien, Mali, Guinea und Ghana gemacht wurden, soll­ten im Kongo nicht wieder­holt werden. Über kurz oder lang werden die marxis­ti­schen Kräfte eine in den Massen veran­kerte Avant­gar­de­par­tei schaf­fen. Die Notwen­dig­keit der Exis­tenz einer solchen Partei ist in der MNR erst seit Februar [1966] rich­tig erkannt worden.“25

Die MNR war, wie Noum­aza­laye bemerkte, „keine fest geeinte Partei“.26 Sie sei „in der Hitze des revo­lu­tio­nä­ren Prozes­ses“ entstan­den und es gebe „noch viele Illu­sio­nen [inner­halb der Partei] über das Wesen des Impe­ria­lis­mus“. Gleich­zei­tig stellte der Triba­lis­mus ein ernst­haf­tes Hinder­nis für den Fort­schritt dar, da er das natio­nale Bewusst­sein objek­tiv behin­derte und zu stam­mes­be­ding­ten Konflik­ten um die Vertei­lung von Posi­tio­nen im Staats­ap­pa­rat führte. In Anbe­tracht dieser Reali­tä­ten erklärte Noum­aza­laye, dass „die marxis­ti­schen Kräfte verpflich­tet sind, sich nicht zu schnell zu bewe­gen, da sie sich sonst von den Massen isolie­ren“. Nichts­des­to­trotz müsse die Revo­lu­tion „die innere Kraft für ihre eigene Trans­for­ma­tion“ aufbrin­gen, sonst drohe ihr das glei­che Schick­sal wie Nkru­mahs Ghana.27

Frauen bei der Arbeit im staat­li­chen Textil­un­ter­neh­men des Kongo, SOTEXCO.

Der Konsens, der in der Charta von 1966 ausge­han­delt worden war, hielt den größ­ten Teil des folgen­den Jahres an. Doch im Januar 1968 star­tete Präsi­dent Massamba-Débat eine neue Offen­sive gegen die Linke und entfernte Noum­aza­laye und seine Verbün­de­ten aus der Regie­rung. Sie wurden durch konser­va­ti­vere Persön­lich­kei­ten wie Nico­las Mandjo, den Botschaf­ter des Kongo in Frank­reich, ersetzt, der nun zum Außen­mi­nis­ter ernannt wurde.28

Ange­sichts dieser Entwick­lun­gen und der Stagna­tion der Revo­lu­tion hielt die Studen­ten­or­ga­ni­sa­tion in Braz­z­aville im Juli dessel­ben Jahres einen Kongress ab und verab­schie­dete eine Reso­lu­tion, in der die links­feind­li­che Poli­tik der Regie­rung verur­teilt wurde. Da er um seine Posi­tion fürch­tete, ordnete Massamba-Débat die Verhaf­tung derje­ni­gen an, die er hinter der Reso­lu­tion vermu­tete. Darun­ter befand sich auch ein popu­lä­rer Fall­schirm­jä­ger­kom­man­dant namens Marien Ngou­abi. Anschlie­ßend setzte Massamba-Débat die Verfas­sung von 1963 außer Kraft und löste die Natio­nal­ver­samm­lung und das Polit­büro der MNR auf. Dies löste spon­tane Massen­de­mons­tra­tio­nen der Studen­ten- und Jugend­be­we­gung aus, die denen genau fünf Jahre zuvor in den Trois glorieu­ses nicht unähn­lich waren.29 Ngou­abi wurde zwei Tage später von seinen Solda­ten aus dem Gefäng­nis befreit und ein Natio­na­ler Revo­lu­ti­ons­rat (CNR) mit Ngou­abi an der Spitze wurde gebil­det, der das aufge­löste Polit­büro der MNR ersetzte. Der CNR ließ alle poli­ti­schen Gefan­ge­nen frei und ernannte eine neue provi­so­ri­sche Regie­rung, der sowohl linke als auch gemä­ßig­tere Kräfte ange­hör­ten, um die poli­ti­sche Lage zunächst zu stabi­li­sie­ren. Ngou­abi recht­fer­tigte öffent­lich das Eingrei­fen der Armee mit der Begrün­dung, dass „der alte [Staats-]Apparat, der aus der Revo­lu­tion im August 1963 hervor­ge­gan­gen war, durch den Triba­lis­mus unwirk­sam gewor­den war und daher zerschla­gen werden musste“.30

Die Führer des CNR, Haupt­mann Marien Ngou­abi (Mitte) und Haupt­mann Alfred Raoul (rechts), mit dem verhaf­te­ten Präsi­den­ten Alphonse Massamba-Débat (links) im August 1968.

Diese Dyna­mik – die Stagna­tion und der Zusam­men­bruch der Massen­par­tei während des revo­lu­tio­nä­ren Prozes­ses – war nicht nur im Kongo zu beob­ach­ten. Ähnli­che Entwick­lun­gen waren in Mali, Alge­rien und Syrien zu beob­ach­ten. Im revo­lu­tio­nä­ren Prozess dieser Staa­ten kam ein Punkt, an dem die plura­lis­ti­sche Natio­nale Front nicht mehr in der Lage war, die nicht­ka­pi­ta­lis­ti­sche Stra­te­gie voran­zu­trei­ben. Wie M’Pandzou abschlie­ßend feststellte:

„Die Poli­tik des MNR war einer der ersten Versu­che im subsa­ha­ri­schen Afrika, den Staat zu einem Instru­ment des gesell­schaft­li­chen Fort­schritts zu machen. Damit sollte die neoko­lo­niale, anti­de­mo­kra­ti­sche und profran­zö­si­sche Poli­tik des Youlou-Regimes über­wun­den werden. Der Staats­ap­pa­rat sollte verän­dert, demo­kra­ti­siert und effek­tiv gestal­tet werden. Dieser Versuch blieb in den Anfän­gen stecken, vor allem weil Diffe­ren­zen in der Führung der MNR ein einheit­li­ches Vorge­hen der progres­si­ven Kräfte verhinderten.

 

Es fehl­ten über­dies Erfah­run­gen, um eine realis­ti­sche Konzep­tion der Umge­stal­tung des Staats­ap­pa­ra­tes unter diesen kompli­zier­ten Bedin­gun­gen auszu­ar­bei­ten. Daraus erklä­ren sich in hohem Maße die Nutzung bürger­li­cher Formen der Macht einer­seits und ‚linkes‘ unrea­les Vorprel­len ande­rer­seits. Dessen­un­ge­ach­tet wurden ersten Schritte gemacht, an die die die nach­fol­gen­den revo­lu­tio­när-demo­kra­ti­schen Kräfte anknüp­fen konn­ten.“31

Die marxis­ti­schen Kräfte im Kongo bezeich­ne­ten später die Zeit von 1963 bis 1968 als die „erste Etappe der natio­nal­de­mo­kra­ti­schen Volks­re­vo­lu­tion“.32 Die Aufgabe bestand nun darin, einen neuen Staats­ap­pa­rat aufzu­bauen, der im Dienste der Revo­lu­tion stand. Dies erfor­derte die Bildung einer einheit­li­chen und entschlos­se­nen Avant­gar­de­par­tei, die über ein wissen­schaft­li­ches Programm und erfah­rene Kader verfügte, um den Aufbau einer neuen Gesell­schaft bewusst zu leiten. Unter der Führung von Ngou­abi leite­ten fort­schritt­li­che Armee­of­fi­ziere nun den Prozess ein, der von revo­lu­tio­nä­ren Intel­lek­tu­el­len wie Noum­aza­laye seit Anfang 1966 propa­giert worden war. 

6. Der Beginn einer neuen Etappe der Revolution (1968–1970)

Das erste Jahr der neuen Regie­rung war geprägt von einem inter­nen Macht­kampf inner­halb der CNR zwischen den Linken und den Gemä­ßig­ten. Die Linken, ange­führt von Haupt­mann Ngou­abi, befür­wor­te­ten eine beschleu­nigte Verstaat­li­chung auslän­di­scher Unter­neh­men und engere Bezie­hun­gen zu den sozia­lis­ti­schen Staa­ten. Die Gemä­ßig­ten, ange­führt von Kongos neuem Präsi­den­ten, Haupt­mann Alfred Raoul, argu­men­tier­ten, dass das Land es sich nicht leis­ten könne, die Bezie­hun­gen zum kapi­ta­lis­ti­schen Westen zu verlie­ren, und daher keine über­eil­ten Verstaat­li­chun­gen riskie­ren dürfe. In diesen Ausein­an­der­set­zun­gen spielte die Frage der Aner­ken­nung der DDR erneut eine zentrale Rolle, da sie die zukünf­tige Rich­tung der Revo­lu­tion bestim­men würde. Die Rolle des west­deut­schen Kapi­tals in der kongo­le­si­schen Wirt­schaft hatte sich während der Präsi­dent­schaft von Massamba-Débat ausge­wei­tet; neben dem größ­ten Abneh­mer der kongo­le­si­schen Holz­ex­porte hatten west­deut­sche Firmen inzwi­schen mehrere land­wirt­schaft­li­che Verar­bei­tungs­be­triebe und die einzige Zement­fa­brik des Landes gebaut und damit Einfluss auf alle Baupläne genom­men.33

Der Kern dieses Streits drehte sich um den Klas­sen­cha­rak­ter der Revo­lu­tion: Würden klein­bür­ger­li­che Kräfte weiter­hin eine natio­nale Front anfüh­ren, oder war es an der Zeit, endgül­tig zu einem „Volks­re­pu­blik“ vorzu­sto­ßen, der auf der Macht der Arbei­ter und Bauern beruhte? Ende 1969 hatten Ngou­abi und die revo­lu­tio­när-demo­kra­ti­sche Frak­tion die Ober­hand über die gemä­ßig­ten Kräfte gewon­nen, indem sie sich die Unter­stüt­zung der Jugend­be­we­gung, der Gewerk­schaf­ten und bedeu­ten­der Teile des Mili­tärs sicher­ten.34 Im CNR wurde beschlos­sen, eine Avant­gar­de­par­tei der Werk­tä­ti­gen zu schaf­fen und eine entschlos­se­nere wirt­schaft­li­che Stra­te­gie zu verfol­gen. Es wurde argu­men­tiert, dass eine Inten­si­vie­rung der Bezie­hun­gen mit dem sozia­lis­ti­schen Welt­sys­tem dazu beitra­gen würde, „die Kette zu lösen, die uns an die kapi­ta­lis­ti­schen Staa­ten bindet“.35

Im Dezem­ber 1969 wurde in Braz­z­aville ein Kongress einbe­ru­fen, um die neue Partei – die Parti congo­lais du travail (Kongo­le­si­sche Partei der Arbeit, PCT) – als Avant­garde der Werk­tä­ti­gen mit dem Marxis­mus-Leni­nis­mus als ideo­lo­gi­schem Funda­ment zu grün­den; sie war die erste Regie­rungs­par­tei in Afrika südlich der Sahara, die dies tat. Ein neuer Staat – die Répu­bli­que popu­laire du Congo (Volksrepu­blik Kongo) – wurde prokla­miert, zusam­men mit einer neuen Verfas­sung, die wiederum eine deut­li­che Abkehr vom bürger­li­chen Verfas­sungs­recht bedeu­tete. Der Klas­sen­cha­rak­ter und die soziale Substanz des Staa­tes wurden in der Verfas­sung nun ausdrück­lich genannt, wobei das „arbei­tende Volk“ als Träger der kongo­le­si­schen Revo­lu­tion bezeich­net wurde. Die verschie­de­nen Eigen­tums­for­men wurden fest­ge­legt und dem öffent­li­chen Eigen­tum wurde Vorrang einge­räumt. Der PCT wurden Verwal­tungs- und Kontroll­funk­tio­nen über den Staats­ap­pa­rat zuge­si­chert, wobei Arti­kel 5 besagte, dass „die Vertre­ter des Volkes in allen Orga­nen der Staats­macht den Partei­or­ga­nen gegen­über verant­wort­lich sind“36 Der Vorrang der Partei vor dem Staat wurde somit in der Verfas­sung veran­kert. Die neue Volks­re­pu­blik würde immer noch auf das alte, in der Kolo­nial- und Youlou-Ära ausge­bil­dete Verwal­tungs­per­so­nal zurück­grei­fen müssen, aber die führende Rolle der PCT stellte sicher, dass diese Büro­kra­ten kontrol­liert und für die Revo­lu­tion einge­setzt werden konnten.

Die Ausru­fung der Volks­re­pu­blik Kongo im Dezem­ber 1969: Ngou­abi präsen­tiert die neue Flagge des Landes.

7. Der Kampf um die Definition der Volksdemokratie im Kongo (1970–1972)

Eine revo­lu­tio­näre Partei wird durch die Praxis geschmie­det, nicht durch Dekrete. Die Dele­gier­ten des Kongres­ses 1969 hatten zwar ein Partei­sta­tut verab­schie­det, konn­ten sich aber noch nicht auf ein Partei­pro­gramm eini­gen. Zwischen den maois­ti­schen und marxis­tisch-leni­nis­ti­schen Frak­tio­nen herrschte noch Unei­nig­keit über das geeig­nete Modell für die weitere Entwick­lung der Partei und des Landes.37

Die PCT bestand ursprüng­lich aus nur 160 Mitglie­dern. Sollte sie eine elitäre Kader­par­tei blei­ben oder sollte sie sich den Massen öffnen? Welchen Grad an Auto­no­mie soll­ten die neuen Massen­or­ga­ni­sa­tio­nen gegen­über der PCT haben? Welche Rolle hatte die natio­nale Bour­geoi­sie auf dem nicht-kapi­ta­lis­ti­schen Entwick­lungs­weg des Kongo zu spie­len? Und wie schnell konnte das auslän­di­sche Kapi­tal aus der natio­na­len Wirt­schaft verdrängt werden? Diese Fragen soll­ten die nächs­ten zwei Jahre bestim­men, in denen die PCT darum kämpfte, Einheit im Handeln zu finden.

Trotz dieses poli­ti­schen Kamp­fes inner­halb der PCT wurden große Anstren­gun­gen unter­nom­men, um die brei­te­ren Massen in die Diskus­sion um das Partei­pro­gramm einzu­be­zie­hen. Die PCT orga­ni­sierte Massen­ver­samm­lun­gen und Bildungs­se­mi­nare im ganzen Land, um die sozio­öko­no­mi­sche Situa­tion und die Aufga­ben der aktu­el­len Phase der Revo­lu­tion zu disku­tie­ren.38 Diese Entwick­lun­gen spie­gel­ten eine weitere Vertie­fung der Demo­kra­ti­sie­rung der Revo­lu­tion wider.

Ngou­abi, der ursprüng­lich aus der ärme­ren Region im Norden des Kongo stammt, unter­nahm ausge­dehnte Reisen in die länd­li­chen Gebiete, um die Probleme des Agrar­sek­tors zu erkunden.

In dieser Über­gangs­zeit konzen­trierte sich die PCT in erster Linie auf die Kader­schu­lung. Die Botschaf­ten der sozia­lis­ti­schen Staa­ten wurden um Unter­stüt­zung gebe­ten, wobei die UdSSR Mate­rial wie Lenins Werke lieferte und die Botschaf­ten von Viet­nam, Korea und Kuba Lese­zir­kel orga­ni­sier­ten.39 Die Partei beab­sich­tigte, in allen Betrie­ben und Einrich­tun­gen Revo­lu­ti­ons­ko­mi­tees zu bilden, die als „Instru­mente der Dikta­tur der natio­na­len Demo­kra­tie“ fungie­ren soll­ten. Diese „RevComms“ hatten die Aufgabe, die führende Rolle der PCT auf loka­ler Ebene zu veran­kern, indem sie die Massen mobi­li­sier­ten und sie mit der Partei bekannt mach­ten.40

1970 begann die Regie­rung Ngou­abi, den Inlands- und Außen­han­del stär­ker zu kontrol­lie­ren und verschie­dene Berei­che der kongo­le­si­schen Wirt­schaft wurden verstaat­licht, darun­ter die Kongo-Ozean-Eisen­bahn sowie alle Stra­ßen, Brücken und Flug­hä­fen.41 Auch die in fran­zö­si­schem Besitz befind­li­chen land­wirt­schaft­li­chen Raffi­ne­rien und Holz­un­ter­neh­men wurden verstaat­licht, wodurch 80.000 Hektar Wald­land in öffent­li­ches Eigen­tum über­gin­gen.42 Da benach­barte afri­ka­ni­sche Staa­ten häufig Kapi­tal­an­teile an den zur Verstaat­li­chung vorge­se­he­nen Verar­bei­tungs­be­trie­ben hiel­ten, versuchte die PCT, vorsich­tig vorzu­ge­hen.43 Frank­reich reagierte auf die Verstaat­li­chun­gen mit der Forde­rung nach einer raschen Rück­zah­lung der hohen Schul­den, die Braz­z­aville bei der alten Kolo­ni­al­macht hatte. Darauf­hin leitete die PCT eine weitere Verstaat­li­chungs­welle ein und verhängte strenge Beschrän­kun­gen für fran­zö­si­sche Unter­neh­men, die im Kongo tätig waren.44 Braz­z­aville zog sich darauf­hin aus der zwischen­staat­li­chen Orga­ni­sa­tion Commune Afri­caine et Malga­che (OCAM) zurück, die von Frank­reichs impe­ria­lis­ti­schem Einfluss domi­niert worden war.45 In eini­gen Fällen konnte die PCT die fran­zö­si­schen Tech­ni­ker, die in diesen ehemals priva­ten Unter­neh­men arbei­te­ten, über­neh­men, doch der Mangel an Fach­kräf­ten behin­derte den staat­li­chen Sektor des Kongo erheb­lich.46 Vor allem im Holz­be­reich gerie­ten die Initia­ti­ven zur Schaf­fung einer einhei­mi­schen Verar­bei­tungs­in­dus­trie ins Stocken, da es an Kapi­tal, Fach­wis­sen und Kennt­nis­sen über die Bedin­gun­gen auf den hoch­spe­zia­li­sier­ten Welt­holz­märk­ten fehlte.47

Auch in der Außen­po­li­tik ergreift die Partei muti­gere Initia­ti­ven. Auf dem Grün­dungs­kon­gress im Dezem­ber 1969 hatten die Dele­gier­ten den Beschluss zur offi­zi­el­len Aner­ken­nung der DDR gefasst, womit die VR Kongo einer der ersten Staa­ten südlich der Sahara war, der dies tat.48 Im März 1970 folgte ein Handels- und Kredit­ab­kom­men mit der DDR im Wert von 6 Millio­nen US-Dollar.49 Die Regie­rung Ngou­abi begann mit der Norma­li­sie­rung der Bezie­hun­gen zum Nach­bar­land Kongo-Kinshasa, um die Span­nun­gen in der Region abzu­bauen und die Isola­tion der Volks­re­pu­blik Kongo zu verrin­gern. Man hoffte, dass der inner­afri­ka­ni­sche Handel – trotz ideo­lo­gi­scher Diffe­ren­zen – dazu beitra­gen könnte, die Abhän­gig­keit von den west­li­chen Märk­ten zu verrin­gern. Dieser Schritt wurde jedoch von maois­ti­schen Mitglie­dern des Zentral­ko­mi­tees der PCT scharf verur­teilt, die nicht mit Mobu­tus Kompra­do­ren­re­gime in Kinshasa verhan­deln woll­ten, insbe­son­dere nach­dem Pierre Mulele – ein kongo­le­si­scher Maoist und ehema­li­ger Minis­ter unter Patrice Lumumba – 1968 aus seinem Exil in Braz­z­aville heraus­ge­lockt und in Kinshasa brutal zu Tode gefol­tert worden war.

8. Der Aufbau eines neuen Staatsapparats (1972)

Bis Ende 1972 hatten Ngou­abi und seine Verbün­de­ten zahl­rei­che Versu­che über­lebt, die junge Regie­rung zu stür­zen.50 Diese Angriffe erreich­ten im Februar 1972 einen Höhe­punkt als es bewaff­ne­ten Maois­ten beinahe gelun­gen wäre, Ngou­abi zu stür­zen. Nach dem Sieg über die aufstän­di­schen Offi­ziere waren die PCT und die Jugend­or­ga­ni­sa­tion zahlen­mä­ßig geschwächt, aber die marxis­tisch-leni­nis­ti­sche Frak­tion hatte ihre Posi­tion in der Partei gefestigt.

Ngou­abi nimmt auf dem Zwei­ten Außer­or­dent­li­chen Kongress im Dezem­ber 1972 Geschenke an die PCT von inter­na­tio­na­len Dele­gier­ten entgegen.

Mit diesem Sieg wurden die inter­nen Strei­tig­kei­ten been­det und auf dem Zwei­ten Außer­or­dent­li­chen Kongress im Dezem­ber 1972, zwei Jahre nach der Grün­dung der PCT, schließ­lich ein Partei­pro­gramm ange­nom­men. Das Programm wies die ultra­linke Parole zurück, dass die VR Kongo bereits ein sozia­lis­ti­scher Staat gewor­den sei, indem sie einfach den Marxis­mus-Leni­nis­mus als ideo­lo­gi­sche Grund­lage ange­nom­men habe. Statt­des­sen konsta­tierte es, dass noch ein langer Weg vor dem Kongo liege, bevor das Land mit dem Aufbau des Sozia­lis­mus begin­nen könne. Die gegen­wär­tige Phase der Revo­lu­tion wurde nun offi­zi­ell als „natio­nal-demo­kra­ti­sche Volks­re­vo­lu­tion“ bezeichnet:

„Natio­nal, weil diese Etappe darauf abzielt, die Vorherr­schaft des fran­zö­si­schen Impe­ria­lis­mus zu stür­zen, der die natio­nale Wirt­schaft kontrol­liert und somit auch objek­tiv die poli­ti­sche Situa­tion kontrol­liert. Diese Etappe zielt auch darauf ab, die objek­ti­ven und subjek­ti­ven Voraus­set­zun­gen für die Konso­li­die­rung der kongo­le­si­schen Nation zu schaf­fen, indem die Grund­la­gen des Triba­lis­mus und Regio­na­lis­mus besei­tigt werden.

 

Demo­kra­tisch, weil sie darauf abzielt, die Herr­schaft einer Minder­heit über die große Mehr­heit des Volkes zu erset­zen; weil sie sich auf die Volks­mas­sen stützt (insbe­son­dere die Arbei­ter, Bauern und revo­lu­tio­nä­ren Intel­lek­tu­el­len), und [die Revo­lu­tion] ist ihr Werk unter dem Banner der PCT.

 

Popu­lär schließ­lich, weil sie beginnt, die wirt­schaft­li­chen, sozia­len und kultu­rel­len Grund­la­gen für die nächste Etappe, die sozia­lis­ti­sche Revo­lu­tion, zu schaf­fen. Dies geschieht durch die Förde­rung aller notwen­di­gen objek­ti­ven, psycho­lo­gi­schen und subjek­ti­ven Bedin­gun­gen und durch die Mobi­li­sie­rung der brei­ten ausge­beu­te­ten Massen unter dem Banner des Prole­ta­ri­ats und seiner Avant­garde, der PCT.“51

Die Prio­ri­tät in dieser Phase der Revo­lu­tion war die Lösung der Frage der Staats­macht. So heißt es in Arti­kel 4 des neuen Parteiprogramms:

„Der heutige Staat ist ein Erbe des Kolo­nia­lis­mus. Die Maschi­ne­rie der neoko­lo­nia­len Herr­schaft muss zerschla­gen und durch eine revo­lu­tio­näre, demo­kra­ti­sche Volks­re­pu­blik ersetzt werden.“52

Dieser Gedanke der Zerschla­gung und Erset­zung des alten Staa­tes war von Lenin 1917 in Staat und Revo­lu­tion formu­liert worden. Die sozia­lis­ti­schen Staa­ten, die in Osteu­ropa errich­tet worden waren, entstan­den jedoch nicht aus einem neoko­lo­nia­len Kontext heraus. In Subsa­hara-Afrika war dies eine quali­ta­tiv neue Aufgabe, die einen eige­nen Ansatz erfor­derte. Bei der Unter­su­chung der Frage des revo­lu­tio­nä­ren Staa­tes im post­ko­lo­nia­len Kontext stell­ten die sowje­ti­schen Wissen­schaft­ler Cirkin und Judin fest, dass die Zerstö­rung des alten und die Bildung eines neuen Staats­ap­pa­ra­tes, „die ein allge­mei­nes Gesetz echter Volks­re­vo­lu­tio­nen ist, in jedem Land einem spezi­fi­schen Muster folgt, das von den konkre­ten histo­ri­schen Bedin­gun­gen der revo­lu­tio­nä­ren Entwick­lung abhängt“.53 In Russ­land zum Beispiel wurde der bürger­li­che Staats­ap­pa­rat nach der Okto­ber­re­vo­lu­tion rela­tiv schnell zerschla­gen, und die bereits bestehen­den Arbei­ter- und Solda­ten­räte (die Sowjets) wurden rasch „zum Boll­werk des neuen Verwal­tungs­ap­pa­rats“. In den Volks­de­mo­kra­tien Osteu­ro­pas hinge­gen waren „die alten Formen parla­men­ta­ri­scher, kommu­na­ler Selbst­ver­wal­tungs- und Verwal­tungs­in­sti­tu­tio­nen über einen länge­ren Zeit­raum in Gebrauch“, bevor sie in einem rela­tiv lang­wie­ri­gen Prozess nach sozia­lis­ti­schen Prin­zi­pien grund­le­gend umge­stal­tet wurden.

„Diese Beispiele zeigen, dass das Tempo, die Wege und die Metho­den der Besei­ti­gung des alten und der Bildung eines neuen Staats­ap­pa­ra­tes sehr unter­schied­lich sein können. Sie hängen ab vom Verhält­nis der Klas­sen­kräfte im jewei­li­gen Land und auf der inter­na­tio­na­len Bühne, vom fried­li­chen oder nicht fried­li­chen Verlauf des revo­lu­tio­nä­ren Prozes­ses, vom Vorhan­den­sein demo­kra­ti­scher Tradi­tio­nen und vielen ande­ren Faktoren.“

Die Bedin­gun­gen im Kongo stell­ten die PCT vor einzig­ar­tige Heraus­for­de­run­gen. Die kongo­le­si­sche Wirt­schaft wurde immer noch von auslän­di­schem Kapi­tal beherrscht. Gleich­zei­tig waren viele Aspekte der kongo­le­si­schen Gesell­schaft, insbe­son­dere im ärme­ren Norden, weiter­hin von vorfeu­da­len Verhält­nis­sen geprägt. Stam­mes­den­ken war weit verbrei­tet und stellte ein offe­nes Tor dar, durch das konter­re­vo­lu­tio­näre Kräfte die Kämpfe befeu­ern konn­ten. Schließ­lich hatte die PCT auch einen aufge­bläh­ten Staats­ap­pa­rat mit einer großen Klasse von kolo­nial ausge­bil­de­ten Büro­kra­ten geerbt, die darauf bedacht waren, ihre Privi­le­gien zu erhalten.

Anfang der 1970er Jahre führte die DDR-Dokto­ran­din Lizzy Derz in Zusam­men­ar­beit mit PCT-Kadern eine Studie über die Arbeits­kräfte in der VR Kongo durch, die damals etwa 510.000 Perso­nen umfassten. 

Vor diesem Hinter­grund wusste Ngou­abi, dass der Aufbau einer neuen Gesell­schaft nicht spon­tan erfol­gen würde, sondern einen effi­zi­en­ten Staats­ap­pa­rat erfor­derte, der von einer wissen­schaft­li­chen Analyse und Stra­te­gie gelei­tet wurde. Alle staat­li­chen und gesell­schaft­li­chen Insti­tu­tio­nen müss­ten nach den Erfor­der­nis­sen der Revo­lu­tion geformt und verei­nigt werden. Wenn sich Teile des Staats­ap­pa­rats – wie das Mili­tär – von der Partei abspal­te­ten, würde die Revo­lu­tion schnell schei­tern, so wie es in Ghana und Mali in den 1960er Jahren der Fall war. Im Rahmen der Verfas­sung musste die Partei zur poli­ti­schen (wenn auch nicht admi­nis­tra­ti­ven) Führung des Staats­ap­pa­rats verpflich­tet werden; sie musste die Tätig­keit der Staats­or­gane ausrich­ten, über­prü­fen und anweisen.

Um den Triba­lis­mus zu bekämp­fen, betonte Ngou­abi die Notwen­dig­keit einer mate­ria­lis­ti­schen Analyse: Unter dem Kolo­nia­lis­mus habe es eine objek­tive Ungleich­heit zwischen den ethni­schen Stäm­men in Bezug auf die sozio­öko­no­mi­sche und kultu­relle Entwick­lung gege­ben. Diese Wurzeln des Triba­lis­mus müss­ten durch eine verstärkte Entwick­lung in den ärme­ren nörd­li­chen Regio­nen besei­tigt werden. Das Natio­nal­be­wusst­sein sollte auf einer nicht-kapi­ta­lis­ti­schen Grund­lage geför­dert werden, wobei sich die Massen um die Revo­lu­tion scha­ren soll­ten. Gleich­zei­tig müss­ten in allen staat­li­chen Orga­nen und mili­tä­ri­schen Einhei­ten Partei­ko­mi­tees einge­rich­tet werden, um triba­lis­ti­sche Tenden­zen entschlos­sen zu bekämp­fen und diese Insti­tu­tio­nen an die revo­lu­tio­näre Sache zu binden.

Als star­ker Verfech­ter der Wissen­schaft vertrat Marien Ngou­abi die Idee, dass wissen­schaft­li­che Gesetze nicht nur die natür­li­che Welt, sondern auch die Entwick­lung der mensch­li­chen Gesell­schaft bestim­men. Hier nimmt er an einer Chemie­stunde an der Univer­si­tät von Braz­z­aville (heute Univer­sité Marien Ngou­abi) teil.

Ngou­abi legte den Klas­sen­cha­rak­ter der jungen Volks­de­mo­kra­tie dar: „Wir kämp­fen für die Dikta­tur des Prole­ta­ri­ats, und der erste Schritt zur Macht­über­nahme durch das Prole­ta­riat ist die Dikta­tur der Mehr­heit.“54 Das wich­tigste Element dieser Einheits­front war die Arbei­ter­klasse im Bünd­nis mit den Bauern und der revo­lu­tio­nä­ren Intel­li­genz. Die mitt­lere Bour­geoi­sie, die klei­nen Kauf­leute und Hand­wer­ker, stan­den im Wider­spruch zum Impe­ria­lis­mus und konn­ten daher eben­falls eine fort­schritt­li­che Rolle spie­len. Diese Idee war eine Ausar­bei­tung von Lenins Theo­rie der „revo­lu­tio­när-demo­kra­ti­schen Dikta­tur der Arbei­ter und Bauern“, ange­passt an den neoko­lo­nia­len Kontext.55

Dementspre­chend wurden in städ­ti­schen und länd­li­chen Gebie­ten neue lokale demo­kra­ti­sche Organe einge­rich­tet. In deren Versamm­lun­gen soll­ten alle Klas­sen vertre­ten sein, und auch Nicht-PCT-Mitglie­der konn­ten gewählt werden.56 Das Parla­ment wurde 1973 neu konsti­tu­iert, und die Zahl der Abge­ord­ne­ten wurde verdop­pelt, um eine ange­mes­sene Vertre­tung der länd­li­chen Gebiete zu gewähr­leis­ten. Die neue Verfas­sung, die auf dem Kongress von 1972 ausge­ar­bei­tet worden war, wurde im Juni 1973 in einer Volks­ab­stim­mung ange­nom­men und erhielt die Zustim­mung von 73,5 Prozent der Wähler­schaft.57 All diese Maßnah­men spie­gel­ten eine weitere Revo­lu­tio­nie­rung und Demo­kra­ti­sie­rung des poli­ti­schen Prozes­ses wider.

9. Die Ära Ngouabi und die Entdeckung des Erdöls (1972–1977)

Die Konso­li­die­rung der natio­nal­de­mo­kra­ti­schen Revo­lu­tion von 1972 führte Mitte der 1970er Jahre zu einer opti­mis­ti­schen und entschlos­se­nen Stim­mung im Kongo.58 Die Regie­rung Ngou­abi ergriff neue wirt­schaft­li­che Maßnah­men, um den Einfluss des auslän­di­schen Kapi­tals einzu­schrän­ken. Dazu gehör­ten die Verstaat­li­chung des Bodens, die Beschrän­kung des Trans­fers von Gewin­nen ins Ausland, die Erhö­hung der öffent­li­chen Anteile an priva­ten Berg­bau­un­ter­neh­men, ein staat­li­ches Mono­pol für die Vermark­tung von Holz und die Aufhe­bung alter Abkom­men mit Frank­reich.59 Der PCT setzte auch das Ziel, alle Exper­ten und Tech­ni­ker aus Frank­reich durch kongo­le­si­sche Kader zu erset­zen, die in den sozia­lis­ti­schen Staa­ten ausge­bil­det worden waren. 1974 wurden alle Handels­un­ter­neh­men verpflich­tet, ihr Perso­nal zu „kongo­li­sie­ren“. Auslän­di­sche Inves­ti­tio­nen und Tech­ni­ker wurden nur noch in bestimm­ten Sekto­ren zuge­las­sen, und sie muss­ten einen Plan für ihre künf­tige Erset­zung durch kongo­le­si­sche Mittel und Kader vorle­gen.60

Ngou­abi (links) trifft sich im August 1974 mit führen­den Vertre­tern der MPLA. Die PCT war ein wich­ti­ger Verbün­de­ter der Befrei­ungs­be­we­gung im benach­bar­ten Angola und unter­stützte die MPLA bei der Einrich­tung von Mili­tär­stütz­punk­ten entlang der Grenze.

Die Grün­dung der Volks­re­pu­blik fiel auch mit einer schick­sal­haf­ten wirt­schaft­li­chen Entwick­lung des Landes zusam­men. Nach jahre­lan­gen Speku­la­tio­nen hatten fran­zö­si­sche und italie­ni­sche Unter­neh­men 1969 entlang der kongo­le­si­schen Küste riesige Offshore-Ölvor­kom­men entdeckt. Braz­z­aville hatte diesen Unter­neh­men Bohr­ge­neh­mi­gun­gen erteilt, wohl wissend, dass die Einhei­mi­schen weder über das nötige Wissen noch über die nötige Tech­no­lo­gie verfüg­ten. Im Gegen­zug soll­ten diese auslän­di­schen Unter­neh­men 20 Prozent ihrer jähr­li­chen Einnah­men an den kongo­le­si­schen Staats­haus­halt abfüh­ren.61 Die fran­zö­si­sche Elf-Aqui­taine und die italie­ni­sche ENI mach­ten bald ein Vermö­gen, indem sie den größ­ten Teil des kongo­le­si­schen Ölreich­tums abschöpf­ten. Die Einnah­men aus den 20-prozen­ti­gen Antei­len verbes­ser­ten jedoch die kongo­le­si­sche Handels­bi­lanz, so dass 1975 zum ersten Mal ein Handels­über­schuss verzeich­net wurde. Dieses Glück trug dazu bei, die opti­mis­ti­sche Stim­mung in Braz­z­aville zu verstär­ken. Ein ehrgei­zi­ger neuer natio­na­ler Entwick­lungs­plan spie­gelte diesen Opti­mis­mus wider. Mit dem Ziel, schritt­weise die Kontrolle über den neuen lukra­ti­ven Erdöl­sek­tor zu über­neh­men, forderte die PCT einen größe­ren Anteil an den Gewin­nen von Elf und ENI und grün­dete eine staat­li­che Erdöl­ge­sell­schaft namens Hydro­congo. Als ameri­ka­ni­sche Ölge­sell­schaf­ten auftauch­ten, um von den neuen Entde­ckun­gen zu profi­tie­ren, legte Braz­z­aville fest, dass die Hälfte ihrer Einnah­men schließ­lich an Hydro­congo abge­führt werden musste.

Die Ölraf­fi­ne­rie des staat­li­chen Unter­neh­mens Hydro­congo in der Stadt Pointe-Noire.

Die Entde­ckung von Offshore-Öl war ein zwei­schnei­di­ges Schwert. Einer­seits sorgte sie für einen drin­gend benö­tig­ten Aufschwung bei den Staats­ein­nah­men, da Öl bald das Holz als Haupt­ex­port­gut des Kongo ablöste. Zwischen 1970 und 1975 stieg das reale Brut­to­so­zi­al­pro­dukt um 8,2 Prozent, wobei ein Groß­teil dieser Mittel in Sozial- und Infra­struk­tur­aus­ga­ben floss.62 Die Zahl der einge­schrie­be­nen Schul­kin­der verdrei­fachte sich, wodurch Ende der 1970er Jahre über 350.000 Kinder kosten­lo­sen Unter­richt erhiel­ten.63 Gleich­zei­tig geriet der Kongo jedoch in eine starke Abhän­gig­keit vom Erdöl, das Mitte der 1980er Jahre über 80 Prozent der Exporte des Landes ausmachte.64

Wenn die Provi­sio­nen für auslän­di­sche Holz­fir­men eine einfa­che, aber unpro­duk­tive Einnah­me­quelle für den Kongo waren, so waren die Provi­sio­nen für die Ölför­de­rung nicht anders. Trotz großer Anstren­gun­gen gelang es der staat­li­chen Hydro­congo nicht, die Kontrolle über die Raffi­na­tion und Vermark­tung des Öls zu über­neh­men. Der Wett­be­werb mit den finanz­star­ken und erfah­re­nen fran­zö­si­schen und italie­ni­schen Toch­ter­ge­sell­schaf­ten war einfach zu groß. Noch fata­ler war jedoch, dass die kongo­le­si­sche Wirt­schaft nun dem Boom-Bust-Zyklus des kapi­ta­lis­ti­schen Welt­mark­tes völlig ausge­lie­fert war. Während die frühen 1970er Jahre Braz­z­aville Rekord­ein­nah­men bescher­ten, führte die welt­weite Rezes­sion 1974 dazu, dass das reale Wachs­tum des kongo­le­si­schen Brut­to­so­zi­al­pro­dukts von 8,2 Prozent auf nur 1,6 Prozent in den Jahren 1975 und 1976 zurückging.

Das Öl vertiefte somit die wirt­schaft­li­che Abhän­gig­keit der Volks­re­pu­blik vom Westen. Noch 1976 war mehr als die Hälfte der kongo­le­si­schen Exporte für die EWG bestimmt, während fast 70 Prozent der Importe aus West­eu­ropa stamm­ten.65 Die neoko­lo­nia­len Reali­tä­ten im südli­chen Afrika wurden auch durch den mage­ren Handel des Kongo mit seinen Nach­barn deut­lich: Nur 7,5 Prozent der kongo­le­si­schen Importe kamen aus den Nach­bar­staa­ten der zentral­afri­ka­ni­schen UDEAC-Zoll­union. Die Exporte in die UDEAC-Länder waren völlig unbe­deu­tend. Die sozia­lis­ti­schen Staa­ten hatten ihrer­seits starke poli­ti­sche Bindun­gen zu Braz­z­aville aufge­baut, konn­ten aber die kapi­ta­lis­ti­schen Mächte nicht als bedeu­tende Handels­part­ner erset­zen. Auf den sozia­lis­ti­schen Block entfie­len nur 4 Prozent der kongo­le­si­schen Einfuh­ren, während die Ausfuh­ren nur etwas mehr als 8 Prozent ausmach­ten. Darüber pole­mi­sier­ten Ngou­abi und seine Verbün­de­ten Mitte der 1970er Jahre auf bila­te­ra­ler Ebene mit den sozia­lis­ti­schen Regie­run­gen und gele­gent­lich sogar öffent­lich.66

Eine der vielen DDR-Bürge­rin­nen, die bei der Ausbil­dung einer neuen Gene­ra­tion kongo­le­si­scher Fach­kräfte helfen: Dr. Helga Buch­ecker unter­rich­tet junge Medi­zin­stu­den­ten in einer Poli­kli­nik in Brazzaville.

Auch die PCT machte in diesen Jahren eine weitere Entwick­lung durch. Seit 1970 hatte Ngou­abi auf eine Auswei­tung der Partei­mit­glied­schaft gedrängt, um eine brei­tere Massen­ba­sis zu schaf­fen und die Partei sowohl im länd­li­chen Hinter­land als auch in der Armee zu veran­kern.67 Doch erst im Dezem­ber 1974, als Ngou­abi erneut zum Vorsit­zen­den der PCT gewählt wurde, konnte er die Mehr­heit des Zentral­ko­mi­tees davon über­zeu­gen, seinen Vorschlag zu unter­stüt­zen. In der Folge führte er diese Initia­tive an, und die Mitglie­der­zahl stieg bis 1975 um das Sechs­fa­che von 227 auf 1.427. Auch das Polit­büro wuchs von 5 auf 8 Mitglie­der und der Zentral­aus­schuss von 40 auf 50. Diese Bemü­hun­gen trugen dazu bei, dass die Massen­or­ga­ni­sa­tio­nen und das Mili­tär in der Partei vertre­ten und mit ihr verbun­den waren.

In dem Bemü­hen, den schlep­pen­den Prozess der Reor­ga­ni­sa­tion des Staats­ap­pa­rats zu beschleu­ni­gen, setzte die PCT 1975 einen Sonder­aus­schuss ein, um „unver­bes­ser­li­che Kader“ aus Macht­po­si­tio­nen zu entfer­nen. Unter dem Motto „Die Macht dem Volk“ wurde eine Poli­tik einge­lei­tet, die den Arbei­tern und Bauern den Zugang zu Verwal­tungs­pos­ten erleich­tern sollte.68

Diese „Radi­ka­li­sie­rung der Partei“ wurde von der Jugend­or­ga­ni­sa­tion voran­ge­trie­ben, da die Studen­ten eine aggres­si­vere Poli­tik gegen­über den „über­pri­vi­le­gier­ten und über­be­zahl­ten“ Büro­kra­ten forder­ten. Die Regie­rung, das Zentral­ko­mi­tee und das Polit­büro der PCT beug­ten sich diesem Druck und stell­ten sich neu auf. Ngou­abi kündigte an, dass 1977 ein Drit­ter Außer­or­dent­li­cher PCT-Kongress statt­fin­den würde, um diesen Umstruk­tu­rie­rungs­pro­zess fort­zu­set­zen und die Büro­kra­tie zu bekämp­fen, die von den neuen Ölein­nah­men profi­tierte. Bevor der Kongress jedoch abge­hal­ten werden konnte, wurde Ngou­abi am 18. März 1977 in seinem Haus von Mitglie­dern der Präsi­den­ten­garde aus dem Hinter­halt ermordet.

Es ist nach wie vor unklar, wer hinter der Ermor­dung von Ngou­abi steckt. Das Mili­tär verhaf­tete rasch verschie­dene promi­nente Persön­lich­kei­ten, darun­ter den ehema­li­gen Präsi­den­ten Massamba-Débat, der wegen seiner angeb­li­chen Betei­li­gung schnell vor Gericht gestellt und hinge­rich­tet wurde. West­li­che Beob­ach­ter wie Thomp­son und Adloff haben einen Zusam­men­hang mit dem geplan­ten Drit­ten Außer­or­dent­li­chen Kongress vermu­tet: Unzu­frie­dene Büro­kra­ten und Offi­ziere fürch­te­ten mögli­cher­weise um ihre Posten. Ein „streng vertrau­li­cher“ Bericht in den Archi­ven der DDR legt ein ande­res Motiv nahe. Hermann Axen (der Leiter der inter­na­tio­na­len Abtei­lung der regie­ren­den SED der DDR) erhielt einen Brief von promi­nen­ten PCT-Mitglie­dern, die in der DDR studiert hatten. Diese behaup­te­ten, dass Ngou­abi ermor­det wurde, nach­dem er intern Pläne ange­kün­digt hatte, „die schwan­kende Außen­po­li­tik des Kongo zwischen der UdSSR, China und Frank­reich zu been­den“ und ein Freund­schafts­ab­kom­men mit der Sowjet­union anzu­stre­ben, so wie es Angola einige Monate zuvor getan hatte.69 Man erhoffte sich von einer engen Annä­he­rung an die UdSSR eine weitere Vertie­fung der wirt­schaft­li­chen Bezie­hun­gen und damit eine Verrin­ge­rung der Abhän­gig­keit des Kongo vom Westen. Diese Reso­lu­tion sollte angeb­lich dem Drit­ten Außer­or­dent­li­chen Kongress zur Geneh­mi­gung vorge­legt werden. Anti­so­wje­ti­sche Elemente inner­halb der PCT sollen daher zuge­schla­gen haben, bevor die Reso­lu­tion einge­bracht werden konnte. Es blieb jedoch unklar, wer diese anti­so­wje­ti­schen Elemente genau waren. 

Beer­di­gung von Ngou­abi in Braz­z­aville, 2. April 1977.

Unmit­tel­bar nach der Ermor­dung wurde eine Mili­tär­junta einge­setzt und die Verfas­sung von 1973 außer Kraft gesetzt. Ngou­abis engste Verbün­dete wurden ins Ausland geschickt, um ihren Einfluss auf die poli­ti­schen Entwick­lun­gen im Kongo zu begren­zen. Die PCT wurde de facto ausge­schal­tet. Diese Schritte deuten darauf hin, dass die Ermor­dung tatsäch­lich darauf abzielte, Ngou­abis ideo­lo­gi­sche Ausrich­tung zu bekämp­fen. Unab­hän­gig von den Moti­ven bedeu­tete Ngou­abis Tod einen erheb­li­chen Rück­schlag für den revo­lu­tio­nä­ren Prozess im Kongo. Er war nicht nur ein fähi­ger Poli­ti­ker und mili­tä­ri­scher Befehls­ha­ber, sondern auch ein heraus­ra­gen­der marxis­ti­scher Theo­re­ti­ker, der den wissen­schaft­li­chen Sozia­lis­mus durch seine Analy­sen der kongo­le­si­schen Gesell­schaft und der Heraus­for­de­run­gen, vor denen die afri­ka­ni­schen Länder südlich der Sahara stehen, berei­chert hatte. Eine Auswahl seiner Schrif­ten und Reden wurde in dem Buch Vers la cons­truc­tion d’une société socia­liste en Afri­que veröf­fent­licht. Es enthält seine Rede auf einer Konfe­renz in Dakar, Sene­gal, aus dem Jahr 1975, in der er eine histo­risch-mate­ria­lis­ti­sche Analyse der kongo­le­si­schen Gesell­schaft formu­lierte und für einen wissen­schaft­li­chen Sozia­lis­mus anstelle der Idee eines „afri­ka­ni­schen Sozia­lis­mus“ plädierte.

10. Eine neue Wirtschaftspolitik: autocentré et autodynamique (1977–1984)

Das Comité mili­taire du parti, das nach der Ermor­dung von Ngou­abi an die Macht kam, wurde von Joachim Yhombi-Opango gelei­tet, einem konser­va­ti­ven Oberst, der zuvor von Ngou­abi degra­diert worden war.70 Seine Präsi­dent­schaft in der Volks­re­pu­blik dauerte nur zwei Jahre und bedeu­tete eine Zeit der poli­ti­schen Stagna­tion. Der PCT gelang es schließ­lich, Yhombi-Opango im Februar 1979 abzu­set­zen und ihn durch Denis Sassou Nguesso zu erset­zen, der weit­hin als fähi­ger Nach­fol­ger von Ngou­abis revo­lu­tio­nä­rem Erbe ange­se­hen wurde.

Als erste Amts­hand­lung berief Sassou Nguesso 1979 den lang erwar­te­ten Drit­ten Außer­or­dent­li­chen Kongress ein, auf dem eine neue Verfas­sung ausge­ar­bei­tet wurde, die dann der Öffent­lich­keit vorge­legt und von 85 Prozent der 700.000 Wähler ange­nom­men wurde. In der neuen Verfas­sung wurde die alte Fassung von 1973 beibe­hal­ten und erwei­tert. Die grund­le­gen­den Produk­ti­ons­mit­tel wurden als Volks­ei­gen­tum geschützt, während die Privat­wirt­schaft unter der Bedin­gung zuge­las­sen wurde, dass sie unter staat­li­cher Aufsicht blieb. Partei und Staat wurden wieder als einheit­li­ches Macht­in­stru­ment konzi­piert: Der Gene­ral­se­kre­tär der PCT war gleich­zei­tig der Präsi­dent der Volks­re­pu­blik. Die Wähler erhiel­ten nun das Recht, die Abge­ord­ne­ten der Natio­nal­ver­samm­lung abzu­be­ru­fen. Eine Annä­he­rung an die Sowjet­union wurde jedoch nicht diskutiert.

Der Kongress nahm eine nüch­terne Analyse der wirt­schaft­li­chen Lage des Kongo vor. Ende der 1970er Jahre war der staat­li­che Sektor ausge­baut worden und machte nun etwa 30 Prozent der Indus­trie­pro­duk­tion aus. Doch die staat­li­chen Unter­neh­men hatten Mühe, über die Runden zu kommen. Gleich­zei­tig war der Kongo, obwohl ein Agrar­land, stark von impor­tier­ten Nahrungs­mit­teln abhän­gig. Die kolo­niale Praxis des Anbaus von Mono­kul­tu­ren prägte noch immer viele land­wirt­schaft­li­che Betriebe. Die Kosten für den Import von Nahrungs­mit­teln belas­te­ten die Staats­kasse erheb­lich; diese Mittel hätten statt­des­sen für den Import von Tech­no­lo­gie ausge­ge­ben werden können.71 Daher beschloss die PCT auf dem Kongress 1979 drei zentrale Maßnah­men: die Reor­ga­ni­sa­tion der Staats­be­triebe, die Stei­ge­rung der land­wirt­schaft­li­chen Produk­tion und – in der aktu­el­len Phase – die Konzen­tra­tion auf die Kontrolle des Privat­sek­tors, anstatt seiner Besei­ti­gung. Diese Maßnah­men waren Teil einer neuen Stra­te­gie mit dem Titel „auto-centré et autody­na­mi­que“ (selbst­zen­triert und eigen­dy­na­misch), mit der die PCT versuchte, den Schwer­punkt auf inlän­di­sche Lösun­gen für die Probleme des Kongo zu legen, anstatt sich auf auslän­di­sche Hilfe zu verlassen:

„Die grund­le­gen­den Hebel der kongo­le­si­schen Wirt­schaft müssen innere sein. Ihr entschei­den­des System muss inner­halb der natio­na­len Gren­zen liegen.  Unab­hän­gige kongo­le­si­sche Wirt­schaft, das bedeu­tet Beherr­schung der Komman­do­hö­hen, Beherr­schung der Finanz- und Geld­pro­bleme, die intra- und inter­re­gio­nale Inte­gra­tion, Aneig­nung der Tech­nik, Beherr­schung des Außen­han­dels … Die unab­hän­gige natio­nale Wirt­schaft … muss vom kongo­le­si­schen Volk selbst kontrol­liert werden.“

Wie bereits zuvor von der PCT aner­kannt worden war, bestand die Wirt­schaft der „Über­gangs­zeit“ im Wesent­li­chen aus einem Wett­be­werb zwischen verschie­de­nen Arten von Eigen­tums­ver­hält­nis­sen.72 Doch nun betonte die Partei, dass die Stär­kung der staat­li­chen Unter­neh­men nicht dadurch erreicht werden könne, dass man die priva­ten Unter­neh­men admi­nis­tra­tiv zurück­hält. Viel­mehr sollte sich der öffent­li­che Sektor im Vergleich zum priva­ten Sektor schnel­ler entwi­ckeln. Der Staat sollte sich auf die Unter­stüt­zung seiner eige­nen Unter­neh­men konzen­trie­ren und in den priva­ten Sektor nur eingrei­fen, um Exzesse (z. B. Speku­la­tion) zu verhin­dern. Die Abschaf­fung des Privat­ei­gen­tums an den Produk­ti­ons­mit­teln war ein Fern­ziel, das erst in einer späte­ren Phase der Revo­lu­tion verfolgt werden sollte. Dies hatte auch Auswir­kun­gen auf die Haltung der VR Kongo gegen­über auslän­di­schem Kapi­tal, wie der kongo­le­si­sche Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler Jacques Ndokou 1987 schrieb:

„Das auslän­di­sche Kapi­tal spielt eine wider­sprüch­li­che Rolle. Auf der einen Seite – und das ist das Wesent­li­che – ist der entschei­dende Faktor der wirt­schaft­li­chen Abhän­gig­keit, des extra­ver­tier­ten Charak­ters der Wirt­schaft, ihre Dispro­por­tio­na­li­tät. Aud der ande­ren Seite kann es nicht einfach ‚elimi­niert‘ werden. Erstens lassen das die poli­ti­schen Macht­ver­hält­nisse nicht zu. Zwei­tens ist es ein ‚Kanal‘, über den moderne Tech­nik und Tech­no­lo­gie in das Land kommen, so dass sich vor allem in den von ihm beherrsch­ten Betrie­ben eine höher quali­fi­zierte Arbei­ter­klasse heraus­bil­den kann. Wie die Erfah­run­gen der ‚Neuen Ökono­mi­schen Poli­tik‘ in Sowjet­russ­land Anfang der zwan­zi­ger Jahre, aber auch für die Entwick­lungs­län­der sehr inter­es­sante Entwick­lun­gen im heuti­gen China zeigen, kann auslän­di­sches Kapi­tal, wenn sein Wirkungs­kreis begrenzt ist, durch­aus zur Entwick­lung der natio­na­len Produk­tiv­kräfte beitra­gen.“73

Die 1980er Jahre waren somit durch eine neue Wirt­schafts­stra­te­gie gekenn­zeich­net, die sich an Lenins Neuer Wirt­schafts­po­li­tik orien­tierte. Inter­es­san­ter­weise begann die PCT mit der Formu­lie­rung dieser Stra­te­gie im Jahr 1978, zur glei­chen Zeit als die Kommu­nis­ti­sche Partei Chinas mit der Umset­zung ihrer „Reform- und Öffnungs­po­li­tik“ begann. Ausge­hend von der Rück­stän­dig­keit der kongo­le­si­schen Wirt­schaft bestand die Idee nun darin, „den priva­ten Sektor zu nutzen, um den staat­li­chen Sektor zu entwi­ckeln“, d. h. die wirt­schaft­li­che Entwick­lung durch staat­li­che Unter­neh­men zu planen und diesen Prozess durch die Tätig­keit priva­ter Firmen zu ergän­zen. „Die Stär­kung der natio­na­len Wirt­schaft in all ihren Sekto­ren ist eine entschei­dende Voraus­set­zung, um die derzei­tige Domi­nanz des auslän­di­schen Kapi­tals zurück­zu­drän­gen“, so Ndokou.74

Diese Neuaus­rich­tung der wirt­schaft­li­chen Stra­te­gie war mit einer Neube­wer­tung der Klas­sen­kon­stel­la­tion in der VR Kongo verbun­den. Die natio­nal­de­mo­kra­ti­sche Revo­lu­tion war von der Vorstel­lung ausge­gan­gen, dass die entste­hende Arbei­ter­klasse im Laufe dieses Prozes­ses an Stärke gewin­nen und nach und nach die Hege­mo­nie in der Revo­lu­tion über­neh­men würde, um schließ­lich den Über­gang zu einer sozia­lis­ti­schen Revo­lu­tion einzu­lei­ten. Während die Arbei­ter­klasse in den letz­ten 15 Jahren gewach­sen war, blieb sie Anfang der 1980er Jahre rela­tiv schwach und unter­qua­li­fi­ziert. Es handelte sich um eine „Arbei­ter­klasse der ersten Gene­ra­tion“, die größ­ten­teils aus ehema­li­gen Bauern bestand, welche aus länd­li­chen Gebie­ten geflo­hen waren, um in der Stadt Arbeit zu finden. Daher war der „ethni­sche Parti­ku­la­ris­mus“ weit verbrei­tet und behin­derte weiter­hin die Entwick­lung eines Klas­sen­be­wusst­seins.75 Das Projekt „auto-centré et autody­na­mi­que“ zielte darauf ab, die Arbei­ter­klasse zu quali­fi­zie­ren und sie im Umgang mit moder­nen Tech­no­lo­gien zu schu­len, indem sie in Joint Ventures mit auslän­di­schem Kapi­tal beschäf­tigt wurden.

In der Zwischen­zeit wurde die PCT weiter­hin haupt­säch­lich von der Intel­li­genz getra­gen, die nur 5 Prozent der Gesamt­be­völ­ke­rung ausmachte, aber 25 Prozent der Partei­mit­glie­der stellte.

Die Daten stam­men von Ndokou und Schmidt.

11. Stagnation und Rückzug (1984–1990)

Seit 1970 hatten die sozia­lis­ti­schen Staa­ten ihre Wirt­schafts­be­zie­hun­gen mit der VR Kongo ausge­baut. Die DDR-Verant­wort­li­chen waren sich bewusst, dass die Abhän­gig­keit des Kongo vom kapi­ta­lis­ti­schen Welt­markt durch seine Rolle als Rohstoff­lie­fe­rant aufrecht­erhal­ten würde, und versuch­ten daher, die junge Volks­de­mo­kra­tie bei der Indus­tria­li­sie­rung zu unter­stüt­zen. Die DDR versorgte Braz­z­aville seit 1970 mit lang­fris­ti­gen Kredi­ten mit garan­tiert nied­ri­gen Zins­sät­zen. Die Stra­te­gie bestand darin, die Einfuhr ostdeut­scher Maschi­nen und Ausrüs­tun­gen zu erleich­tern, insbe­son­dere in den Berei­chen Strom­erzeu­gung, Kommu­ni­ka­ti­ons­sys­teme, Bauwe­sen, Verar­bei­tung von Rohstof­fen und Druck­we­sen.76 Die DDR entsandte auch Bera­ter, die bei der Verwal­tung von Staats­be­trie­ben in der Textil- und Kera­mik­in­dus­trie helfen soll­ten. Weitere 7,3 Millio­nen USD wurden in die Aus- und Weiter­bil­dung von über 800 kongo­le­si­schen Studen­ten, Arbei­tern und Kadern in der DDR inves­tiert. Bis Ende der 1980er Jahre wurden Soli­da­ri­täts­gü­ter im Wert von fast 4 Millio­nen USD in den Kongo gelie­fert. Es fand also ein bedeu­ten­der Wissens- und Tech­no­lo­gie­trans­fer in den Kongo statt. Doch trotz dieser Fort­schritte erreich­ten die wirt­schaft­li­chen Bezie­hun­gen zwischen dem sozia­lis­ti­schen Block und dem Kongo nie das glei­che Niveau wie ihre poli­ti­schen Bezie­hun­gen. Die Sowjet­union, die sich Anfang der 1980er Jahre um die Förde­rung der Blei- und Zink­in­dus­trie bemühte, war letzt­lich nicht in der Lage, den Westen als wich­tigs­ten Handels­part­ner des Kongo zu verdrängen.

Wie viele andere ehema­lige Kolo­nien wurde auch die VR Kongo in den 1980er Jahren von der Schul­den­krise erdrückt. Im Jahr 1985 hatte die Verschul­dung von Braz­z­aville 2 Milli­ar­den USD erreicht; dies entsprach 68,7 Prozent des Brut­to­so­zi­al­pro­dukts.77. In jenem Jahr musste der kongo­le­si­sche Staat 50 Prozent seiner Einnah­men verwen­den, um seine laufen­den Schul­den­dienst­ver­pflich­tun­gen zu erfül­len. Die in den Vorjah­ren aufge­lau­fe­nen Schul­den konn­ten nicht getilgt werden. Die DDR zeigte Verständ­nis, indem sie die von Braz­z­aville geschul­de­ten Zahlun­gen immer wieder stun­dete, was sich natür­lich auch auf die ostdeut­sche Wirt­schaft nach­tei­lig auswirkte. Die Welt­bank bot Braz­z­aville Kredite an, stellte aber die Bedin­gung, dass die Mittel nur in die renta­bels­ten Berei­che der Wirt­schaft inves­tiert werden durf­ten. Dies hinderte die PCT zusätz­lich daran, den staat­li­chen Sektor zu stär­ken.78

Mitte der 1980er Jahre war der revo­lu­tio­näre Eifer sowohl inner­halb der PCT als auch in der kommu­nis­ti­schen Welt­be­we­gung deut­lich abge­flaut. Mit dem Aufstieg von Michail Gorbat­schow zum Gene­ral­se­kre­tär der KPdSU im Jahr 1985 beherrschte eine Doktrin des „neuen Denkens“ die Außen­po­li­tik der UdSSR. Das Bestre­ben, „wirt­schaft­lich schwä­chere“ sozia­lis­tisch orien­tierte Staa­ten wie Kongo und Afgha­ni­stan zu unter­stüt­zen, wurde durch den Wunsch ersetzt, die Wirt­schafts­be­zie­hun­gen mit größe­ren kapi­ta­lis­ti­schen Staa­ten im Globa­len Süden wie Brasi­lien oder Argen­ti­nien auszu­bauen. In der VR Kongo begann Sassou Nguesso, sich von der Idee einer Inten­si­vie­rung der Bezie­hun­gen zum sozia­lis­ti­schen Lager zu entfer­nen. Statt­des­sen wandte er sich an Bera­ter aus Frank­reich und der Welt­bank und leitete 1984 sogar eine Säube­rungs­ak­tion gegen die „proso­wje­ti­sche“ Frak­tion der PCT ein, die sich für engere Bezie­hun­gen mit dem sozia­lis­ti­schen Block einge­setzt hatte.79 Der Handel mit der DDR brach darauf­hin ein, da die kongo­le­si­sche Regie­rung wenig Inter­esse zeigte, die von der DDR gewähr­ten Kredite zu nutzen.

Trotz einer zuneh­mend mit sich selbst beschäf­tig­ten KPdSU und einer enttäusch­ten PCT setzte die SED ihre Unter­stüt­zung für die VR Kongo fort, war aber durch diese Entwick­lun­gen eindeu­tig verun­si­chert. 1985 kamen die DDR-Analys­ten in einer inter­nen Bewer­tung zu dem Schluss:

„Unter den Bedin­gun­gen sich verschär­fen­den Klas­sen­kamp­fes und unter dem Einfluss des äuße­ren Kräf­te­ver­hält­nisse und seiner Auswir­kun­gen auf die innere Lage [kommt es] zu Kompro­mis­sen. So wird z.B. der Lösung wich­ti­ger – und theo­re­tisch erkann­ter – Fragen wie der Zerstö­rung des alten Staats­ap­pa­ra­tes, der Gesun­dung des staat­li­chen Sektors, der Begren­zung der Posi­tio­nen der büro­kra­ti­schen Bour­geoi­sie, die seit langem ansteht, in der Praxis ausge­wi­chen bzw. sie wird nur sehr inkon­se­quent in Angriff genommen.

 

Der sich vergrö­ßernde Wider­spruch Wider­spruch zwischen erklär­ten poli­ti­schen Zielen und bestimmte posi­ti­ven Verän­de­run­gen im Über­bau einer­seits und der wach­sen­den ökono­mi­schen Abhän­gig­keit vom Impe­ria­lis­mus sowie ausblei­ben­den progres­si­ven Verän­de­run­gen der sozio­öko­no­mi­schen Basis und dem Fort­be­stehen des neoko­lo­nia­lis­tisch gepräg­ten Staats­ap­pa­ra­tes ande­rer­seits gefähr­det – wenn keine Tendenz­wende erreicht wird – länger­fris­tig zuneh­mend die sozia­lis­ti­sche Orien­tie­rung [der VR Kongo].“80

Nach dem Zusam­men­bruch des sozia­lis­ti­schen Welt­sys­tems zu Beginn der 1990er Jahre war die PCT eine von vielen revo­lu­tio­när-demo­kra­ti­schen Parteien, die sich poli­tisch zurück­zo­gen und sich dem west­li­chen Libe­ra­lis­mus beug­ten. Kongo-Braz­z­aville war auch eines von mehre­ren ehemals sozia­lis­tisch orien­tier­ten Ländern, das nach 1990 im Bürger­krieg versank. Mit Ausnahme eines kurzen fünf­jäh­ri­gen Zwischen­spiels blie­ben Sassou Nguesso und die nunmehr sozi­al­de­mo­kra­ti­sche PCT in der Repu­blik Kongo an der Regierung.

12. Schlussfolgerung

Libe­rale Gelehrte erklär­ten den Kapi­ta­lis­mus nach 1990 schnell zum Sieger. Sie bezeich­ne­ten den Zusam­men­bruch der anti­im­pe­ria­lis­ti­schen und kommu­nis­ti­schen Bewe­gun­gen als das „Ende der Geschichte“. Doch heute, mehr als drei Jahr­zehnte später, lassen die Wider­sprü­che des kapi­ta­lis­ti­schen Welt­sys­tems zwangs­läu­fig neue anti­im­pe­ria­lis­ti­sche Bewe­gun­gen in ganz Afrika, Asien und Latein­ame­rika entste­hen und wir können deut­lich sehen, dass die Geschichte noch lange nicht „vorbei“ ist. Eines der ekla­tan­tes­ten Beispiele ist die Alli­anz der Sahel-Staa­ten (AES), die inzwi­schen die west­li­chen Streit­kräfte aus ihren Hoch­bur­gen in Mali, Niger und Burkina Faso vertrie­ben hat. Die Regie­run­gen der AES suchen nun nach Möglich­kei­ten, sich aus dem neoko­lo­nia­len Griff Frank­reichs zu befreien. Für viele linke Kräfte auf dem gesam­ten Konti­nent und darüber hinaus bleibt die natio­nal-demo­kra­ti­sche Revo­lu­tion eine zentrale stra­te­gi­sche Orien­tie­rung, und als solche haben die histo­ri­schen Erfah­run­gen von Kongo-Braz­z­aville wieder an Bedeu­tung gewonnen.

Was die erste der drei in der Einlei­tung gestell­ten Fragen betrifft, so leis­tete Kongo-Braz­z­aville einen wich­ti­gen Beitrag zur Theo­rie der Staats­macht im neoko­lo­nia­len Kontext. Was Kongo-Braz­z­aville von ande­ren revo­lu­tio­nä­ren Staa­ten in Afrika unter­schied, war, dass es über 25 Jahre lang stand­hielt, allen inter­nen und exter­nen konter­re­vo­lu­tio­nä­ren Angrif­fen trotzte und sogar Führungs­wech­sel rela­tiv gut über­stand. Das Glei­che lässt sich nicht von Ghana, Mali, Guinea, Ägyp­ten, Alge­rien usw. sagen. Dies ist nach Meinung des Autors vor allem darauf zurück­zu­füh­ren, dass es der kongo­le­si­schen Revo­lu­tion gelun­gen ist, „die innere Kraft für ihre eigene Trans­for­ma­tion“ aufzu­brin­gen. Die Revo­lu­tio­näre konn­ten sich von einem natio­nal­de­mo­kra­ti­schen Staat mit einer Massen­par­tei (1963–1968) zu einer Volks­de­mo­kra­tie mit einer Avant­gar­de­par­tei der Werk­tä­ti­gen (1969–1990) entwi­ckeln. Letz­tere stellte eine „reifere, entwi­ckel­tere Form der revo­lu­tio­när-demo­kra­ti­schen Staats­macht“ dar und war somit besser in der Lage, die Revo­lu­tion nach ihrer Anfangs­phase zu vertei­di­gen und weiter­zu­ent­wi­ckeln.81

In diesem Zusam­men­hang war einer der schwie­rigs­ten Aspekte des Kamp­fes in Afrika, dass Avant­gar­de­par­teien wie die PCT erst entstan­den, nach­dem der revo­lu­tio­näre Prozess bereits begon­nen hatte.

„Anfangs wird die Staats­macht erobert, und erst als nächs­ten Schritt beginnt man von oben die Partei­or­ga­ni­sa­tion und deren Massen­ba­sis zu schaf­fen. In diesem Falle ist die Partei nicht das Instru­ment einer bestimm­ten Klasse oder ihrer Zwischen­schich­ten zur Macht­er­grei­fung, sondern ein Instru­ment, um die bereits ergrif­fene Macht zu behaup­ten und zur Erfül­lung eines bereits vorge­zeich­ne­ten Programms weiter auszu­nut­zen.“82

Dieser Prozess voll­zog sich vor dem Hinter­grund eines inten­si­ven Klas­sen­kamp­fes. Im kongo­le­si­schen Kontext begann er mit der Grün­dung der MNR, ein Jahr nach der Volks­re­vo­lu­tion, als die kapi­ta­lis­tisch orien­tier­ten Kräfte aus der Regie­rung gedrängt werden muss­ten. In den folgen­den fünf Jahren gelang es der MNR, die natio­nal­de­mo­kra­ti­sche Revo­lu­tion voran­zu­trei­ben und eine Massen­ba­sis zu orga­ni­sie­ren, doch schließ­lich war sie am Ende ihrer Kräfte. Der von Ngou­abi ange­führte Aufstand im August 1968 war ein notwen­di­ges „Korrek­tiv“, um die büro­kra­ti­sche Bour­geoi­sie zu bekämp­fen und das zu verwirk­li­chen, worauf die revo­lu­tio­näre Intel­li­genz seit Anfang 1966 gedrängt hatte: die Schaf­fung einer Avant­gar­de­par­tei mit einem klaren Klas­sen­cha­rak­ter und einer wissen­schaft­lich fundier­ten Analyse. Es stimmt zwar, dass die nicht der Arbei­ter­klasse ange­hö­ren­den Kräfte (vor allem die zivile und mili­tä­ri­sche Intel­li­genz) bis zum Schluss die Vorherr­schaft im revo­lu­tio­nä­ren Prozess des Kongo inne­hat­ten, aber es war ihnen gelun­gen, den demo­kra­ti­schen Charak­ter der Revo­lu­tion zu vertie­fen und die arbei­ten­den Massen schritt­weise in die loka­len Macht­or­gane und in den Prozess der Ausar­bei­tung der Verfas­sung einzu­be­zie­hen. Darüber hinaus hatte sich die Partei den wissen­schaft­li­chen Sozia­lis­mus zu eigen gemacht: „Da es sich hier­bei um die Ideo­lo­gie der Arbei­ter­klasse handelt, kann die führende Rolle dieser Kräfte wohl als eine spezi­fi­sche, indi­rekte Form der Hege­mo­nie der Arbei­ter­klasse verstan­den werden, oder zumin­dest als ein Ansatz, ein Element dieser Hege­mo­nie, ein Schritt in Rich­tung dieser Hege­mo­nie“, wie der sowje­ti­sche Wissen­schaft­ler V. Y. Chir­kin schluss­fol­gerte.83

Die natio­nal­de­mo­kra­ti­sche Revo­lu­tion muss daher als Prozess verstan­den werden, als eine evolu­tio­näre Dyna­mik, die allmäh­lich sowohl die objek­ti­ven als auch die subjek­ti­ven Voraus­set­zun­gen für eine sozia­lis­ti­sche Revo­lu­tion schafft. Dies zeigte sich deut­lich bei der peri­odi­schen Neufas­sung der Verfas­sung von Kongo-Braz­z­aville, die sich schritt­weise von der bürger­li­chen Verfas­sungs­mä­ßig­keit entfernte und zuneh­mend prole­ta­ri­sche Vorstel­lun­gen von Staats­macht über­nahm. Eine ähnli­che Dyna­mik war in den ande­ren Volks­re­pu­bli­ken Angola, Mosam­bik, Äthio­pien und Südje­men zu beob­ach­ten, die alle bis zum Zusam­men­bruch des sozia­lis­ti­schen Welt­sys­tems im Jahr 1990 Bestand hatten. Wie Ngou­abi so tref­fend argu­men­tiert hatte, wäre es in Gesell­schaf­ten, in denen der (Neo-)Kolonialismus die grund­le­gende histo­ri­sche Entwick­lung (z. B. die Bildung von Natio­nen, die Über­win­dung feuda­ler und vorfeu­da­ler Verhält­nisse usw.) zutiefst verzerrt hatte, utopisch, sich vorzu­stel­len, dass der Sozia­lis­mus sofort errich­tet werden könnte.

Der unge­löste Wider­spruch für die PCT war die zweite Frage: das Verhält­nis zwischen der natio­nal-demo­kra­ti­schen Revo­lu­tion und dem auslän­di­schen Kapi­tal. Entge­gen den anfäng­li­chen Erwar­tun­gen hatte es sich für den Kongo als unge­mein schwie­rig erwie­sen, seiner unter­ge­ord­ne­ten und abhän­gi­gen Rolle in der inter­na­tio­na­len kapi­ta­lis­ti­schen Arbeits­tei­lung zu entkom­men. Die so genannte „pro-sowje­ti­sche“ Frak­tion des MNR und der PCT hatte eine Agenda der schritt­wei­sen Verstaat­li­chung auslän­di­scher Unter­neh­men und der Einschrän­kung des Privat­sek­tors voran­ge­trie­ben. Diese Stra­te­gie allein hatte jedoch nicht zu den gewünsch­ten Ergeb­nis­sen geführt. Staat­li­che Unter­neh­men wurden durch den Mangel an tech­ni­schen Fach­kräf­ten und den Wett­be­werb mit weit­aus stär­ke­ren multi­na­tio­na­len Unter­neh­men auf dem Welt­markt gelähmt. Versu­che, sowohl im Holz- als auch im Ölsek­tor eine verar­bei­tende Indus­trie aufzu­bauen, scheiterten.

Dies war weit­ge­hend auf die Unfä­hig­keit des sozia­lis­ti­schen Welt­sys­tems zurück­zu­füh­ren, um zur drit­ten eingangs aufge­wor­fe­nen Frage zu kommen. Der Trans­fer von Tech­no­lo­gie und Wissen aus der UdSSR, China, der DDR, Kuba und vielen ande­ren sozia­lis­ti­schen Staa­ten war immens. Diese Bezie­hun­gen stell­ten zwei­fel­los einen quali­ta­ti­ven Bruch mit den neoko­lo­nia­len Prak­ti­ken des Westens dar. Die sozia­lis­ti­schen Staa­ten woll­ten nicht einfach nur Abneh­mer der kongo­le­si­schen Rohstoffe sein, sondern versuch­ten, in den Produk­ti­ons­pro­zess einzu­grei­fen und die Indus­tria­li­sie­rung des Landes zu fördern. Denn die Kommu­nis­ten waren sich darüber im Klaren, dass keine Summe an Hilfe oder Kredi­ten die ehema­li­gen Kolo­nien von der Ausbeu­tung befreien konnte. Wenn die verzerrte Natur der natio­na­len Wirt­schaft nicht radi­kal umge­stal­tet und die Vorherr­schaft des auslän­di­schen Kapi­tals nicht gebro­chen wird, würden die Verhält­nisse, die die Abhän­gig­keit Afri­kas geschaf­fen haben, nur repro­du­ziert. Es musste eine quali­ta­tive Umge­stal­tung sowohl der inter­nen sozio­öko­no­mi­schen Bezie­hun­gen als auch der exter­nen Bedin­gun­gen auf der Welt­bühne erfol­gen. Mit diesem letz­ten Punkt hatte die kommu­nis­ti­sche Welt­be­we­gung am meis­ten zu kämp­fen. Die wirt­schaft­li­chen Bezie­hun­gen zum Kongo und ande­ren revo­lu­tio­nä­ren Staa­ten in Afrika waren letzt­lich nicht weit genug gefasst, um sie in die Lage zu verset­zen, sich vom kapi­ta­lis­ti­schen Welt­sys­tem abzu­kop­peln. Es hat nicht den Anschein, als hätten die sozia­lis­ti­schen Regie­run­gen eine Stra­te­gie, um Volks­wirt­schaf­ten wie Kongo-Braz­z­aville, Angola, Mosam­bik und Afgha­ni­stan in eine inter­na­tio­nale sozia­lis­ti­sche Arbeits­tei­lung zu inte­grie­ren. Die viel geprie­sene „sozia­lis­ti­sche Wirt­schafts­in­te­gra­tion“, die im Rat für gegen­sei­tige Wirt­schafts­hilfe (RGW) voran­ge­trie­ben werden sollte, war Ende der 1970er Jahre ins Stocken gera­ten.84 Der Aufstieg Gorbat­schows inner­halb der KPdSU im Jahr 1985 war der letzte Nagel im Sarg.

Vor diesem Hinter­grund lenkte die PCT das Land in den 1980er Jahren auf eine andere Stra­te­gie, die darauf abzielte, den staat­li­chen Sektor zu konso­li­die­ren und gleich­zei­tig die admi­nis­tra­ti­ven Beschrän­kun­gen für den Privat­sek­tor zu lockern und Zuge­ständ­nisse an auslän­di­sches Kapi­tal zu machen, in der Hoff­nung, die tech­ni­sche Ausbil­dung der kongo­le­si­schen Arbeit­neh­mer und den Tech­no­lo­gie­trans­fer zu beschleu­ni­gen. Dieser Ansatz wies inter­es­sante Paral­le­len zu Chinas „Reform- und Öffnungs­stra­te­gie“ auf, die zur glei­chen Zeit einsetzte. Aller­dings war die Abhän­gig­keit des Kongo vom kapi­ta­lis­ti­schen Welt­markt weit­aus größer als die Chinas im Jahr 1978. Dies zeigte sich in der vom Westen aufge­stell­ten Schul­den­falle, die Braz­z­aville eine „Struk­tur­an­pas­sungs­po­li­tik“ aufzwang und damit die Bemü­hun­gen der PCT zur Vertei­di­gung und Stär­kung des staat­li­chen Sektors unter­grub. In diesem Zusam­men­hang ist jede Verrin­ge­rung der Abhän­gig­keit vom kapi­ta­lis­ti­schen Westen notwen­di­ger­weise eine fort­schritt­li­che Entwick­lung für Afrika. Die Förde­rung der so genann­ten „Süd-Süd-Koope­ra­tion“ in Bünd­nis­sen wie BRICS+ hat trotz aller Wider­sprü­che und Gren­zen ein erheb­li­ches Potenzial.

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Schmidt, U. „Zu den poli­tisch-ideo­lo­gi­schen Grund­po­si­tio­nen der Führungs­kräfte in der VR Kongo“ in Asien, Afrika und Latein­ame­rika, 1988, Bd. 16, Akade­mie Verlag, Berlin.

Fußnoten

[1] Autoren­kol­lek­tiv, Staats­recht junger Natio­nal­staa­ten, Staats­ver­lag der Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik, Berlin, 1988, S. 259.

[2] L. Koun­kou, „Zur Entwick­lung des volks­wirt­schaft­li­chen Repro­duk­ti­ons­pro­zes­ses in der Volks­re­pu­blik Kongo“ in Zur Entwick­lung in der Volks­re­pu­blik Kongo, Akade­mie für Gesell­schafts­wis­sen­schaf­ten beim Zentral­ko­mi­tee der SED, Berlin, 1987, S. 12.

[3] M. M’Pandzou, „Probleme der Umge­stal­tung des Staats­ap­pa­ra­tes in der Volks­re­pu­blik Kongo“ in Zur Entwick­lung in der Volks­re­pu­blik Kongo, Akade­mie für Gesell­schafts­wis­sen­schaf­ten beim Zentral­ko­mi­tee der SED, Berlin, 1987, S. 63.

[4] M’Pandzou, S. 63.

[5] U. Schmidt, „Zu den poli­tisch-ideo­lo­gi­schen Grund­po­si­tio­nen der Führungs­kräfte in der VR Kongo“ in Asien, Afrika und Latein­ame­rika, 1988, Bd. 16, Akade­mie Verlag, Berlin, S.878 und Bundes­ar­chiv, Akte DL 2/10588.

[6] V. Y. Chir­kin und Y. A. Yudin, A Socia­list-Orien­ted State: Instru­ment of Revo­lu­tio­nary Change, Progress Publishers, Moskau, 1978, S. 95.

[7] Zitiert in V. Y. Chir­kin und Y. A. Yudin, S. 96.

[8] M’Pandzou, S. 65.

[9] Nach­dem er zunächst in der benach­bar­ten Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kongo Asyl erhal­ten hatte, zog Youlou nach Frank­reich und dann in das von Franco regierte Spanien, wo ihm die fran­zö­si­sche Regie­rung 500.000 Francs zur Verfü­gung stellte.

[10] M’Pandzou, S. 72.

[11] Autoren­kol­lek­tiv, 1988, S. 260.

[12] Pycht­unov, „Program­ma­ti­sche Doku­mente der Partei der Arbeit in Kongo-Braz­z­aville“ in Partei und Staat in den Ländern mit sozia­lis­ti­scher Orien­tie­rung, Akade­mie Verlag, Berlin, 1974, S. 231.

[13] M’Pandzou, S. 74.

[14] J. F. Clark, „Congo: Tran­si­tion and the Struggle to Conso­li­date“, in Poli­ti­cal Reform in Fran­co­phone Africa (1997).

[15] Koun­kou, S. 28.

[16] V. Thomp­son und R. Adloff, Histo­ri­cal Diction­ary of the People’s Repu­blic of the Congo, Scare­crow Press, Inc. 1984, London, S. 84.

[17] Pycht­unow, S. 231.

[18] Bundes­ar­chiv, Akte DY 30–98154.

[19] V. Thomp­son und R. Adloff, S. 100.

[20] M’Pandzou, S. 78.

[21] Zitiert in Pycht­unov, S. 232.

[22] Autoren­kol­lek­tiv, 1988, S. 261.

[23] Noum­aza­laye war während seines Studi­ums in Frank­reich Mitglied der Kommu­nis­ti­schen Partei Frank­reichs gewe­sen und wurde allge­mein als Kommu­nist ange­se­hen. Siehe V. Thomp­son und R. Adloff, S. 162.

[24] Viet­nam: Die USA insze­nier­ten 1964 den „Tonkin-Zwischen­fall“ in Viet­nam, um einen casus belli zu schaf­fen. Indo­ne­sien: Die G30S-Bewe­gung von 1965 wurde als Vorwand für die massive Repres­sion gegen die Kommu­nis­ti­sche Partei Indo­ne­si­ens benutzt. Ghana: Die revo­lu­tio­näre Regie­rung von Kwame Nkru­mah wurde 1966 von reak­tio­nä­ren Kräf­ten gestürzt, die mit dem Westen kolla­bo­rier­ten. Rhode­sien: Der bewaff­nete Kampf Simbab­wes für die natio­nale Unab­hän­gig­keit begann 1964; das weiße kolo­niale Sied­ler­re­gime rief 1965 eine von einer Minder­heit geführte Repu­blik aus.

[25] Bundes­ar­chiv, Akte DY 30–98154.

[26] Bundes­ar­chiv, Akte DY 30–98154.

[27] C. Mähr­del und N.A. Simo­nija, „Beson­der­hei­ten der Heraus­bil­dung von Parteien und ihrer Wech­sel­be­zie­hun­gen zum Staats­ap­pa­rat in Ländern nicht­ka­pi­ta­lis­ti­scher Entwick­lung“ in Partei und Staat in den Ländern mit sozia­lis­ti­scher Orien­tie­rung, Akade­mie Verlag, Berlin, 1974, S. 31.

[28] Bundes­ar­chiv, Akte DY 30–98154.

[29] V. Thomp­son und R. Adloff, S. 12.

[30] Bundes­ar­chiv, Akte DY 30–98154.

[31] M’Pandzou, S. 80–81.

[32] M’Pandzou, S. 80.

[33] Bundes­ar­chiv, Akte DY 30–98154.

[34] Bundes­ar­chiv, Akte DY 30–98154.

[35] So beschrieb es Pierre Nzé, ein linkes Mitglied des CNR, gegen­über einem DDR-Diplo­ma­ten. Siehe Bundes­ar­chiv, Akte DY 30–98154.

[36] V. Y. Chir­kin und Y. A. Yudin, S. 141.

[37] Bundes­ar­chiv, Akte M 1‑C/920–74.

[38] Bundes­ar­chiv, Akte M 1‑C/920–74.

[39] Für die ideo­lo­gi­sche Schu­lung lieferte die UdSSR große Mengen an Lenin-Werken in die VR Kongo. Die PCT bat die sowje­ti­schen, viet­na­me­si­schen, korea­ni­schen und kuba­ni­schen Botschaf­ten, Lese­zir­kel zu orga­ni­sie­ren. Außer­dem wurde im April 1970 anläss­lich des 100. Geburts­tags von Lenin eine Kampa­gne mit dem Titel „Lenin-Woche“ orga­ni­siert. Siehe Bundes­ar­chiv, Akte DY 30–98154.

[40] Pycht­unov, S. 240 und Bundes­ar­chiv, Akte DY 30–98154.

[41] Pycht­unow, S. 246.

[42] Bundes­ar­chiv, Akte M 1‑C/920–74.

[43] Bundes­ar­chiv, Akte DY 30–98154.

[44] V. Thomp­son und R. Adloff, S. 14.

[45] V. Thomp­son und R. Adloff, S. 81.

[46] Bundes­ar­chiv, Akte DY 30–98154.

[47] Thomp­son und R. Adloff, S. 93.

[48] Zwei Mitglie­der des neuen Zentral­ko­mi­tees der PCT hatten eben­falls eine ideo­lo­gi­sche Ausbil­dung in Ostdeutsch­land erhal­ten. Siehe Bundes­ar­chiv, Akte DY 30–98154.

[49] Bundes­ar­chiv, Akte DL2-10588.

[50] Im März 1970 versuch­ten (wahr­schein­lich von der CIA unter­stützte) Söld­ner, die Regie­rung der PR Kongo zu stür­zen. Im Novem­ber 1971 orga­ni­sier­ten ultra­linke Studen­ten Streiks in Braz­z­aville und Pointe-Noire. Maois­tisch gesinnte Elemente wurden darauf­hin aus der PCT ausge­schlos­sen. Als Vergel­tung führ­ten die pro-chine­si­schen Minis­ter Ange Diawara und Claude-Ernest N’dalla im Februar 1972 einen bewaff­ne­ten Staats­streich gegen Ngou­abi an und waren dem Sieg sehr nahe. Sie wurden schließ­lich gefan­gen genom­men und hingerichtet.

[51] M. Ngou­abi, Vers la cons­truc­tion d’une société socia­liste en Afri­que, Paris, 1975, S. 52–53.

[52] Arti­kel 4 des PCT-Programms von 1972. Zitiert in M’Pandzou, S. 81 und V. Y. Chir­kin und Y. A. Yudin, S. 124.

[53] V. Y. Chir­kin und Y. A. Yudin, S. 124.

[54] M. Ngou­abi, S. 49.

[55] Autoren­kol­lek­tiv, 1988, S. 263.

[56] V. Y. Chir­kin und Y. A. Yudin, S. 138.

[57] V. Thomp­son und R. Adloff, S. 15.

[58] V. Thomp­son und R. Adloff, S. 16

[59] Bundes­ar­chiv, Akte M 1‑C/920–74.

[60] V. Thomp­son und R. Adloff, S. 16.

[61] V. Thomp­son und R. Adloff, S. 168.

[62] Bundes­ar­chiv, Akte DL2-10588.

[63] Hori­zont (Zeit­schrift für Außen­po­li­tik der DDR), Arti­kel Nr. 36/1979.

[64] Bundes­ar­chiv, Akte DL2-10588.

[65] Bundes­ar­chiv, Akte DL2-10588.

[66] Bundes­ar­chiv, Akte M 1‑C/920–74.

[67] Bundes­ar­chiv, Akte M 1‑C/920–74.

[68] V. Thomp­son und R. Adloff, S. 101.

[69] Der Bericht wurde vom Leiter der SED-Partei­schule „Karl Marx“ verfasst. Ein kongo­le­si­scher Absol­vent der Schule war im August 1977 zu einem Urlaub in die DDR zurück­ge­kehrt und hatte sich mit seinem ehema­li­gen Profes­sor getrof­fen, dem er sich anver­traute. Eine Gruppe kongo­le­si­scher PCT-Mitglie­der und Absol­ven­ten der „Karl-Marx“-Schule – darun­ter promi­nente Kader wie der Direk­tor des größ­ten kongo­le­si­schen Staats­un­ter­neh­mens – hatte Ngou­abi angeb­lich einige Monate vor seiner Ermor­dung einen Brief geschickt, in dem sie den Präsi­den­ten dräng­ten, „die schwan­kende Außen­po­li­tik des Kongo zwischen der UdSSR, China und Frank­reich zu been­den“, um ein Freund­schafts­ab­kom­men mit der UdSSR anzu­stre­ben (ähnlich wie Afgha­ni­stan es 1978 tun würde), das auch zur Linde­rung der wirt­schaft­li­chen Probleme beitra­gen würde. Ngou­abi soll dem Vorschlag zuge­stimmt haben und beab­sich­tigte, ihn auf dem drit­ten außer­or­dent­li­chen Partei­tag zur Geneh­mi­gung vorzu­le­gen. Siehe Bundes­ar­chiv, Akte DY 30.98818.

[70] V. Thomp­son und R. Adloff, S. 18.

[71] J. Ndokou, „Voraus­sicht­li­che und erfor­der­li­che soziale Verän­de­run­gen im Hinblick auf die Errich­tung einer sozia­lis­ti­schen Gesell­schaft in der Volks­re­pu­blik Kongo“ in Zur Entwick­lung in der Volks­re­pu­blik Kongo, Berlin, 1987, S. 45.

[72] Ndokou, S. 47.

[73] Ndokou, S. 49.

[74] Ndokou, S. 43.

[75] Ndokou, S. 56.

[76] Die Kredite der DDR waren für den Bau von Anla­gen zur Herstel­lung von Mangan-Sili­zium bestimmt, das in der Stahl­pro­duk­tion verwen­det wird. Gabun expor­tierte das Erz per Eisen­bahn zum Hafen von Pointe-Noire, so dass die Kongo­le­sen hoff­ten, diesen Rohstoff selbst verar­bei­ten zu können. Das Volu­men des Kredits stieg von 6 Mio. USD im Jahr 1970 auf 56 Mio. USD im Jahr 1988, wobei die Zins­zah­lun­gen auf Wunsch der PCT wieder­holt gestun­det wurden. Siehe Bundes­ar­chiv, Akten DL 2–10586 und DL 2/10588.

[77] Die sozia­lis­ti­schen Staa­ten verwen­de­ten das Konzept des Brut­to­so­zi­al­pro­dukts, um den gesam­ten mate­ri­el­len Reich­tum (sowohl Produk­ti­ons­mit­tel als auch Konsum­gü­ter) zu messen, der in einer Gesell­schaft in einem bestimm­ten Zeit­raum (norma­ler­weise jähr­lich) produ­ziert wurde. Siehe L. Koun­kou, S. 31.

[78] L. Koun­kou, S. 31.

[79] Der Anfüh­rer dieser Frak­tion war Haupt­mann Fran­cois-Xacier Katali, der 1984 zusam­men mit einem ande­ren promi­nen­ten links­ge­rich­te­ten Minis­ter, Jean-Pierre Thys­tère Tchi­caya, degra­diert wurde. Siehe V. Thomp­son und R. Adloff, S. 31.

[80] Bundes­ar­chiv, Akte DL2-10588.

[81] V. Y. Chir­kin, „Die Entwick­lung der Staats­macht in den Ländern sozia­lis­ti­scher Orien­tie­rung“, in Asien, Afrika Latein­ame­rika, 1984, Bd. 12, Akade­mie Verlag, Berlin, 1984, S. 225–233.

[82] Zitiert in C. Mähr­del und N.A. Simo­nija, S. 56.

[83] V. Y. Chir­kin, 1984, S. 231.

[84] Diese These muss noch vertieft werden. Die IFDDR plant, dies im Rahmen der Forschungs­platt­form „Friend­ship!“ zu tun, die auf ihrer Website unter ifddr.org zu finden ist.