In Gedenken an Walter Heynowski

Der bekannte DDR-Filme­ma­cher Walter Heynow­ski ist im Novem­ber 2024 im Alter von 96 Jahren gestor­ben. John Green, ein engli­scher Filme­ma­cher, der in der DDR studierte und als Auslands­kor­re­spon­dent für das DDR-Fern­se­hen gear­bei­tet hat, schrieb die folgende Trau­er­rede für Heynow­skis Beerdigung.

Walter Heynow­ski (Foto: dpa/Barbara Morgenstern)

Walter Heynow­ski und sein lang­jäh­ri­ger Mitar­bei­ter Gerhard Scheu­mann wurden in der DDR legen­där als Doku­men­tar­fil­mer von beson­de­rem Format. Ich durfte ihn 1964 kennen­ler­nen, als ich als Prak­ti­kant in den DEFA-Doku­men­tar­film­stu­dios in Berlin zu arbei­ten begann. Später, nach Abschluss meines Studi­ums an der Film­hoch­schule der DDR, hatte ich das Glück, an zwei Doku­men­tar­fil­men des Heynow­ski-Scheu­mann-Studios mitar­bei­ten zu können.

Das H&S‑Studio, wie das von ihnen gegrün­dete unab­hän­gige Studio genannt wurde, genoss in der DDR hohes Anse­hen, die Filme erran­gen aber auch inter­na­tio­nal Renom­mee. Beide zeig­ten in ihren Filmen eine Entschlos­sen­heit, den Faschis­mus zu entlar­ven, wo immer er auftauchte, und mach­ten keinen Hehl aus ihrer Unter­stüt­zung für die sozia­lis­ti­schen Ziele der DDR.

Walter hatte nicht den Ehrgeiz, Filme von beson­de­rer Ästhe­tik zu machen oder als großer doku­men­ta­ri­scher ‚Auteur‘ gefei­ert zu werden. Viel­mehr betrach­tete er den Film vor allem als Waffe im Kampf gegen Faschis­mus und für Gerech­tig­keit und Sozia­lis­mus. Im Grunde seines Herzens war er ein Jour­na­list, der wusste, dass der Doku­men­tar­film die Menschen auf andere Art erreicht, als es das gedruckte Medium kann. Er griff das neue Medium mit Enga­ge­ment und Leiden­schaft auf und offen­barte schon bald sein Talent, eine Geschichte kompro­miss­los kämp­fe­risch und aufklä­rend zu erzäh­len. Seine Filme zeich­ne­ten sich durch einen auf das Wesent­li­che redu­zier­ten Ansatz aus, er verzich­tete auf didak­ti­sche Erzäh­lun­gen und ließ die von ihm vorge­führ­ten Perso­nen sich selbst aus ihrem eige­nen Munde verurteilen.

Seine Jugend­jahre fielen in die Zeit von Hitlers tota­lem Krieg, und er wurde, wie die meis­ten seiner Alters­ge­nos­sen, mit der Nazi-Ideo­lo­gie indok­tri­niert. Die Befrei­ung Deutsch­lands vom Faschis­mus durch die Rote Armee und ihre Verbün­de­ten und die Entschlos­sen­heit der Hitler­geg­ner, eine neue Nach­kriegs­rea­li­tät zu schaf­fen, öffne­ten ihm die Augen und begeis­ter­ten ihn. In den Jahren nach der Befrei­ung und der Grün­dung der DDR wurde er zunächst Redak­teur bei der Berli­ner Zeitung, dann Chef­re­dak­teur des Sati­re­ma­ga­zins Frischer Wind, dem Vorläu­fer des Eulen­spie­gels, bevor er anfing für den Deut­schen Fern­seh­funk, dem Vorläu­fer des DDR-Fern­se­hens, zu arbei­te­ten. Kurze Zeit später grün­de­ten er und Gerhard Scheu­mann ihr eige­nes unab­hän­gi­ges Studio.

Im Laufe seines Bestehens drehte das Heynow­ski-Scheu­mann-Studio über 100 Filme, 67 davon mit Walter als Regis­seur. Zu den denk­wür­digs­ten Filmen gehörte unter ande­ren „Kongo Müller“, eine Enthül­lung über den deut­schen Söld­ner und Nazi Sieg­fried Müller und die Gräu­el­ta­ten, die er und seine Bande im Kongo began­gen haben. Später dreh­ten sie mehrere Doku­men­tar­filme in Viet­nam, darun­ter „Pilo­ten im Pyjama”, der auf Inter­views mit gefan­ge­nen US-Mili­tärs basiert. Es gab viele weitere bemer­kens­werte Filme: aus Chile unter Dikta­tor Pino­chet, aus Libyen sowie mehrere Filme über die Rolle ehema­li­ger Nazi-Funk­tio­näre in der dama­li­gen Bundes­re­pu­blik Deutschland.

Obwohl das H&S‑Studio von seinen Gegnern oft bezich­tigt wurde, ledig­lich Propa­ganda für die DDR zu machen, ließ sich dieser Vorwurf nie wirk­lich aufrecht­erhal­ten, denn niemand konnte die Rich­tig­keit der Geschich­ten, die sie erzähl­ten, und die Wahr­haf­tig­keit der Reali­tät, die sie zeig­ten, leug­nen. Er redu­zierte seine Themen auf das Essen­ti­elle, verwen­dete kaum eine über­flüs­sige Einstel­lung und keine über­lan­gen, erklä­ren­den Erzäh­lun­gen. Die Prot­ago­nis­ten seiner Filme stell­ten sich selbst bloß.

Walter Heynow­ski wird vor allem wegen seines kompro­miss­lo­sen Stils der Entlar­vung und des enthül­len­den Charak­ters seiner Filme in Erin­ne­rung blei­ben. Er griff Themen auf, die von ande­ren Filme­ma­chern igno­riert oder gemie­den wurden, weil sie entwe­der zu schwie­rig zu reali­sie­ren oder zu gefähr­lich waren. Sein Vermächt­nis lebt in den Archi­ven seiner Arbeit weiter.